Copyright von Fotos

Straßenbildfreiheit vorerst gerettet

Wir berichteten in der Freien Welt: Die Straßenbildfreiheit war in Gefahr. Auf Druck der Öffentlichkeit hat sich das EU-Parlament nun eines Besseren besonnen und den Unsinn vorerst ad acta gelegt.

Foto: Andrew Butitta / flickr.com / CC BY-SA 2.0 (Ausschnitt)
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Es klang wie ein schlechter Scherz, doch es war ernst gemeint. Der Rechtsausschuss des EU-Parlaments hatte eine Verschärfung des Urheberrechts nach französischem Vorbild empfohlen. Die Idee: In Zukunft sollten Fotos von Stadtansichten nicht mehr verwertet und ins Internet gestellt werden dürfen, wenn darauf ein modernes Bauwerk zu sehen ist, dessen Architekt, Künstler oder Rechteverwalter nicht um Genehmigung gefragt wurde.

Die Folge: Bei einem Foto von der Skyline von Frankfurt hätten Sie für jedes einzelne Hochhaus auf ihrem Bild um Erlaubnis fragen müssen.

Da Facebook, Google Plus, YouTube, Instagram, Pinterest, überhaut das halbe Internet und fast alle sozialen Netzwerke auf eingeblendeter Werbung basieren, wäre jeder Fototausch als kommerziell zu werten und somit genehmigungspflichtig und bei Nichtbeachtung abmahnfähig.

Unsinn bleibt Unsinn

In der Praxis hätte das so ausgesehen: Sie machen mit ihrem Smartphone oder ihrer Kamera ein Foto („Selfie“) von sich und ihrer Familie vor der Frankfurter Stadtkulisse mit all den glitzernden Hochhäusern im Hintergrund. Um dieses Foto auf Facebook zu posten, damit ihre Verwandten und Freunde sehen, dass sie und ihre Familie tatsächlich in Frankfurt waren, hätten sie unter das Bild den Copyrightvermerk anbringen müssen, bei dem die Urheber und Verwertungslizenzen aller im Hintergrund sichtbaren Bauwerke und Denkmäler genannt sind.  Wie das in der Praxis hätte geschehen sollen, ist und bleibt ein Rätsel.

In Frankreich und Belgien wird das so gehandhabt: Wer beispielsweise das Atomium in Brüssel fotografieren und das Foto online teilen will, muss um Erlaubnis fragen, denn es handelt sich um ein modernes Kunstwerk. Ebenso bei der Beleuchtungsanlage des Eiffelturms in Paris, deren Nutzungsrechte von einer speziellen Verwertungsgesellschaft vermarktet werden. Nachtfotos des Turmes dürfen nicht ins Netz gestellt oder kommerziell genutzt werden. Dumm nur, dass in Paris der Eiffelturm fast immer irgendwie im Weg steht.

In Ländern wie Deutschland, Großbritannien, Niederlande, Spanien usw. gilt dagegen die Panoramafreiheit beziehungsweise Straßenbildfreiheit. Was von einer Straße oder einem öffentlichen Platz aus einsehbar ist, darf auch fotografiert werden.

Genau diese Freiheit wollte die EU-Abgeordnete Julia Reda europaweit durchsetzen. Doch die Franzosen witterten Gefahr für ihr verschärftes Urheberrecht. So bestand ein französischer EU-Abgeordneter auf einen Änderungsantrag. Der Rechtsausschuss hatte diesen Änderungsantrag durchgewunken und als Empfehlung für die EU-Kommission ausgearbeitet. Doch diese Empfehlung musste vorher noch durch das Parlament bestätig werden – in diesem Fall glücklicherweise!

Eine Protestwelle ging durch Europa

Die Öffentlichkeit bekam schnell Wind von der Angelegenheit. Wikipedia hatte zum Protest aufgerufen: Man befürchtete, dass viele Bilder von der Online-Enzyklopädie genommen werden müssten. Fast alle Medien berichteten. Es folgten Petitionen, Aufrufe, Online-Proteste und unzählige Briefe an EU-Parlamentarier.

Besonders betroffen fühlten sich Fotografen und Filmemacher. Denn eine Einschränkung der Panoramafreiheit hätte das Ende der freien Film- und Fotokunst im öffentlichen Raum bedeutet. Stadt- und Landschaftsfotografen fürchteten um ihr Metier.

Nun kann man aufatmen. Vorerst zumindest. Bei der Abstimmung am 9. Juli hat eine überzeugende Mehrheit der Abgeordneten gegen eine Verschärfung des Urheberrechts gestimmt. Es hat sich also gelohnt, dass die Öffentlichkeit Druck ausgeübt hat.

Darf man nun überall in Europa frei fotografieren?

Nein, darf man nicht. In mehreren EU-Ländern, wie Frankreich, Belgien, Italien und Griechenland, gilt nach wie vor ein verschärftes Urheberrecht, das das Online-Stellen von Urlaubsaufnahmen (z.B. auf Facebook) zu einem Fall für den Abmahnanwalt machen kann.

Doch in den meisten anderen EU-Staaten gilt weiterhin die Panoramafreiheit. Die europaweit einheitliche Regelung nach französischem Vorbild wurde zwar abgewendet, doch die britisch-deutsche Variant nicht europaweit durchgesetzt. Hier ist noch Klärungsbedarf. Der Ball ist nun an die EU-Kommission weitergegeben, die im September den endgültigen Gesetzesvorschlag erarbeiten soll.

Nachtrag: Auf Grundstücken gilt Hausrecht

Eines bleibt anzumerken: Fotos von beispielsweise bayrischen Schlössern dürfen nur dann ins Internet gestellt werden, wenn sie von öffentlichen Straßen oder Plätzen aus aufgenommen wurden. Wenn man sich aber im Schlossgarten befindet, gilt das Hausrecht. Hier gilt auch in Deutschland keine Panoramafreiheit.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: kuddel

Naja, der Vorschlag kam von einem Ausschuss und dort primär durch eine französische Abgeordnete, die bedauerlicherweise bei den Liberalen (ALDE) sitzt. Die wollte halt, dass eine kommerzielle Vermarktung von Kunstwerken (und damit auch Architektur) zumindest eine Duldung des Besitzers bedarf. So ist es ja in vielen Ländern (neben Frankreich auch Benelux, Italien, ...) bereits üblich. Dennoch setzte sich eine überwältigende Mehrheit im Parlament gegen diesen Vorschlag durch. Daher hat das Parlament nicht seine Meinung geändert ("zu einem Besseren besonnen"), sondern sich einfach eine Mehrheit dagegen durchgesetzt. Dass der öffentliche Druck nützlich war, ist ja unbestritten. Aber es wär zu einfach, wenn man jeden Ausschuss und jeden Parlamentarier zu "der EU" erklärt. Ansonsten kann sich Udo Voigt oder ein griechischer Steinzeitkommunist zu Wort melden und alle sagen "die EU plant XY". Oder ist nun Frau Wagenknecht im Bundestag "Deutschland", wenn sie eine Rede hält oder in einem Bundestagsausschuss etwas vorschlägt? Manchmal hilft Nüchternheit ungemein vor einer Empörung.

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