Globales Ölfördermaximum

»Peak Oil« – aufgehoben oder aufgeschoben?

Fossile Rohstoffe sind endlich. Einmal verbraucht, sind sie für immer verloren. Während Staaten sich auf Ressourcenkonflikte vorbereiten, werben Energiekonzerne für Fracking und Ölsandabbau.

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1956 schockte der Geologe und Erdölexperte M. K. Hubbert die Welt. Seine Erkenntnis: Die globalen Ressourcen an fossilen kohlewasserstoffhaltigen Rohstoffen wie Erdöl, Erdgas und Kohle sind endlich. Seine Beobachtung: Nach jeder Entdeckung eines neuen Ölfeldes steigt die Förderung zunächst an, verbleibt dann kurzzeitig auf einem hohen Niveau, um schließlich unumkehrbar abzufallen. Das Fördermaximum eines Ölfeldes ist somit lange erreicht, bevor es erschöpft ist.

Das hat folgende Gründe: Am Anfang muss das Ölfeld erschlossen werden. Dazu braucht man zahlreiche Probebohrungen, um das Ausmaß abzuschätzen. Zu Beginn ist der Druck des Öllagers am höchsten. Das Öl schießt aus dem Boden und ist leicht zu fördern. Ist das Ölfeld komplett erschlossen, erreicht die Produktion ihren Höhepunkt. Schließlich sinkt die Produktion. Denn das verbliebene Restöl ist nur noch unter hohem Energieaufwand zu fördern.

Nach der Peak-Oil-Theorie wird irgendwann ein weltweites Ölfördermaximum erreicht sein, und zwar dann, wenn der Großteil der Ölquellen den Peak – also den Gipfel – überschritten hat. Dann fällt die globale Erdölproduktion ab. Oft wird »Peak Oil« missverstanden. Denn es bedeutet nicht, dass das Öl in naher Zukunft bis auf den letzten Tropfen komplett verbraucht sein wird. Es bedeutet lediglich, dass ab einem bestimmten Zeitpunkt keine Steigerung der Produktion mehr möglich ist.

Für eine auf fossile Ressourcen basierende Industriezivilisation bedeutet dies den Verzicht auf Wirtschaftswachstum. Denn die boomenden Wirtschaftsnationen Asiens sind mindestens ebenso hungrig nach Energie und Rohstoffen wie Europa und Nordamerika. Bei einer Verknappung der Ölreserven und einem Abfall der Fördermengen ist es nur eine Frage der Zeit, bis das Wirtschaftssystem darauf reagiert. Auf »Peak Oil« folgt zeitverzögert der ökonomische »Tipping Point«. Dann droht der totale Kollaps.

Erdölproduktion hat in vielen Ländern bereits den Peak erreicht oder überschritten

Einige der größten Ölfelder der Welt haben bereits ihr Fördermaximum überschritten, vermutlich sogar das berühmte Ghawar-Feld in Saudi-Arabien. Saudi-Arabien und Russland sind derzeit die größten Erdölproduzenten der Welt.

Problematisch an der Peak-Diagnose ist, dass sie erst einige Jahre später verifiziert werden kann. Denn zunächst muss abgeklärt werden, ob es sich um kurzfristige Produktionsschwankungen handelt oder um die Anzeichen eines langfristigen Niedergangs. Ein weiteres Problem ist die mangelnde Transparenz in der Energiepolitik. Nach einer OPEC-Regel muss die Maximalförderung pro Jahr in einem bestimmten Verhältnis zu den offiziell angegebenen Reserven stehen. Es wird befürchtet, dass einzelne Staaten diese Zahlen und Statistiken manipulieren, um ihre Jahresfördermenge auf einer gewünschten Höhe zu halten.

Irak und Iran haben mit hoher Wahrscheinlichkeit ihr Fördermaximum noch vor sich. Beide Länder verfügen nach Saudi-Arabien über die größten Ölvorkommen der Welt. Daher ist die politische Situation in diesen Ländern von internationalem Interesse. Weiterhin stehen vermutlich noch Länder wie Kasachstan, Libyen, Sudan, Aserbaidschan, Katar und Algerien vor dem Fördermaximum. Dagegen haben viele andere Länder ihr Fördermaximum bereits erreicht oder überschritten, darunter Syrien (1995), Argentinien (1998), Venezuela (1998), Australien (2000) oder Oman (2001).

In Europa war »Peak Oil« schon vor Jahrzehnten erreicht worden. Lediglich die Ölfunde in der Nordsee haben für einen temporären Aufschub gesorgt. Doch auch deren Tage sind gezählt. Norwegen erreichte das Fördermaximum 2001, Großbritannien 1999. Deutschland hatte bereits in den 1960er Jahren die Maximalförderung überschritten. Rund zwei Drittel des europäischen Erdölbedarfs müssen importiert werden. Die Tendenz ist steigend. Selbst Großbritannien ist mittlerweile vom Nettoexporteur zum Nettoimporteur geworden.

In den USA war das Fördermaximum des leicht zu fördernden texanischen Öls bereits in den 1970er Jahren eingetreten. Neuerdings werden jedoch wieder erhebliche Steigerungen der amerikanischen Erdölproduktion verkündet. Grund hierfür sind die Förderungen des schwer erreichbaren Öls, dessen Exploration sich damals wirtschaftlich noch nicht gerechnet hatte. Die Fördertechnologien sind vorangeschritten. Auch das umstrittene Fracking hat seinen Anteil an der Entwicklung. Mittlerweile träumt Nordamerika von »Energy Independence«. Hauptgrund für diese Euphorie sind die riesigen Ölsandfelder von Alberta im Westen Kanadas. Problematisch bleiben jedoch die steigenden Kosten der Ölgewinnung und die nachhaltigen Beeinträchtigungen für die Umwelt.

Wann lohnt sich Erdölförderung?

Öl zu fördern lohnt sich nur, wenn die zur Förderung aufgebrachte Energie deutlich geringer ist als die gewonnene Energie. Kurz: Muss man eine Tonne Öl an Energie aufwenden, um hundert Tonnen Öl zu gewinnen, lockt das große Geschäft. So war es noch vor einem halben Jahrhundert. Wenn man jedoch für die aufgebrachte Energie unterm Strich nur wenig mehr an Energie in Form von Öl herausbekommt, wird die Gewinnmarge zu klein. Die Unternehmungen rechnen sich dann nicht mehr.

Neue entdeckte Ölquellen sind in den seltensten Fällen leicht auszubeutende konventionelle Ölfelder. Heutzutage handelt es sich zumeist um solche in schwer zugänglichen Terrains. So wurden beispielsweise vor der Küste Brasiliens Ölvorkommen entdeckt. Doch um zu diesen Tiefseelagerstätten vorzudringen, müssen 2.000 Meter Meerestiefe überwunden und 4.000 Meter Gestein durchbohrt werden.

Die Katastrophe der Ölplattform »Deepwater Horizon« im Jahre 2010 hat der Welt die Augen geöffnet, wie gefährlich und kostspielig es werden kann, Öllager in der Tiefsee anzuzapfen. 670.000 Tonnen Erdöl waren damals ausgetreten. Große Teile des Golfes von Mexiko wurden verschmutzt. Auch Brasilien hat Erfahrungen mit Ölkatastrophen. 2001 ereigneten sich zwei Explosionen auf der Ölplattform Petrobas-36. Die Plattform kippte und versank im 1,3 Kilometer tiefen Meer.

Bei der Vergabe der Förderrechte vor der Küste Brasiliens haben sich diesmal Konzerne wie BP, Exxon und Chevron zurückgehalten. Den Zuschlag bekam ein Konsortium aus Shell, Total, der brasilianischen Petrobras und der chinesischen Unternehmen CNPC und CNOOC.

Wachsender Welthandel ist ohne steigende Ölförderung nicht denkbar

Kiwis aus Neuseeland? Rindersteaks aus Argentinien? Computer aus China? Eine Urlaubsreise in die Karibik? Die Globalisierung gründet auf wachsenden Welthandel. Steigende Rohölpreise würden dieser Entwicklung Grenzen setzen. Exporte tragen sich nicht, wenn die Transportkosten die Preisvorteile günstiger Produktion überdecken. Die Rückkehr zu einer verstärkten lokalen Produktion wäre eine logische Konsequenz. Das ist allerdings nur der harmlose Anfang.

Viel mehr Besorgnis erregt der Umstand, dass unsere Wirtschaft systemisch auf Wachstum angewiesen ist. Allein das Wirtschaftswachstum Chinas, Indiens und Südostasiens stellt die Welt auf eine harte Probe. Die Versorgung mit Energie und Ressourcen wird auf Dauer nicht Schritt halten können, um den Wirtschafts- und Finanzerwartungen Rechnung zu tragen.

Die Konflikte der Zukunft werden Rohstoffkriege sein

Das 20. Jahrhundert war bis in die 1970er Jahre vom Fortschrittsoptimismus geprägt. Politische und internationale Konflikte waren zu einem großen Teil ideologischer Natur. Damals stieg die Ölförderung expotential. In den Augen der Öffentlichkeit schien der Rohstoff unendlich zu sein. In der Zukunft jedoch werden Rohstoffverknappungen und Ressourcenzugänge der Hauptfaktor für Konflikte und Kriege sein. In diesem Kontext erklärt sich, warum trotz Beendigung des Kalten Krieges die weltweiten Rüstungsausgaben erheblich gestiegen sind.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: B3

Geld ohne Gegenwert fordert Investitionen ohne Sinn:

Während auf dieser Welt noch immer Menschen verhungern, wird woanders Geld gedruckt wie blöde, nur um es danach für die Bekämpfung erfundener oder auch gern mal bewußt herbei geführter Bedrohungen wieder aus dem Fenster zu schmeißen.

Damit lässt sich auch wunderbar die Spaltung der Gesellschaft aufrecht erhalten und ggf ein Alibi-Sündenbock finden um von wahren Ursachen abzulenken.

Gravatar: keinUntertan

Bei dieser Frage bin ich pessimistisch. Die meisten OPEC-Staaten haben bei ihren Reservoir-Angaben geschummelt und gelogen, um ihre Förderzahlen aufrecht zu erhalten und ihre Budgets zu erfüllen. Warum sollte Saudi-Arabien offshore gehen, wenn onshore angeblich noch so große Reserven vorhanden seien? Warum sollen riskante Tiefseebohrungen in Angriff genommen werden, wenn es angeblich noch so viel andere Lagerstätten gibt? Warum warten Russland, Kanada und die USA sehnsüchtig auf geringeres Eis im Nordpolarmeer, um dort die Ressourcen auszuschöpfen? Warum sucht China verzweifelt in Afrika nach neuen Ölförderstätten? Warum das ganze Affentheater im Irak? Es gibt nur eine Antwort: Peak Oil rückt immer näher ...

Gravatar: Hans Meier

Die Erwartung „Peak Oil“ ist auch nur eine pessimistische Stimmung, der eher ein „Peak Brain“ zugrunde liegt.
Die Steinzeit ist bekanntlich auch nicht an einem Mangel an geeigneten Steinen gescheitert.
Die intelligente Energie-Erzeugung findet neue Konzepte, die zwar von den nörgelnden Pessimisten nicht begrüßt werden, sich aber trotzdem weiter entwickeln, wie z.B. http://www.science-skeptical.de/blog/russland-nimmt-schnellen-reaktor-bn-800-ans-netz/0012157/

Bisher hat die technische Entwicklung mehr Lösungen für Probleme gefunden, die stets die Furchtsamen ängstigen, die gleich alles begrenzen und verbieten wollen was sie selbst zwar nicht durchschauen, sich aber trotzdem für den Inbegriff einer alles überragenden Intelligenz halten. Verhängnisvoll werden dann politische Fehlentscheidungen die gegen jede Wirtschaftlichkeit und Vernunft verstoßen wie z.B. http://www.welt.de/wirtschaft/energie/article129894382/Groesster-deutscher-Meereswindpark-faellt-aus.html

Die wirklichen Gefahren gehen von völlig irrationalen politischen Entscheidungen aus, in denen der faire Wettbewerb um die klügeren Konzepte verhindert wird.
Aus eingebildeten, gespenstischen Ängsten vor Kernkraftwerken steuert die deutsche Energiepolitik die Bevölkerung nachhaltig ins Unglück.

Gravatar: Andreas Schneider

Um die Zeit meines Abiturs herum war Mesarovic/Pestel mit "Menschheit am Wendepunkt" der Schrecken von uns Abgängern und wurde uns als DIE Herausforderung unserer Generation verkauft. Die völlig unreflektierte Aufarbeitung basierte auf einem "Bericht" des Club of Rome, wonach um das Jahr 2000 die Ressourcen an Bodenschätzen erschöpft sein sollten.

Zwar hat der Club of Rome später zugegeben, von falschen Prämissen ausgegangen zu sein, aber trotzdem finden sich noch heute regelrecht fanatisierte Weltuntergangspropheten, die rundweg das Gegenteil behaupten und sich dabei auf irgendwelche "Fachleute" berufen, von denen die Welt ansonsten noch nie etwas gehört hat.

Und die Debatte um ein Versiegen in erster Linie der Erdölquellen hat unabhängig davon kein Ende genommen. Typisch deutsch ist es dabei, dass man dabei Horrorszenarien der übelsten Art an die Wand malt, sich zugleich aber auch gegen Alternativen sträubt (es sei denn die sog. "Alternativen Energien", wie wohl weniger alternativ denn unzuverlässig sind).

Der alte "Bericht" des Club of Rome berücksichtigte weder die Möglichkeit der Erschließung neuer, bis dahin unentdeckter Ressourcen noch den technischen Fortschritt, der in der Folge tatsächlich andere Wege (Kreislaufwirtschaft statt Müllproduktion u. v. m.) öffnete.

Und wieso sollte dies hier nun anders sein? "Fracking" ist die angeblich neue Teufelei, dies es nach Kräften zu bekämpfen gilt? Sorry, aber Vergleichbares, wenn auch nicht unter diesem Namen, habe ich bereit im Erdkunde-Leistungskurs der Oberstufe Ende der 70er Jahre kennen gelernt.

Mehr als Wege in die Zukunft scheint man hierzulande das Haar in der Suppe zu suchen. Und währenddessen haben andere Nationen "gefährliche" Techniken, bei uns in den späten 80ern eingestellt, zur Serienreife und Alltagstauglichkeit heran geführt.

Ich bin kein großer Techniker. Aber eins hat die Geschichte gelehrt: der menschliche Geist findet stets neue Wege - man muss ihn nur lassen.

Gravatar: Buna

Auch in der Vergangenheit schon gab es Ressourcenkriege. Ich verweise in diesem
Zusammenhang auf das sehr aufschlussreiche Interview mit dem Historiker und
Friedensforscher Dr. Daniele Ganser:
http://www.youtube.com/watch?v=9OjuR0J7UPc
Erfreulicherweise ist die Forschung inzwischen soweit, dass in den nächsten Jahren
die uns umgebene Energie , auch "Raumenergie" genannt, zur Energieversorgung
genutzt werden kann. So hat z. B. Prof. Dr. Claus Turtur v. der Ostfalia Universität in
Wolfenbüttel ein Konzept für einen Raumenergie-Konverter entwickelt. Man stellt sich
ein solches Gerät in der Größe eines Kühlschranks in den Keller und wäre autark versorgt.
Es ist an der Zeit , sich mit den absolut seriösen Forschungsergebnissen zu befassen und vor
allem aber, diesem herausragenden Wissenschaftler (die ihm bisher versagte ) Unterstützung zukommen zu lassen.

Gravatar: Elmar Oberdörffer

Seit Beginn der Erdölförderung reichen die Rserven nur noch für 40 Jahre. Das wird wohl noch eine Zeitlang so bleiben. Die Fördermethode des "Fracking", des Hydraulic Fracturing, schafft Zugang zu konventionell nicht ausbeutbatren Erdöl- und Erdgaslagerstätten. Umstritten ist das Fracking nur in Deutschland, anderswo wird es als bewährte und sichere Fördermethode angewandt. Zur Endlichkeit des Erdöls: es gibt eine Theorie, nach der sich im Erdinneren ständig neues Erdöl und Erdgas bildet. Sollte sich diese Theorie bestätigen, so wird das Ende der Erdölförderung so bald nicht eintreten. Aber selbst wenn das natürliche Erdöl zur Neige geht: die Kohlevorräte reichen noch für ca 1000 Jahre, und aus Kohle lassen sich synthetische Kohlenwasserstoffe herstellen. Die überall, nur nicht in Deutschalnd und Österrreich, im Ausbau befindliche Kernenergie wird die zur Kohleverflüssigung nötige Energie liefern. Ich glaube nicht, daß es zu Rohstoffkriegen kommen wird. Die Weiterentwicklung der Technik ist ein intelligenterer und wirksamerer Weg, die Wirtschaft am Leben zu erhalten.

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