Das Glück im Kapitalismus

Max A. Höfer im Berliner Hayek-Club

Der Turbokapitalismus unserer Tage sorgt für ungleich verteilten Reichtum, aber kann das Glücksniveau der Menschen nicht mehr steigern. Kann man aus diesem System aussteigen?

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Max A. Höfer, der letzte Woche im Berliner Hayek-Club zu Gast war, ist ein Renegat. Er hat ein Buch geschrieben, das seine Zweifel an der sozialen Marktwirtschaft beschreibt, für die er sich jahrelang aktiv eingesetzt und für sie geworben hat. Weil er sie für die beste Wirtschaftsform hielt, für eine Wirtschaftsform, die den Menschen am meisten dient. Doch die Finanzkrise von 2008/09 hat Höfer zu einem Umdenken bewogen und einem Kritiker des Kapitalismus gemacht.

Als es in Folge der Lehman-Pleite bergab ging, erzählt er, seien ihm Zweifel am Sinn seiner Tätigkeit gekommen. Er habe feststellen müssen, dass der Kapitalismus die Menschen keinesfalls glücklicher macht, sondern dass das Glücksniveau stagniert. Er habe feststellen müssen, dass die Marktwirtschaft zwar nicht abgelehnt wird, aber dass die Menschen, mit denen er als Geschäftsführer der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft zusammengetroffen sei, aus ihrer Skepsis gegenüber der Marktwirtschaft keinen Hehl gemacht hätten.

Damit sei ihm aus eigener Erfahrung bestätigt worden, was in der Wissenschaft Easterlin-Paradoxon genannt wird und besagt, dass das Glück ab einem bestimmten Punkt nicht mehr zunimmt, auch wenn der Reichtum zunimmt. Für unsere Zeit diagnostiziert Höfer eine systemische Wirtschaftskrise, die mit diesem Paradoxon korreliert: Es gibt so gut wie keine Wachstumsgewinne mehr, und wenn, dann kommen sie bei denen nicht mehr an, die sie erwirtschaften. Die müssen vielmehr immer mehr leisten, sich ausbeuten lassen oder sich gar selber ausbeuten, nur um auf dem gegenwärtigen Wohlstandsniveau verbleiben zu können.

Dieser Trend hat nun dazu geführt, dass die Genussfähigkeit des modernen Menschen gesunken ist und Konsum auch keinen Genuss mehr verschafft. Zugleich aber erkennt Höfer eine Steigerungslogik der Moral, er sieht einen neuen, säkularen Puritanismus sein Haupt erheben. Für Höfer hat Max Weber mit seinen Untersuchungen des Zusammenhangs von Kapitalismus und Religion recht gehabt: Der Kapitalismus bewirkt, dass die Menschen heute einer Art Puritanismus unterworfen sind, der lustfeindlich und kontrollwütig ist. So sehr hat er schon die Herrschaft über die Seelen gewonnen, dass wir inzwischen meinen, es sei unser eigener Wille, uns immer weiter zu perfektionieren und uns den Erfordernissen der Wirtschaft anzupassen.

Das Problem ist nicht die Moral

Als Problem dieser neuen Religion erkennt Höfer nicht die Moral, sondern die Überforderung des Menschen durch die Moral. Die Regeln der Political Correctness, deren Wurzeln er nicht im Marxismus verortet, sondern im Puritanismus US-amerikanischer Prägung, seien an sich ja nicht schlecht. Nur würden sie immer weiter perfektioniert und auf diese Weise zu einem Korsett geschnürt, in dem der Mensch am Ende keine Luft mehr zum Atmen hätte. Während in Firmen inzwischen 360°-Feedback gegeben würde und scharfe Compliance-Regelungen jedes Risiko an die Angestellten auslagert würde, würden im privaten Bereich Tätigkeiten, die den Lustgewinn steigern, wie Rauchen, Faulenzen und Völlerei immer mehr zurückgedrängt. Denn damit würde man sich und den eigenen Körper ja, so die dieser Entscheidung zugrunde liegende Motivation, der Verwertungslogik des Turbokapitalismus entziehen.

Der Rückzug aus dem System durch komplette Verweigerung würde nicht funktionieren, behauptete Höfler. Denn auch der Sozialstaat sei inzwischen Teil dieses Systems geworden, ein Komplement zur auf Effizienz ausgerichteten Wirtschaft, ein Unterstützungsbetrieb. Wenn die Wirtschaft Fachkräftebedarf habe und deshalb auch die Frauen ausbeuten wolle, dann sei der Staat in der Pflicht, dass sie zur Verfügung stehen und deshalb zum Beispiel für eine ausreichende Zahl an Plätzen in Kindertagesstätten sorgt. Deshalb Höfers Fazit: Auch der Sozialstaat bringt kein zusätzliches Glück.

Bloß wie reagieren auf diesen Druck? Die Lösung, die Höfler anzubieten hat, ist nicht besonders überzeugend. Er empfiehlt, den Puritaner in sich abzubauen – was er als einigermaßen schwierig ansieht, weil man schon im Kindergarten auf Effizienz und Leistung getrimmt wird. Im Anschluss an Aristoteles empfiehlt er, die richtige Balance zu wahren. Glück entsteht durch verschiedene Faktoren, und Geld ist nur einer davon. Mindestens ebenso entscheidend sind Familie, Freunde und Gesundheit. Doch hier gilt es der Versuchung zu widerstehen zu glauben, Glück sei machbar. Aristoteles sagt: Vollkommenes Glück wird man niemals finden. Und Höfer ergänzt: Der Unglückliche soll nicht noch selber schuld an seinem Unglück sein.

Persönliche Konsequenzen hat Höfler auch schon gezogen. Er arbeitet nicht mehr für die INSM, sondern hat seine eigene Agentur. Er versucht, gelassener zu sein, sein Mitte zu finden, mehr zu genießen. Doch ganz hat er den inneren Puritaner offensichtlich nicht besiegen können. Denn als er aus der ISNM ausschied, hatte er eigenen Angaben zufolge deutlich an Gewicht zugenommen. Das hat er inzwischen aber wieder abtrainiert – und sich damit erneut dem Zwang unterworfen, den eigenen Körper zu perfektionieren. Auch Höfer muss sich wohl noch etwas in aristotelischer Glücksphilosophie üben.

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