Naher Osten

Staaten im Auflösungsprozess

Eine Region löst sich in Chaos auf. Im Nahen und Mittlere Osten gibt es mehr gescheiterte Staaten als jeder anderen Region der Welt. Eine Besserung ist nicht in Aussicht.

Foto: William Gore / US Army Africa / flickr.com / CC BY 2.0 (Ausschnitt)
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Auch wer keine Anglizismen mag, sollte sich drei englische Begriffe merken. Denn sie sind entscheidend für das Verständnis, weshalb sich eine geographische Region – von der Sahara bis nach Mittelasien – in Chaos auflöst. Diese drei Begriffe sind: „Covert Operation“, „Blowback“ und „Failes States“.

„Covert Operations“ sind verdeckte Operationen. Im Nahen und Mittleren Osten ist diese Methode seit über hundert Jahren immer wieder eine gängige Vorgehensweise. Um eine nicht genehme Regierung zu stürzen, werden im Untergrund Oppositionen, Milizen und Terroristen unterstützt. Die Folgen sind Umstürze und Bürgerkriege. Alle Parteien des syrischen Bürgerkrieges haben im Ausland ihre jeweiligen verdeckten Unterstützer.

„Blowback“ ist die Folge, wenn eine Situation außer Kontrolle gerät und sich die Terrorgruppen gegen jene wenden, die sie einst ausgerüstet haben. Bekanntes Beispiel ist Afghanistan, wo in den 1980ern die US-Amerikaner die Mudschaheddin gegen die Sowjetunion unterstützt haben. Schließlich wurde Afghanistan zum Zentrum des Terrorismus, der sich gegen die USA selbst wandte.

Das Ergebnis sind „Failed States“ – gescheiterte Staaten, die dabei sind, sich in Chaos aufzulösen. Zu dieser Gruppe gehören Syrien, Irak, Libyen, Süd-Sudan, Jemen, Somalia und Afghanistan. In gewisser Weise kann man auch Gaza dazuzählen, auch wenn der Begriff Staat hier nicht zutrifft. Ein ehemaliger „Failed State“ ist der Libanon.

Dann gibt es die Staaten der autoritären Regime, die mit aller Kraft und Härte versuchen, dieses Schicksal abzuwenden. Zu diesen Staaten gehören zurzeit Tunesien, Ägypten, Saudi-Arabien, Kuwait, Bahrain, Pakistan und der Iran.

Der Blick zurück auf die letzten 40 Jahre dämpft jede Hoffnung auf eine Besserung. Die wirtschaftlichen und demographischen Daten sprechen eine pessimistische Sprache. In den gescheiterten Staaten wächst zum Teil die zweite Generation heran, die in ihrem Leben nichts anderes kennengelernt hat als Chaos und Bürgerkrieg. Das ist keine gute Voraussetzung, um eine stabile Gesellschaft aufzubauen.

Die Serie der Gewalt nimmt nicht ab

Die letzten Wochen haben uns gelehrt, dass es praktisch im ganzen Nahen Osten Terrorzellen gibt, die weitere Anschläge planen. Der selbsternannte „Islamische Staat“ (IS) in Syrien und im Irak hat trotz internationaler Bekämpfung seine Position halten können. Die Serie der Anschläge reißt nicht ab. Auch dieses Wochenende war wieder von Kämpfen und Anschlägen gekennzeichnet. Hier eine Auswahl der Ereignisse:

Sonntag, den 19. Juli:

In Ägypten kam es im Norden der Sinai-Halbinsel zu Auseinandersetzungen zwischen Terroristen und ägyptischen Streitkräften. 7 Soldaten und 59 Miliz-Krieger kamen bei den Kämpfen ums Leben. Die Terroristen, ein Gemisch aus beduinischen Separatisten, ehemaligen Muslimbrüdern und Miliz-Ablegern des IS, terrorisieren seit mehreren Monaten die Grenzregion zum Gazastreifen und Teile des Sinai.

Im Jemen kamen bei einem Artilleriefeuer der Huthi-Rebellen auf die Hafenstadt Aden mehr als 40 Menschen ums Leben. In der Umgebung der Stadt gab es Gefechte zwischen Regierungstruppen, die von der saudi-arabischen Luftwaffe unterstützt wurden, und den schiitischen Huthi-Rebellen.

Samstag, den 18. Juli:

In Saudi-Arabien wurden mehr als 400 Menschen verhaftet. Ihnen wird vorgeworfen, Mitglieder der Terrororganisation des sogenannten „Islamischen Staates“ (IS) zu sein und Anschläge geplant zu haben. Einige sollen verantwortlich für den Anschlag auf eine schiitische Moschee in der saudischen Ostprovinz gewesen sein, bei dem im Mai 21 Menschen getötet wurden.

Im Irak wurden bei der Explosion einer Autobombe mindestens 115 Menschen getötet und mehr als 170 verletzt. Ein Selbstmordattentäter war mit einem Lastwagen, der mit Sprengstoff beladen war, in eine Menschenmenge gefahren. Auf dem Markt feierten die Schiiten das Ende des Fastenmonats Ramadan. Der IS bekannte sich zum Anschlag. Er soll militanten Schiiten gegolten haben. Doch die Opfer waren fast ausschließlich Zivilisten, darunter zahlreiche Kinder. Durch die Detonation sollen einige Häuser zusammengebrochen sein und Menschen unter sich begraben haben.

Härte in Ägypten und Saudi-Arabien

Angesichts der Anschläge und der weiten Verbreitung der Terrornetzwerke ist es nicht verwunderlich, dass Saudi-Arabien und Ägypten mit eiserner Härte vorgehen. Sowohl das saudische als auch das ägyptische Regime wissen sehr wohl, dass ihre Tage gezählt sein werden, wenn sie nicht energisch gegen oppositionelle Tendenzen vorgehen.

Der ägyptische Präsident El-Sisi will nicht enden wie Mubarak, und die saudische Königsfamilie möchte nicht gestürzt werden. Das ist ein wichtiger Grund, weshalb beide Staaten eng zusammenarbeiten. Saudi-Arabien unterstützt Ägypten massiv mit finanziellen Hilfen.

China wehrt sich gegen Terrorismusexport nach Xinjiang

Die Idee des militanten Fundamentalismus breitet sich unaufhaltsam in Afrika und Vorderasien aus. In Nigeria kämpft Boko Haram, in Kenia und Somalia treiben die radikal-islamischen Schabab-Milizen ihr Unwesen. Im Südosten des Iran sorgen die sunnitischen Belutschen für Unruhe.

Die Ausweitung der Terrorzonen und „Failed States“ hat dazu geführt, dass auch China ein Überschwappen des militanten Islamismus auf das eigene Territorium befürchtet. In der Nordwestprovinz Xinjiang leben die muslimischen Uiguren. Inspiriert von militanten muslimischen Bewegungen wächst auch dort der Separatismus.

Unterstützt werden sie auch von Organisationen aus dem Westen, die China mangelnde Demokratie vorwerfen und Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang anprangern. Doch die Führung in Peking wird sich von solchen Vorwürfen nicht beeindrucken lassen. Schon jetzt ist klar, dass die chinesische Regierung jede Form des Separatismus und muslimischer Opposition in der fernen Westprovinz im Keim ersticken wird. Angesichts der Entwicklungen in der islamischen Welt kann man auch als Kritiker die Sorgen der chinesischen Regierung nachvollziehen. In Peking befürchtet man zudem, dass es im Ausland Interesse gibt, die Volksrepublik zu destabilisieren. Auch die Demonstrationen in Hongkong werden in diesem Kontext gedeutet.

Traum von der Demokratie ausgeträumt

Die Entwicklungen der letzten Jahre haben aller Welt vor Augen geführt, dass zahlreiche Länder des Nahen und Mittleren Ostens noch nicht reif für eine Demokratie westlichen Maßstabs sind. Die staatlichen, gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind nicht vorhanden.

Die furchtsamen Eliten dieser Länder haben ihre Lektion gelernt. Ihre Sorgen um Privilegien und Pfründe bestimmen ihre Politik. In Zukunft werden sie weiterhin autoritäre Strukturen zu festigen versuchen und mit harter Hand regieren. Damit schließt sich der Kreislauf. Denn jede unterdrückte Opposition ist der Nährboden für weiteren Terrorismus. Leider gibt es viele Gründe, pessimistisch zu sein.

( Schlagwort: GeoAußenPolitik )

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Hans von Atzigen

Sehr gute Zusammenstellung.
Aufmerksam kritischen Beobachtern ist
längst klar was sich da zusammenbraut.
Hoffentlich animiert die Zusammenstellung
möglichst viele die Entwicklung in einen
erweiterten Zusammenhang zu stellen.
Freundliche Grüsse

Gravatar: Klartexter

Und wer hatte seine blutigen Hände immer mit drin, wenn es galt die Demokratie zu bringen? Und was haben sie provoziert oder selbst produziert, nachdem sie selbst erst gebombt und massenhaft unschuldige Menschen getötet (ermordet) haben? Die Produkte ihrer Demokratisierungsidiotie verbreiten Mord und Gewalt über eine Vielzahl von vormals stabilen Staaten. Die Ernte fährt der Tod ein und wer dem Tod entrinnen kann versucht nach Europa zu fliehen, natürlich auch die Trittbrettfahrer, auch Wirtschaftsflüchtlinge genannt. Ein weiterer Kontinent, das frühere abendländische Europa, wird die mitgebrachten ethnischen und religiösen Konflikte nicht unbeschadet überstehen. Die alten Gesellschaften gehen kaputt und werden durch noch kaputtere ersetzt, inkl. des Niedergangs der europäischen Kulturen.

Gravatar: Ralle

Was glauben Sie, wie es in (höchstens) 10 Jahren in Europa aussehen wird?

Gravatar: D.Eppendorfer

Meine Meinung:

Obwohl in allen diesen oben genannten Chaosstaaten der Islam regiert und sich sogar untereinander abschlachtet, wird auch das nach offizieller Buntland-Lesart garantiert nix mit dem Islam zu tun haben.

Wir romatisch verblendeten Weltretter werden also zur Lösung der globalen Religionsfantiker-Probleme einfach noch ein paar Millionen überwiegend junge Moslem-Männer-Flüchtlinge samt getarnten Terroristen importieren und so dem psychotischen Gutmenschen-Schuldkomplex Heilung bringen, damit der Michel sich in seiner dämlichen Naivität wichtig fühlen kann.

Ein infantiles Tagträumervolk schafft sich ab.

Gravatar: Hoover

Bitte korrigieren: "Covered Operations" statt "Covert Operations", und einmal steht oben "Failes States".

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