Freihandel mit Eurasischer Union

Merkels Russlandkehrtwende?

Jahrelang hat der Westen Wladimir Putins Vorschläge zur Eurasischen Freihandelszone von Lissabon bis Wladiwostok belächelt. Nun hat Merkel diesen Vorschlag selbst unterbreitet. Ist das ernst gemeint?

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Frau Merkel ist so verlässlich wie das mitteleuropäische Wetter. Wenn man morgens aus dem Fenster schaut, weiß man nicht, ob man den Regenschirm oder die Sonnenbrille einpacken soll.

Erst war sie Hardlinerin der Atompolitik, dann folgte die Energiewende. Erst war sie für den unbedingten Verbleib Griechenlands in der Eurozone und hielt den Eurorettungsschirm für „alternativlos“. Nun werden Szenarien zum Euroaustritt Griechenlands nicht mehr ausgeschlossen. „Marktkonform“ solle Deutschlands Politik sein.

Und nun die Russlandpolitik! Jahrelang wurden Wladimir Putins Vorschläge zu einer Eurasischen Feihandelszone von Lissabon bis Wladiwostok belächelt. Nach der Orangenen Revolution in der Ukraine (2004), der Maidan-Revolution (2014) und der anschließenden Krise in der Ostukraine sowie der Abspaltung der Krim ist das Klima zwischen der EU und Russland kälter geworden. Angela Merkel zeigte im Einvernehmen mit der EU und den USA klare Kante gegen Russland.

Merkel und Gabriel schlagen Freihandel mit Eurasischer Union vor

Plötzlich die Wende! Eine typische Kehrtwende à la Merkel. Wenn man glaubt, das Staatsschiff habe seine Richtung gefunden, kommt die überraschende Kursänderung. Die Ankündigung kam ausgerechnet in Davos. Beim Stelldichein der Reichen und Mächtigen aus aller Welt auf dem Weltwirtschaftsforum verkündete die Bundeskanzlerin den Vorschlag, Kooperationsmöglichkeiten zwischen der Europäischen Union und der Eurasischen Union in Erwägung zu ziehen. Und dann nannte sie ausdrücklich jenen von Wladimir Putin vorgeschlagenen Wirtschaftsraum von Wladiwostok bis Lissabon.

Ihr Wirtschaftsminister, Sigmar Gabriel (SPD), sprach sogar von einem Handelsabkommen nach dem Vorbild des transatlantischen TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership). Werden Russland neue Avancen gemacht, weil die deutsche Wirtschaft sich endlich Gehör bei der Bundesregierung verschafft hat? Immerhin mussten deutsche Unternehmen aufgrund der Sanktionen beim Russlandgeschäft Exporteinbussen von rund 20 Prozent hinnehmen. Für 2015 wird Schlimmeres befürchtet. Oder ist dies ein Lockmittel, um Russland zu Zugeständnissen hinsichtlich der Ukrainekrise zu bewegen?

Wie ernst können solche Vorschläge gemeint sein?

Nichts ist gegen eine Einbeziehung Russlands und der Eurasischen Union in die westlichen Handelzonen einzuwenden. Im Gegenteil. Die deutsche Wirtschaft leidet unter den Sanktionen gegen Russland und der neuen Spaltung Europas. Viele – insbesondere ostdeutsche – Unternehmen sehen in Russland seit Jahrzehnten einen wichtigen Handelspartner. Auch die Sicherheit Europas ist durch die Verschärfung der Krise und den Spannungen zwischen der NATO und Russland so gefährdet wie seit dem Kalten Krieg nicht mehr.

Hierbei muss festgehalten werden: Die Politik der EU und NATO war in der letzten Zeit offensiv gegen Russland gerichtet. Das fing mit dem Streit um Gaspipelines an, setzte sich mit dem Vorstoß zur EU-Energiediversifizierung fort und hört mit den aktuellen NATO-Plänen zur Aufrüstung noch lange nicht auf.

Im Streitfall zwischen Kiew und Moskau hatte sich die EU eindeutig auf die Seite Kiews geschlagen. Der ehemalige NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen und sein Nachfolger Jens Stoltenberg hatten 2014 unmissverständliche Warnsignale an Moskau gesandt und die NATO-Staaten zu einem stärkeren militärischen und rüstungstechnischen Engagement aufgerufen.

Was sagt der große Bruder in Washington dazu?

Die Russlandpolitik Europas ist nicht frei von Einfluss und gegebenenfalls Druck aus Washington. US-Präsident Barack Obama, sein Vize-Präsident Joe Biden und der US-Außenminister John Kerry haben in ihren Stellungnahmen keinen Zweifel am amerikanischen Kurs gegen Russland gelassen. Joe Biden hat in einer öffentlichen Rede an der Harvard-Universität erklärt, wie die USA massiven Druck auf einige zögerliche Verbündete in Europa ausüben mussten, damit diese sich an den Sanktionen gegen Russland beteiligen. Obama hat in letzter Zeit die Sanktionen immer wieder als Erfolg bezeichnet und Russland auf einer Ebene mit dem Islamischen Staat (IS) und der Krankheit Ebola als Krisenherd der Welt benannt.

Die deutliche Resolution 758 des US-Kongresses gegen Russland und die Beschlüsse des Senates bezüglich der nuklearen Mittelstreckenwaffen deuten auf eine weitere Abkühlung zwischen Moskau und Washington hin. Auch das intensive Engagement der USA im „neuen Europa“ (wie Donald Rumsfeld es nannte), nämlich in den Ländern des ehemaligen Ostblockes, insbesondere in Polen, in der Ukraine und auf dem Baltikum, deutet auf die fortgesetzte Isolation Russlands hin.

In diesem Licht müssen auch die niedrigen Ölpreise, die Abwertungen der russischen Bonität durch Rating-Agenturen wie Standard & Poor’s sowie die Diskussion, Russland aus dem Swift-Abkommen auszuschließen, gesehen werden.

Werden Russland und Deutschland wieder enger zusammenrücken?

Erinnern wir uns an Putins Rede 2001 im Deutschen Bundestag. Dort sagte er unter anderem: „Niemand bezweifelt den großen Wert der Beziehungen Europas zu den Vereinigten Staaten. Aber ich bin der Meinung, dass Europa seinen Ruf als mächtiger und selbstständiger Mittelpunkt der Weltpolitik langfristig nur festigen wird, wenn es seine eigenen Möglichkeiten mit den russischen menschlichen, territorialen und Naturressourcen sowie mit den Wirtschafts-, Kultur-, und Verteidigungspotenzialen Russlands vereinigen wird.“

Vergleichen wir diese Aussage mit der Einschätzung von US-Präsidentenberater Zbigniew Brzezinski, der vor einem Zusammenwachsen Eurasiens als Konkurrenz zu Amerika warnt (in: „The Grand Chessboard“), und mit den Aussagen des Stratfor-Chefs George Friedman, der die Angst der USA vor einer russisch-deutschen Allianz schildert, die von der Kombination deutscher Technologie mit russischen Ressourcen ausgehe, dann kann man damit rechnen, dass es auf der anderen Seite des Atlantiks wohl kaum ein Interesse an einem Zusammenwachsen Deutschlands und Russlands bzw. der EU und der Eurasischen Union geben dürfte.

Alles nur eine Illusion

Dass Merkel und die Bundesregierung von heute auf morgen den Kurs der Russlandpolitik ändern würden, ist angesichts der politischen Stimmung in Europa und in den USA höchst unwahrscheinlich. Von daher ist es nicht verwunderlich, dass aktuell die EU Russland wieder mit neuen Sanktionen droht.

Vermutlich waren die Vorschläge auf dem Weltwirtschaftforum im schweizerischen Davos nur heiße Luft, um eine angenehme Atmosphäre der angeblichen Gutwilligkeit zu verbreiten.

Außerdem würde es sicherlich jenen amerikanischen Intentionen zuwiderlaufen, durch TTIP Einfluss auf die EU-Legislative auszuüben, wenn Russland und die gesamte Eurasische Union mit im Boot wären und ihrerseits Einfluss ausüben wollten.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: H.von Bugenhagen

Na ist denn das..

Mir ist die Verbindung Russland wichtiger wie Osmanische Faulheit ins Land zu holen.

Gravatar: Karin Weber

Das Frau Merkel Hardlinerin in Sachen "Atompolitik" ist, kann man sicher so nicht sagen. Sicher, sie legt alle Atomkraftwerke still, aber bei dem amerikanischen Atomwaffenarsenal auf deutschem Boden hat sie es mit dem Atomausstieg plötzlich nicht so. Also wenn man schon aussteigt, dann sollte man komplett aussteigen. Das diese "Atomdinger" ungefährlicher als Atomkraftwerke sind, kann man sicher sooo nicht sagen. Erstaunlich ist i diesem Zusammenhang, dass da selbst die Grünen ihre Klappe nicht aufkriegen. Sind die nicht erst aus diesen Ostermärschen/Friedensbewegung damals entstanden?

Frau Merkel irgendwie einzuordnen, ist eigentlich nicht leicht. In der Baustatik gibt es drei Stabilitätsfälle: stabil, labil und indifferent. Für alle die die mit "indifferent" nix anfangen können .. es kann umfallen, muss aber nicht. Eigentlich besetzt diese Frau alle Stabilitätsfälle. Sie ist nämlich stabil, was ihre Labilität betrifft, wodurch sie letztlich indifferent wird. Also Orientierungsgröße mit Charisma taugt sie da zweifelsfrei nicht und so sie hoffentlich bald von der politischen Bühne verschwindet, wird dieses Land wieder eine Richtung bekommen.

Gravatar: Gerd Müller

"Da hammer nen Fang gemacht!"
So sagen wir Sachsen, wenn uns aufgeht wie wir uns getäuscht haben.

Anfangs war ich froh, eine Frau als Bundeskanzler könnte nicht ganz verkehrt sein und daß sie noch aus dem Osten gekommen ist und Wissenschaftlerin ist, war auch nicht schlecht ......
so dachte ich damals.

Heute wird mir nach all diesen wie ich glaube, Fehlern, Anbiederungen, Diffamierungen, des Umbaus einer einst christlich demokratischen Partei hin zu einem sozialdemokratischen Parteienkomplex und dem Verrat der deutschen Interessen gegenüber der Brüsseler EU, nur noch schlecht.

Es wird alles im Chaos enden und wenn wir Pech haben noch schlimmer, so sieht es zumindest derzeit für mich aus.

Gravatar: Stephan Achner

Dieser erneuten Merkel´schen Richtungsänderung bei Schicksalsfragen der deutschen Politik, jetzt bei der Russland-Politik, ging sicherlich ein Telefonat oder Gespräch mit Obama voraus. Beide sehen wohl, dass sie die EU in eine Sanktionsfalle getrieben haben und sich nun Russland von Europa abwendet und sich sehr stark dem eurasischen Raum zuwendet. Zusammen mit China und wahrscheinlich auch noch Indien befreit sich Russland in wirtschaftlicher und militärischer Hinsicht von den vielfältigen Abhängigkeiten gegenüber Europa und den USA. Beispiele hierfür gibt es ja genug: Shanghaier Abkommen, eigene Weltbank in Konkurrenz zum IWF, strategische Zusammenarbeit in Energiefragen, Abkehr vom Dollar, militärische Kooperationen, strategisch wichtige Verkehrsprojekte wie die neue Hochgeschwindigkeitsbahn zwischen Moskau und Peking. Merkel und der EU schwimmen die Felle davon. Deshalb wohl der recht unbeholfene Vorschlag von Merkel bei ihrer Davoser Rede.

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