Revolutionäre 1. Mai-Demo: Eine Reportage

"Die Polizei hat die Demonstration mehrfach angegriffen. Sie hat Leute verprügelt und Leute verhaftet.  Sie ist schuld, wenn es jetzt zu Gewalt kommt", mit diesen Worten beendet der Abschlussredner den offiziellen Teil der "Revolutionären 1. Mai Demo" des Jahres 2009.  Ebensogut hätte er "Attacke" brüllen können.

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Seine Sätze wirken wie ein Fanfarensignal.  Nur wenige Sekunden später fliegen Flaschen und Steine, unterstrichen von dem Lärm explodierender Böller. Die Menge in der Umgebung des U-Bahnhofs "Kottbusser Tor", in der sich die Ereignisse abspielen, gerät in Panik.  Zu diesem Zeitpunkt ist es noch hell, ein Großteil der Menschen sind friedliche Besucher des parallel stattfindenden Kreuzberger Straßenfestes "MyFest".

Im Kessel

Die Polizei hat den gesamten Bereich blitzschnell mit Hundertschaften eingekesselt.  Nur jeweils einzeln nach vorheriger Überzeugungsarbeit ist es noch gestattet, den Kessel zu verlassen. Diejenigen, die bleiben, demonstrieren eindrücklich in welcher Art und Weise sie den Kampf gegen den verhassten Kapitalismus, gegen den sich die gesamte Veranstaltung angeblich richtet, zu führen gedenken.

Schon früh hatten die Flaschenwürfe begonnen.
Bereits während der Demonstration war es aus dem Demonstrationszug heraus zu Übergriffen auf Passanten und Festbesucher gekommen. Beispielsweise hatte eine Gruppe völlig unbeteiligter Endzwanziger es gerade noch geschafft, sich in einen Hauseingang zu retten, nachdem plötzlich Flaschen und Pflastersteine in ihre Richtung geworfen worden waren.  Auch hatten die Sprecher des Protestzuges ihre Zuhörer immer wieder aufgefordert, sich von der Polizei "nichts gefallen zu lassen" und gegen 18 Uhr zu Beginn der Demo behauptet, die Polizei sei "auf Stress aus", als diese noch kein einziges Mal eingeschritten war. Eine eigens eingerichtete Rufnummer für "Zeugen polizeilicher Übergriffe" wurde mehrfach durchgegeben.

Vorbereitung von langer Hand

Nicht nur diese Rufnummer zeigte, wie gut sich diverse linksautonome Gruppen auf die Krawalle, bei denen in diesem Jahr sogar Brandbomben geworfen wurden, vorbereitet hatten.  So hatte am 27. April ein Autor des linksgerichteten Internetportals "indymedia" unter den Pseudonym "ACAB" "Nobelkarossentod und gesmashte Scheiben" gefordert und erklärt "Wir lassen uns nicht befrieden". In einem ebenfalls im Internet kursierenden "Mobilisierungsclip" hatte es geheißen: "Wann gibts mal wieder richtig Riots ( riot: Krawall, Aufruhr). Ein Riot wie er früher einmal war. Mit Barrikaden, Mollis und mit Steinen."

Aufgeheizte Stimmung

Im Rahmen der Demo wurde dann keine Gelegenheit ausgelassen, eine gewalttätige Stimmung zu schüren.  Revolutionen seien notwendigerweise auch gewalttätig, verkündete etwa Jutta Ditfurth von der "Ökologischen Linken", die sich auch auf einem Flugblatt für "Aufruhr, Revolte und Widerstand" einsetzte.  Dabei verwies sie auf die Französische Revolution und auf die russische Oktoberrevolution von 1917. Ihrer Ansicht nach waren sowohl die Ereignisse von 1789, die bis heute den Begriff "Terror" prägen als auch die Errichtung des Sowjetsystems, das unter anderem für das gezielte Aushungern Millionen Angehöriger der eigenen Bevölkerung und die Einrichtung des GULAGS, in dessen Rahmen unzählige Menschen in Konzentrationslagern gefoltert und getötet wurden, unverzichtbar für die "Befreiung der Arbeiter".

"Nehmt die Gewehre"

Passend zu ihren Worten wurde das alte, kommunistische Kampflied "Arbeiter, Bauern, nehmt die Gewehre" gespielt. In Anbetracht des Kleidungsstils, des Alters und der Tatsache, dass im Verlauf der Demo nicht etwa zu einer Stilllegung der Betriebe, sondern zu einem Streik an Schulen und Universitäten aufgerufen wurde, liegt allerdings die Vermutung nahe, dass die Zahl der Arbeiter und Bauern unter den Teilnehmern des Protestzuges ausgesprochen gering gewesen sein dürfte.
Nicht gering allerdings war die Zahl der Verletzten. Tote hat es auch in diesem Jahr offenbar keine gegeben. Angesichts des keinewegs spontanen, sondern von langer Hand geplanten Gewaltausbruchs, kann man dies wohl nur als Glück bezeichnen.

(Bericht/Foto: Fabian Heinzel)

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