Deutsche Bevormundungspolitik

Soll an Merkels Wesen die Welt genesen?

Die europäischen Nachbarn fühlen sich zunehmend von der EU und von deutschen Politikern gemaßregelt. Haben Brüssel und Berlin das Recht, anderen Nationen Vorschriften zu machen?

Angela Merkel. 2015. Foto: The European Union
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In Berlin und Brüssel hat sich eine Richtungskompetenzmentalität breit gemacht. Es ist, als ob man dem Kontinent in seiner Gänze einen politischen Kurs aufzudrücken wolle. Doch aus immer mehr Staaten erschallen kritische Stimmen. Ungarn, Polen, Tschechien und die Slowakei fühlen sich gemaßregelt. Griechenland sowieso. Die Briten haben von der EU zunehmend die Nase voll. Auch das kleine Dänemark will sich keine Vorschriften machen lassen. Es vermied von vornherein, dem Euroraum beizutreten. In der Schweiz wirkt all dies so abschreckend, dass man erst gar nicht der EU beitreten will.

Polen fühlt sich momentan besonders bedrängt. Deutschland mische sich zu sehr in polnische Angelegenheiten ein, deutsche Politiker würden sich zunehmend antipolnischer Rhetorik bedienen, heißt es unter anderem. Der polnische Außenminister Witold Waszczykowski hat Montag sogar den deutschen Botschafter zu einem Gespräch gebeten.

Deutschland verhält sich zunehmend wie ein bevormundender Elefant im Porzellanladen. Fast schon mutet es chauvinistisch an, mit welchem besserwisserischen Eifer die deutsche Politik meint, den anderen Regierungen moralisch überlegen zu sein. Das war unter Konrad Adenauer, Ludwig Erhardt, Helmut Schmidt und Helmut Kohl nicht so, auch unter Gerhard Schröder nicht. Warum fühlt sich Angela Merkel den anderen Regierungen so überlegen?

Soll am deutschen Wesen die Welt genesen?

Es gab einmal Zeiten, da waren fast alle europäischen Nationen mit einem großen Sendungsbewusstsein in die Welt gezogen. Sie verbreiteten ihre Werte. Doch eigentlich ging es nur um die Geschäfte ihrer Handelskompanien, denen zuliebe man in Übersee Kolonien gründete. Relativ spät folgte Deutschland dem Vorbild Großbritanniens und Frankreichs. Das deutsche Kaiserreich träumte von einem „Platz an der Sonne“, von einer großen Flotte, und man war der Ansicht, dass am „deutschen Wesen die Welt genesen“ solle. Doch die Geschichte hat uns gelehrt: Die Welt hat auf Deutschlands Sendungsbewusstsein nicht gewartet und wäre auch ohne jenes gut zurechtgekommen.

Das Nachkriegsdeutschland hatte diese wichtige Lektion gelernt: Man muss auf die Belange seiner Nachbarn und anderer Nationen hören, muss ihre Bedürfnisse respektieren. Gegenseitiger Respekt und gegenseitige Anerkennung waren die Grundpfeiler des neuen Europa. Deutschland hatte sich immer bemüht, nicht zu laut im europäischen Konzert aufzutreten. Doch das hat sich grundlegend geändert, und zwar unter Angela Merkel. Ob Finanzpolitik oder Flüchtlingspolitik, Europa fühlt sich zunehmend durch das deutsche Vorgehen unter Druck gesetzt.

Haben die deutschen Politiker überhaupt Grund, sich derart moralisch überlegen zu fühlen, den europäischen Nachbarn den politischen Kurs aufzudrängen? Haben wir Deutschen überhaupt das Recht, den Ungarn oder Polen ihre Einwanderungspolitik vorzuschreiben? Ist unsere Regierung demokratisch legitimierter als die anderen Regierungen? Oder kann es sein, dass die Regierungen vieler europäischer Nachbarn viel näher an Volkes Stimme sind als die deutsche Regierung?

Populismus: Tugend für die Einen, Unwort für die Anderen

Wenn man genau hinschaut, stellt man fest, dass zahlreiche Regierungen Europas näher am Puls ihrer Bevölkerung sind als die deutsche. Das liegt zum Teil an der stärkeren Einbindung des Volkes in Form basisdemokratischer Entscheidungsprozesse. In Dänemark und in Schweden konnten die Menschen gegen den Euro abstimmen. Die Schotten durften über ihre Unabhängigkeit abstimmen. Bald dürfen die Briten über den Verbleib in der EU abstimmen. Die Schweizer dürfen sowie über das Meiste direkt abstimmen. Nur die Deutschen haben nichts zu sagen. Sie werden von der Politik bevormundet und von der Presse erzogen.

Euro? EU? Banken-Rettungsschirme? Atomwaffen im Lande? In Deutschland hat das Volk keine Chance, über Sachfragen abzustimmen. Nicht einmal über die Rechtschreibreform durften die Deutschen abstimmen. Und über das Rauchverbot durfte man nur in Bayern abstimmen. In den anderen Bundesländern haben die Politiker in Absprache mit Lobbyisten entschieden. Das ist Demokratie in Deutschland: Volksabstimmungen werden vermieden, wo es nur geht. Es ist, als ob man dem Volk nicht über den Weg traut. Daher ist in Deutschland das Wort Populismus negativ besetzt. Populus heißt Volk. Volksnah zu sein, ist in Deutschland zur Untugend geworden.

Man kann über Berlin und Brüssel nur den Kopf schütteln. Was ist so schlimm an Basisdemokratie? Warum ist es so schwierig, die Souveränität anderer Länder und die Bedürfnisse anderer Nationen zu respektieren? Warum muss ganz Europa in ein vorgeschriebenes Wertekorsett eingeschnürt werden, über dessen Einzelpunkte die jeweiligen Bevölkerungen nicht abstimmen dürfen?

Merkel als Mutti der Nation

Das Bild der Landesmutter ist fast schon zur Karikatur verkommen. Am Beispiel Einwanderung und am Beispiel Atomwaffen in Deutschland, aber auch bei der Durchsetzung von TTIP und CETA zeigt sich, dass die Kanzlerin und ihre Regierung glauben, der Bevölkerung eine Politik vorschreiben zu können wie eine Mutter, die den Kindern vorschreibt, was sie zu essen und wann sie ins Bett zu gehen haben. Für mündige Bürger ist dieser Ausschluss vom demokratischen Entscheidungsprozess geradezu beleidigend. Man wird wie Kinder behandelt, nicht wie erwachsene Bürger einer Demokratie.

Und nun empfinden das nicht nur viele Deutsche, sondern auch viele europäische Nachbarn so. Dass EU-Politiker und deutsche Politiker sogar über Sanktionen gegen Polen nachdenken, empört viele Polen. Wie würde Deutschland reagieren, wenn Polen Sanktionen gegen Deutschland fordern würde?

Besonders in der Flüchtlingspolitik schaut mittlerweile ganz Europa wie gebannt auf Deutschland und Merkels eisernen Kurs des „Wir schaffen das“. Selbst das liberale Schweden hat die Grenzen nun dicht gemacht. An den Grenzen zu Schweden und Dänemark wird wieder kontrolliert. Doch nicht nur bei den europäischen Nachbarn, auch in Australien, Kanada und den USA schaut man immer verwunderter auf Merkels Politik. In der „New York Times“ wurde die deutsche Politik als weltfremd dargestellt und offen dazu aufgefordert, dass Angela Merkel gegen müsse, um Deutschland noch auf einen vernünftigen Kurs bringen zu können. Dennoch halten deutsche Politiker, von grün über rot bis schwarz, den Kurs der Politik für richtig.

Eine Regierung, die sich weigert, auf des Volkes Stimme zu horchen, und die für die Belange der Nachbarländer kein Gehör mehr findet, ist eigentlich nicht mehr verantwortbar. Eine gute Regierung muss immer ein offenes Ohr haben. Sie muss auch bereit sein, den Kurs zu korrigieren. Doch in Berlin ist man festgefahren. Und in Brüssel ist es nicht besser.

Dabei hätte sich in den letzten Jahren doch eine klare Erkenntnis durchsetzen müssen: Je näher die Politik an den Bürgern in der jeweiligen Region ist, und je mehr sie die Eigenheiten und Sonderwünsche der Regionen respektiert, desto zufriedener sind die Menschen. Doch je mehr die EU zur Vereinheitlichung tendiert, desto stärker wächst der Unmut, der sich in Wahlergebnissen und Demonstrationen äußert. In fast allen EU-Ländern wachsen die Parteien, die der EU gegenüber kritisch stehen, egal ob man sie als links- oder rechtsstehend einordnen möchte. Demokratie muss immer vom Volke aus gedacht werden. Doch in Berlin und Brüssel scheint man von oben nach unten herabregieren zu wollen. Das ist definitiv die falsche Richtung.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Kurt

"Die europäischen Nachbarn fühlen sich zunehmend von der EU und von deutschen Politikern gemaßregelt."

Nicht nur diese - ich auch !

Wozu soll ich noch wählen gehen ? SPD, CDU, Grüne, CSU winken doch sowieso alles durch, was Frau Merkel bestimmt.

Diese Marionetten sind keine Volksvertreter mehr, sondern nur noch Merkel-Vertreter.

Gravatar: p.feldmann

Merkels Regime mit spd und grün-links hat jetzt schon mehr Schaden für Deutschland und Europa angerichtet als vordem auch nur denkbar war!
Merkel muss nicht einfach "weg", Merkel muss in Handschellen mit ihrem Kabinet der Welt vorgeführt werden! Diese Bilder sollen Facebook und die sozialen medien verstopfen!

Gravatar: Trebor

Dieser Bericht entspricht Wort für Wort der Wahrheit - es ist dem nur mit aller Deutlichkeit beizupflichten.

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