Schadensersatzprozess gegen HRE

Steuerzahlers Albtraum

Rettung mit Folgen: Der Steuerzahler musste 2008/2009 einen dreistelligen Milliardenbetrag aufwenden, um die Immobilienbank Hypo Real Estate vor der Insolvenz zu retten. Doch dies ist noch nicht das Ende.

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Auch mehr als fünf Jahre nach der Rettung kostet die Bank den Steuerzahler Geld. Die Altaktionäre verklagen die staatseigene Bank auf Schadensersatz. Der Prozess läuft derzeit vor dem Münchener Oberlandesgericht.

Das sprichwörtliche Fass ohne Boden: Dafür erlangte die Hypo Real Estate traurige Berühmtheit. Für die Rettung der Bank musste der Staat 2008 und 2009 insgesamt 175 Milliarden Euro an Kapitalspritzen, Garantien und Hilfen aufwenden. 2009 wurde der Staat dann Alleineigentümer der Bank. Um dies zu erreichen, nahm der Bund eine Kapitalerhöhung vor, kaufte Aktien auf und enteignete schließlich einen Teil der Anleger. Das Ziel: Der Bund wollte die systemrelevante Bank unter seine Kontrolle bringen, um sie zu sanieren bzw. weiteren Schaden vom Finanzmarkt abzuwenden. Es war die erste Verstaatlichung einer Bank in der Geschichte der BRD.

Jetzt könnte die Bank den Staat erneut Geld kosten: Die Altanleger klagen auf Schadensersatz. Es geht um 900 Mio. Euro Entschädigung. Hinzu kommen die Zinsen, womit die Gesamtsumme auf etwas über eine Milliarde Euro ansteigt. Der Bund – und damit der Steuerzahler – muss also eventuell noch einmal Geld in die Hand nehmen, um Anleger zu entschädigen. Das Paradoxe daran: Ohne die Rettungsaktion des Bundes gäbe es die Bank nicht mehr. Jetzt, mehr als fünf Jahre nach der dramatischen Rettung der Bank, läuft vor dem Münchener Oberlandesgericht ein Musterprozess zur Klärung der Schadensersatzansprüche.

Im Fokus stehen dabei allerdings nicht die dramatischen Rettungsmaßnahmen, die im Herbst 2008 begannen, sondern die Informationspolitik der Bank von Mitte 2007 bis Januar 2008. Der Vorwurf: Die Bank habe im genannten Zeitraum das Ausmaß der Probleme systematisch verschleiert und wichtige Informationen nicht oder zu spät veröffentlicht –obwohl die Krise auf dem US-Hypothekenmarkt längst bedrohliche Ausmaße erreicht hatte. Aktienkäufer, die in diesem Zeitraum investierten, hätten – aufgrund der Falschinformationen – einen zu hohen Preis bezahlt. Auf diese Kursdifferenz klagen die Anleger jetzt.

Heile Welt bis zum Januar 2008

Die Informationspolitik der Hypo Real Estate sprach bis Mitte Januar 2008 eine positive Sprache, die keine Hinweise auf die kommenden Probleme enthielt. So teilte die Bank noch am 11. Juli 2007 mit, dass der Vorstand die Prognose für das Gesamtjahr 2007 erhöhe, vor allem wegen des außerplanmäßig hohen Neugeschäfts im zweiten Quartal 2007. Wenige Wochen später, am 3. August 2007, bestätigte die Bank die optimistische Prognose. Sie schrieb u.a., dass „[…] aus der Krise um die US-Subprime keine negativen Belastungen zu erwarten…“ seien. In den Monaten August bis November folgten verschiedene Berichte und Interviews mit Vorstandschef Georg Funke und Finanzvorstand Markus Fell, die allesamt sehr optimistisch im Ton waren. In diesen Zeitraum fiel auch die Übernahme der DEPFA Bank plc. Am 2. Oktober 2007 schluckte die Hypo Real Estate die irische Bank. Ein Schritt, der sich später als verhängnisvoll erweisen sollte. Denn es war die DEPFA, die die Hypo Real Estate im Herbst 2008 in den Abgrund riss – aufgrund einer unvorstellbar großen Finanzierungslücke von rund 35 Milliarden Euro.

Abschreibungen im Januar 2008 führen zu Kursrutsch

Der Kurs der Hypo Real Estate-Aktie bewegte sich genannten Zeitraum mehr oder weniger seitwärts – zwischen 45 und 33 Euro, allerdings mit einer leichten Abwärtstendenz. Die große Wende kam am 15 Januar 2008. An diesem Tag räumte die Bank ein, dass Abschreibungen in Höhe von 390 Mio. Euro auf forderungsbesicherte US-Wertpapiere (CDOs) notwendig seien. Der Kurs des damals im DAX notierten Unternehmens stürzte binnen Sekunden von etwa 33 Euro auf 21 Euro ab – bis dahin der größte Tagesverlust eines DAX-Einzeltitels. Die jetzt geltend gemachten Schadensersatzansprüche beziehen sich auf Aktien, die vor dem 15. Januar 2008 erworben wurden.

Die Klägerseite wirft der Hypo Real Estate vor, wichtige Informationen im Zusammenhang mit der US-Subprime-Krise nicht rechtzeitig erkannt zu haben und zu spät veröffentlicht zu haben. So bestehen die geschädigten Anleger u.a. darauf, dass die optimistische Gesamtjahresprognose vom 11. Juli 2007 schlicht „unwahr“ sei. Ein weiterer Streitpunkt: Einen Tag zuvor, am 10. Juli 2007 hat die Rating-Agentur Standard & Poor’s 498 von 612 Residential Mortgage Backed Securities (RMBS), also Wertpapiere des US-Wohnimmobilienmarktes, herabgestuft. Hierauf hätte die Hypo Real Estate die eigenen Bestände nicht überprüft, eine Veröffentlichung hierzu habe es ebenfalls nicht gegeben.

Nach dem gleichen Schema greift die Anklage die gesamte Politik und Kommunikation der Bank bis zum 15. Januar 2008 an. Die Interviews in der Presse seien zu optimistisch gewesen, wichtige Informationen über Folgerisiken aus der DEPFA-Übernahme seien nicht kommuniziert worden. Und schließlich, sei der Abschreibungsbedarf mit 390 Mio. Euro zu gering angegeben worden.

Lange Liste der offenen Fragen für Münchner Gericht

Bei allen Punkten muss das Oberlandesgericht München jetzt klären: Hat die Bank bzw. ihre damalige Führung v.a. gegen das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) und die darin vorgesehenen Publikations- und Informationspflichten verstoßen. Die Materie ist komplex, die Liste der zu klärenden Punkte lang. Das Gericht hat die Fragen in elf Komplexe gegliedert, die es jetzt abarbeiten muss.

Beide Seiten haben aktuell Zeit für Stellungnahmen. Der Prozess soll zwischen dem 5. Und dem 28. Mai fortgesetzt werden. Sechs Verhandlungstage sind dafür anberaumt. Wird den Anlegern eine Entschädigung zugesprochen, muss der staatliche Eigentümer geradestehen und damit die Allgemeinheit. Allerdings: Verklagt werden neben der Hypo Real Estate Holding auch der ehemalige Vorstandschef Georg Funke und der Finanzvorstand Markus Fell. Eventuell müssen auch sie bzw. ihre Berufshaftpflichtversicherungen zahlen.

Für den Steuerzahler ist der Fall der Hypo Real Estate ein Albtraum, der kein Ende nimmt: Neben der größten Bankenrettung der bundesdeutschen Geschichte kann es nun sein, dass der Staat auch noch die Aktionäre entschädigen muss.

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