Ukrainekrise

Russlandsanktionen – ein Eigentor?

Die Sanktionen gegen Russland schaden der EU mehr als den USA. Die deutsche Wirtschaft muss Verluste verbuchen. Die Amerikaner profitieren dagegen wirtschaftlich und politisch.

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Die EU verschärft erneut ihre Sanktionspolitik gegen Russland. Aktuell haben sich die Außenminister der EU auf eine Ausweitung der Sanktionen geeinigt. Grund seien die eskalierenden Kämpfe in der Ostukraine. Betroffen sind russische und ostukrainische Personen, Unternehmen und Organisationen. Die Politik Kiews wird nicht sanktioniert.

Konkret handelt es sich um Vermögenssperren und Einreiseverbote in die EU. Außerdem sollen die bereits bestehenden Sanktionen verlängert werden. Damit ist die EU hinter den schlimmsten Befürchtungen zurückgeblieben. Denn auf härtere Schritte gegen Moskau konnte man sich nicht einigen.

EU ist uneins über den weiteren Weg der Sanktionspolitik

Die gespaltene Interessenslage in der EU-Außenpolitik zeigt sich immer deutlicher. Da ist zum einen der transatlantische Einfluss mit den Vorgaben der NATO-Strategien. Doch da sind ebenso die Interessen europäischer Wirtschaftsunternehmen, die ihre Felle davonschwimmen sehen. Die Lobbyarbeit beider Interessensgruppen zerrt an der EU-Politik.

Aus EU-Staaten wie Spanien, Österreich, Luxemburg, Zypern, Ungarn, Slowakei und der Tschechischen Republik sowie neuerdings aus Griechenland werden jene Stimmen lauter, die eine Lockerung der Sanktionen befürworten. Der neue griechische Premierminister Alexis Tsipras denkt sogar über ein Veto gegen neue Sanktionen nach. Auch die deutschen Vertreter schwanken zunehmend, wie die jüngsten Äußerungen Angela Merkels und Sigmar Gabriels zur wirtschaftlichen Einbindung Russlands gezeigt haben.

Der Westen verfügt über gefährliches Verschärfungspotential der Sanktionen

Deutlich geworden ist, dass der Westen noch über ein erhebliches Potential verfügt, die Sanktionen gegen Russland empfindlich zu verschärfen. Solche Wirtschafts- und Finanzwaffen werden diskutiert, sind allerdings hoch umstritten. Denn sie bergen das Risiko einer unkontrollierbaren Eskalation des neuen Ost-West-Konfliktes

Ein Beispiel für ein besonders hartes Sanktionsmittel wäre es, Russland vom Swift-Abkommen auszuschließen. Swift ist das Kürzel für „Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication“. Es ist das Rückgrat des internationalen digitalisierten Geldverkehrs. Würde man die Finanzinstitute Russlands aus dem Swift-Abkommen werfen, wären diese effektiv aus dem internationalen Geldverkehr ausgeschlossen. Finanzielle Transaktionen von und nach Russland wären extrem erschwert.

Doch solche harten Bandagen wären eine finanzielle Massenvernichtungswaffe, auf die betroffene Staaten nur mit extremen Gegenmaßnahmen reagieren könnten. Bis jetzt hat die EU sich daher noch nicht auf diese Formen der Sanktionen geeinigt. Es bleibt zu hoffen, dass es dabei bleibt.

Deutsche Wirtschaft sieht Sanktionen skeptisch

In der deutschen Debatte sind derweil zwei Tendenzen zu erkennen. In der Politik und in den Leitmedien wird tendenziell ein strenger Kurs gegen Russland befürwortet. In der Wirtschaft spricht man sich eher für eine Lockerung der Sanktionen aus.

Die Gründe hierfür liegen klar auf der Hand. Die Politik und Medien sind in transatlantische Netzwerke eingebunden. Berlin kann keine weit reichenden außenpolitischen Entscheidungen ohne Rücksprache mit Brüssel und Washington treffen. Deutsche Alleingänge gelten als tabu. Der grobe Kurs der EU-Außenpolitik ist längst vorgegeben.

Die in Deutschland wirkenden Wirtschaftsunternehmen sind dagegen ihren Anteilseignern und Aktionären verpflichtet. Außerdem müssen sie sich an Vereinbarungen mit Kunden und Zulieferern halten. Fakt ist, dass die deutsche und europäische Wirtschaft stärker auf den Handel mit Russland angewiesen ist als die US-amerikanische. Im Kalenderjahr 2013 gingen fast 7 Prozent des EU-Exports nach Russland, das sind immerhin Exporte im Wert von über 119 Milliarden Euro. 12,3 Prozent des EU-Imports kann aus Russland, zum großen Teil Rohstoffe. Das entspricht einer Summe von mehr als 206 Milliarden Euro. Das Gesamthandelsvolumen liegt bei über 326 Milliarden Euro.

Zum Vergleich: Die USA haben 2013 aus Russland Güter im Wert von 27 Milliarden US-Dollar importiert und von rund 11 Milliarden US-Dollar nach Russland exportiert. Das ist im Vergleich zu den europäischen Werten ein Klacks. Für die US-Amerikaner ist der Handel mit Ostasien sehr viel bedeutungsvoller, ebenso der Handel mit der EU. Russlands Bedeutung für die US-Wirtschaft ist marginal. Wenn überhaupt, interessiert man sich für die Ausbeutung der dortigen Bodenschätze oder für die Beeinflussung der Rohstoffpreise.

Fakt ist auch, dass die deutsche Wirtschaft unter der aktuellen Sanktionspolitik leidet. In der Automobilindustrie wird der Verlust von Zehntausenden Arbeitsplätzen befürchtet. Davon sind nicht nur die großen Autokonzerne wie etwa Volkswagen betroffen, sondern ebenso die gesamte Zulieferindustrie. Auch Industriekonzerne wie Siemens befürchten den Verlust von Marktanteilen im Russlandgeschäft.

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die US-Industrie von der Sanktionspolitik zumindest teilweise profitiert. Das betrifft nicht nur die Rüstungsindustrie, die von der NATO-Aufrüstungspolitik profitieren wird, da man nun wieder ein starkes Feindbild vorweisen kann, um Erhöhungen der Rüstungsetats in den NATO-Staaten zu rechtfertigen. Auch die US-Energie-Konzerne reiben sich die Hände, wegen des neuen Energiemarktes in Europa. Denn mit der Energieimport-Diversifizierung wird die EU mehr Rohstoffe aus Nordamerika einkaufen müssen, um den schrumpfenden Import aus Russland auszugleichen.

Zu den bisherigen Sanktionen gegen Russland gehört auch das Exportverbot von Schlüsseltechnologien für die Erdölförderung, die insbesondere bei der Förderung im schwierigen Terrain, etwa bei Tiefseebohrungen oder der Schieferölförderung, von Nutzen sind. In diesem Zusammenhang sind auch die gefallenen Erdölpreise einzuordnen, die die russische Wirtschaft empfindlich schwächen.

Europa leidet – Amerika profitiert?

Es höchst verwunderlich, dass trotz der Sanktionen der Handel zwischen den USA und der Russischen Föderation im Jahr 2014 nur wenig oder zeitweise gar nicht geschrumpft ist. Wie kommt das? Selbst die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini wundert sich über diesen Missstand. Es scheint, als fordere man von Brüssel etwas, das man in Washington selbst nicht so genau nimmt.

Es sind noch andere Entwicklungen verwunderlich. So ist es sehr auffällig, dass wichtige Schlüsselpositionen in der ukrainischen Politik mit Politikern und Managern besetzt wurden, die eindeutig einen US-amerikanischen Bildungs- und Wirtschaftshintergrund haben. Beispielsweise bekam Hunter Biden, der Sohn des US-Vize-Präsidenten Joe Biden, eine wichtige Schlüsselposition im ukrainischen Gaskonzern Burisma. Ukrainische Finanzministerin wurde eine US-amerikanische Investmentbankerin. Die Familie von Natalie Jaresko stammt zwar ursprünglich aus der Ukraine. Sie selbst aber ist US-Amerikanerin, in Chicago geboren. Per Eilverfahren hat man sie nun in der Ukraine eingebürgert.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Alfred

Wir haben im Westen leider nicht die intelligentesten Politiker!

Gravatar: keinUntertan

Das Verhalten der EU gegenüber den USA kann man auch mit vorauseillendem Gehorsam umschreiben. Und manchmal helfen die USA mit Druck nach, wie Joe Biden zugegeben hat.

Ist es nicht auch so, dass es Sanktionslisten (hinsichtlich der Kriterien) gibt, an die sich US-Firmen halten müssen, und Sanktionslisten, an die sich EU-Firmen halten müssen? Nur mit dem Unterschied, dass sich die EU-Firmen auch an die US-Listen halten müssen, während die US-Firmen nicht an die EU-Listen gebunden sind?

Gravatar: D.Eppendorfer

Vermutlich haben nicht wenige bei der feierlichen Gründung der EU mit stolz geschwellter Brust davon geträumt, wir würden quasi die Vereinigten Staaten von Europa schaffen, den kleinen aber gleichberechtigten Bruder der USA.

Leider aber sehen die Amis das ganz anders, und spielen nun zurecht Papa, denn wir sind nur ein naiver Haufen verzogener Kinder, die wegen jedem Lolli in Streit geraten. Dazu kuschen wir jedes Mal, wenn Big Daddy uns zu verstehen gibt, wie wir uns zu verhalten haben, um seinen Zorn zu vermeiden. Ein geradezu jämmerlicher Haufen EU-Politker gewählt von erbärmlichen EU-Bürgern bildet sich in seiner ignoranten Arroganz ein, die Draußenwelt nach ihren Gusto ändern zu müssen und bestraft jeden, der nicht begeistert in das infantile Wir-wissen-alles-besser-Liedchen einstimmt.

Manchmal fühle ich mich angesichts so viel egomanisch überheblicher Dämlichkeit in unseren ja ach so tollen Demokraturen sehr sehr müde.

Gravatar: Karin Weber

Eigentlich müssten auch Sanktionen gegen die USA verhängt werden, wegen der Kämpfe im Irak/Syrien. Es wäre nur eine logische Fortsetzung dieser "europäischen Politik".

Dem Bürger war von vornherein klar, dass diese Anti-Russland-Sanktionen ein Schuss in den Ofen waren. Aber wir wissen ja, was in Europas Regierungen so rumhockt. Da kann man soviel Weitsicht einfach nicht verlangen.

Auf weite Sicht hinaus erleiden die mitsanktionierenden Staaten, und damit auch Deutschland, einen weitaus größeren Verlust, nämlich den ihrer Glaubwürdig- und Verlässlichkeit. Sollte Russland mit solchen "Partner" - auf die kein Verlass ist !!! - weiterhin Geschäfte machen oder sich besser in Richtung "Asien" orientieren? Meine Antwort ist eindeutig, ich würde mich abwenden. An diesem Schaden wird Deutschland noch Jahrzehnte zu leiden haben, da ist diese Regierung ebenfalls hochpensioniert über alle Berge.

Gravatar: p.feldmann

wenn du mich haust, schneide ich mir den Arm ab!

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