Ukraine, IWF und der drohende Staatsbankrott

Rettung oder Ausverkauf?

Der drohende Staatsbankrott der Ukraine stellt die USA, EU und IWF vor die Wahl: Neue Investitionen, um der Ukraine zu helfen, damit sie ihre Schulden bedienen kann? Oder der indirekte Ausverkauf des Landes, weil die ukrainische Wirtschaft am Ende ist?

Veröffentlicht:
von

Wenn ein Bürger zahlungsunfähig ist, kommt der Gerichtsvollzieher. Wenn ein Land seine Schuldzinsen nicht mehr bedienen kann, kommt der IWF mit seinen Austeritätsprogrammen. Das bedeutet für die Bewohner des Landes: Gürtel enger schnallen, höhere Steuern, härtere Arbeitsbedingungen, Sparmaßnahmen im öffentlichen Sektor, Ausverkauf der staatlichen Infrastruktur.

Verhandlungen um IWF-Kredite

Ist Arsenij Jazenjuk der Mann, der sein Land endgültig dem IWF ausliefern wird? Der ukrainische Übergangsministerpräsident traf sich am Mittwoch in Washington mit Barack Obama. Die Mission des Ukrainers ist es, um neue Kredite für sein Land zu werben. Die Ukraine steht vor dem staatswirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bankrott.

Nach einem Bericht der „Bloomberg BusinessWeek“, geht es um 15 Milliarden Dollar, die zu IWF-Bedingungen gewährt werden könnten. Jazenjuk gesteht selber ein, dass die harten Bedingungen kein „sweet candy“ seien.

Die Ausgangsbedingungen für Kreditverhandlungen stehen für die Ukraine denkbar schlecht. Nicht erst seit der jüngsten Krise geht es mit der ukrainischen Wirtschaft bergab. „Even before this latest crisis, Ukraine was a mess beyond description“, zitiert die „Bloomberg BusinessWeek“ den “Chief Global Economist” Erik Nielson von der UniCredit S.p.A. in London.

Es ist nicht so, dass der IWF sich zur Kreditvergabe aufdrängt. Vielmehr pokert man hoch, verweist auf die Risiken der Kreditgeber und stellt möglichst harte Bedingungen. Am Ende ergibt sich ein bitteres Bild für die Ukraine. Das Land muss sich vor dem IWF entblößen. Jazenjuk muss in Washington die Bettelpose einnehmen und den Reformwillen seines Landes versprechen.

Hilfe oder Ausverkauf?

Bereits am letzten Sonntag sickerte über das Radionetzwerk “Stimme Russlands” das Gerücht durch, dass die Ukraine Teile ihres Gaspipelinenetzes dem US-Energiekonzern Chevron sowie die ukrainischen Metallkombinate zur Hälfte einem deutschen Konzern übergeben soll. Die „Stimme Russlands“ bezog sich bei dieser Meldung auf Olga Kowitidi, stellvertretende Chefin der Krimregierung, die diese Forderungen als „Raubbedingungen“ bezeichnete. Sie sprach außerdem davon, dass in der Ukraine Teile des US-Raketenabwehrschildes und US-Luftstützpunkte stationiert werden sollen.

Bis jetzt wurde diese Meldung der „Stimme Russlands“ weder bestätigt noch dementiert. Es ist auch möglich, dass aus Teilen der Krimregierung Gerüchte gestreut werden, um Panikstimmung gegen die Politik in Kiew und die Verhandlungen mit dem IWF zu verbreiten. Doch wie real diese Gerüchte auch sein mögen, klar ist schon jetzt, dass die IWF-Bedingungen hart sein werden.

In Washington traf sich Jazenjuk zudem mit der Direktorin des IWF, Christine Lagarde. Sie sieht den Beitrag des IWF als Hilfe, um die Ukraine auf dem „Weg zur wirtschaftlichen Stabilität und Wohlstand“ zu unterstützen. Doch solche euphemistischen Beschreibungen der Kreditvergabevorgänge haben sich in vielen Ländern als zynische Umschreibung des Ausverkaufs entpuppt.

Eigentlich geht es bei diesen Gesprächen um eine Konkretisierung der ukrainischen Kreditanfrage, zu der Lagarde schon am 27. Februar in einer offiziellen Presseerklärung des IWF erklärte, dass man der Ukraine mit neuen Finanzmitteln helfen wolle. Allerdings sollte zunächst eine Delegation des IWF in die Ukraine entsandt werden, um den ökonomischen und infrastrukturellen Zustand des Landes zu überprüfen. Gesagt, getan. Letzten Freitag wurde bekannt, dass die Ukraine und der IWF bereits in konkrete Verhandlungen getreten sind.

José Manual Barroso, Präsident der EU-Kommission, verkündete bereits letzte Woche, dass die Europäische Union der Ukraine mit einem 11-Milliarden-Kredit unter die Arme greifen möchte. Die Details der Kreditvergabebedingungen sind noch nicht geklärt.

Ohne Energieversorgung keine Kreditzurückzahlung

Im Zeitalter der fossilen Rohstoffe sind Pipelines die Schlagadern der Weltwirtschaft. Die Ukraine ist von einem dichten Netz dieser Pipelines durchzogen. Durch sie wird das Erdgas nach Zentral- und Südosteuropa gepumpt.

Die Ukraine selbst ist zu mehr als die Hälfte vom russischen Erdgas abhängig. Kontrolle über die innerukrainische Verteilung dieser Ressource haben diverse Oligarchen in Kiew, die zum Teil eng mit den russischen Energielieferanten zusammenarbeiten.

Über viele Jahre hat Russland der Ukraine Gaslieferungen zu vergünstigten Preisen ermöglicht. Nun sollen sie Schritt für Schritt den üblichen Marktpreisen angepasst werden. Unter dem ukrainischen Ex-Präsidenten Wiktor Juschtschenko wurde den russischen Preisvorstellungen zunehmend entgegengekommen.

Doch wenn die ukrainische Wirtschaft bereits bei subventionierten Billiggaslieferungen stagniert, wie sollte sie sich dann bei erhöhten Energiepreisen erholen können?

Angesichts dieser Perspektiven bleiben den westlichen Finanziers nur zwei Möglichkeiten, um ihre Investitionen sicherzustellen. Entweder wird die Ukraine durch neue Kredite und ergänzende Energieversorgung aus dem Westen so lange künstlich unterstützt, bis das Land seine Schuldzinsen bedienen kann, oder es werden die Interessen der Gläubiger anderweitig bedient.

Falls Putin der Ukraine den Gashahn zudrehen sollte, könnte Deutschland Gas in Richtung Ukraine umleiten, denn die wichtigsten Leitungen nach Deutschland führen durch Weißrussland und Polen sowie durch die Ostsee. Angeblich sollen RWE und E.on bereits Pläne für eine solche temporäre Notgasversorgung der Ukraine entwickelt haben. Dass dies nicht ohne kommerzielle Hintergründe geschieht, kann man sich denken. Der Plan würde allerdings nur solange funktionieren, wie Russland Deutschland mit Gas versorgt. Ansonsten könnte auch Gas aus Norwegen oder via Niederlande geliefert werden, um der Ukraine im Falle einer russischen Sanktion zu helfen. Royal Dutch Shell wird sich freuen.

Die politische Instabilität der Ukraine und die Abhängigkeit Europas vom russischen Erdgas zwingen nun auch die EU-Staaten, nach Energiealternativen zu suchen. Der amerikanische Energiekonzern Halliburton, der schon wegen fragwürdiger Geschäfte im Irak und Libyen aufgefallen war, wartet bereits darauf, in Polen mit dem Fracking zu beginnen. Die Energieriesen Chevron und Shell sind ambitioniert, auch in der Ukraine per Fracking unkonventionelle Gasreserven anzuzapfen.

Ukraine in der Hand der Oligarchen

Was die ukrainische Volksseele denkt, brachte ein Teilnehmer der Protestbewegung in Kiew bei einem Interview mit „Russia Today“ auf den Punkt: Alle Oligarchen sollten ihr mit Korruption ergaunertes Geld von den ausländischen Konten zurückholen und ihre Luxusgüter verkaufen, um mit dem Erlös den ukrainischen Staatshaushalt zu retten.

Immerhin wurde jetzt der ukrainische Oligarch und Milliardär Dmytro Firtasch in Wien verhaftet, gegen den das FBI wegen Bestechung und Aufbau einer kriminellen Vereinigung ermittelt. Ihm gehören große Anteile der Centragas Holding AG, die wiederum die Hälfte des Gashändlers RosUkrEnergo hält. Firmensitz ist die Schweiz. Das Geschäftsmodell: als Zwischenhändler billiges Ergas aus Russland und Zentralasien zu höheren Preisen auf dem Weltmarkt und an das ukrainische Staatsunternehmen NAK Naftohas Ukrajiny zu verkaufen.

Unterdessen wurden von der ukrainischen Übergangsregierung die milliardenschweren Oligarchen Ihor Kolomojskyj und Sergej Taruta, angeblich vorübergehend, zu Verwaltungsgouverneuren der Ostprovinzen Dnipropetrowsk und Donezk ernannt.

Der IWF wird wissen, dass der über Jahrzehnte gewachsene Sumpf der Korruption kaum trocken zu legen ist und eine wirtschaftliche Erholung des Landes mittelfristig Utopie bleiben wird. Deshalb ist ein Ausverkauf der Ukraine wahrscheinlich.

Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte
unterstützen Sie mit einer Spende unsere
unabhängige Berichterstattung.

Abonnieren Sie jetzt hier unseren Newsletter: Newsletter

Kommentare zum Artikel

Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.

Gravatar: Alfons

Ist doch bereits entschieden:
Die Ukraine wird analog zu GR von Deutschland alimentiert.

Für diesen Zugewinn in der europäischen Friede-, Freude-, Eierkuchen-Union ist uns Bürgern nichts zu teuer und sch... auf das bisschen russisches Gas, das gebraucht wird, wenn die Windmühlchen sich mal nicht drehen.

Andererseits: Wenn schon eine Mini-Kleptokratie wie GR mit knapp 8 Mio. Einwohnern einen Schaden in Billionen-Höhe anrichten kann, was schafft dann erst eine Kleptokratie mit ca. 40 Mio. Einwohnern, die eine ähnliche Volkswirtschaft vorweisen kann.

Auf was muss der -niemals gefragte- deutsche Bürger diesmal in seiner grenzenlosen "Solidarität" verzichten?
- Renten?
- Gesundheitswesen?
oder ist gleich der komplette Kollaps der Infrastruktur in Deutschland der Preis für die Stationierung amerikanischer Raketen in der Ukraine und der Ausverkauf des Landes an US-"Investoren"?

Vermutlich alles von Obigem, denn es gilt ja immer noch die Doktrin von der Angleichung des Wohlstandes der Länder, die unter die Knute des EU-Regimes durch Verrat ihrer "Volksvertreter" gefallen sind; es kommt nur noch auf das Niveau an.

Gravatar: H.R. Vogt

Da die Ukraine ein an natürlichen Ressourcen reiches Land ist (riesige, eigene per fracking erschließbare Erdgasvorkommen, sogar im Tagebau erreichbare Kohlevorkommen, fruchtbarstes Ackerland) sollte es eigentlich kein Problems sein, die für den Zufluß ausländischen Kapitals, welches rentable Anlagemöglichkeiten sucht, erforderlichen Sicherheiten zu stellen.
Außerdem bietet sich die Möglichkeit, dass in der Gegend unweit vom havarierten KKW Tschernobyl, wo sich aufgrund der Kontaminierung der Böden durch radioaktiven Elemente ohnehin eine landwirtschaftliche Nutzung bis auf Weiteres verbietet, ein neues und sehr viel sicheres Kernkraftwerk gebaut wird, um dort das vorhandene, auf diesen Standort ausgerichtete Hochspannungsnetz des Landes ebenso wie die dort in Standortnähe noch immer vorhandenen Kühlwasserbauanlagen ökonomisch sinnvoll zu nutzen.
Hier zu erwähnen, dass es in der Ukraine sicherlich auch noch einige durch Schaden erfahren gewordene Kraftwerksingenieure geben sollte, mag zwar manchen naturwissenschaftlich - technisch ungebildeten Gutmenschen zynisch erscheinen , ist aber sicherlich auch ein Standortvorteil:.
Zwar würde die sich dort inzwischen entwickelte urtümliche Fauna & Flora, welche bereits Atomangst -freie, reiche Öko- Touris sowie Greenpeace-“Strahlenforscher“ aus aller Welt anzieht, etwas beeinträchtigt, aber der ökonomische Nutzen der Neubau- Maßnahmen wäre dadurch wohl nur wenig berührt.

Schreiben Sie einen Kommentar


(erforderlich)

Zum Anfang