Ölpreiskrise

Machtfaktor Saudi-Arabien

Für Russland und den Iran kann der niedrige Ölpreis zum Verhängnis werden. Hauptdrahtzieher des Preiskrieges ist Saudi-Arabien. Doch das arabische Königreich ist selbst ein Pulverfass.

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Auf der Konferenz der OPEC-Staaten wurde keine Beschränkung der Erdölförderung beschlossen. Dies wäre nötig gewesen, um den Rohölpreis zu stabilisieren. Doch Saudi-Arabien, Kuwait und die Vereinigten Arabischen Emirate hatten sich, nach Angaben des saudischen Öl-Ministers, schon vorher abgesprochen. Sie wollen den Preiskampf durchziehen, um Marktanteile zu verteidigen.

Nun hat Saudi-Arabien eine rote Linie angekündigt, die man nicht unterschreiten wolle. Der Rohölpreis, der derzeit bei rund 70 US-Dollar pro Fass / Barrel liegt, soll nicht längerfristig unter die Marke von 60 US-Dollar fallen. Doch solange der Preise sich um diesen Wert einpendelt, könne man damit leben. Damit spielt das Land eine Trumpfkarte aus. Denn erstens ist die Öl-Förderung in Saudi-Arabien und den arabischen Golfscheichtümern kostengünstiger als anderswo, und zweitens verfügen die arabischen Golfstaaten über genügend Finanzreserven, um die Durststrecke durchzuhalten.

Russland, Venezuela und der Iran in die Enge getrieben

Für den Iran, Venezuela und die Russische Förderation ist ein niedriger Ölpreis auf die Dauer nicht tragbar. Venezuela hatte auf der OPEC-Konferenz den Vorschlag unterbreitet, die Produktion zu drosseln, konnte sich jedoch nicht durchsetzen. Die drei Länder hatten bei der Budgetplanung ihrer Staatshaushalte ursprünglich mit höheren Ölpreisen gerechnet. Venezuela hat als Reaktion auf den Ölpreis bereits damit begonnen, seine Ausgaben zu kürzen.

In den USA sorgen sich derweil die Energieunternehmen und deren Anleger um ihren neuen Förderboom, der durch die Schiefer-Öl-Förderung mittels Fracking und den Abbau von Ölsanden gerade so schön an Fahrt aufgenommen hatte.

Die Krise zeigt, welches Machtpotential die arabischen Golfstaaten Saudi-Arabien, Kuwait, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate in der Hand haben, wenn es darum geht, den globalen Energiemarkt und dessen Preisentwicklungen zu beeinflussen.

Saudi-Arabien: wichtigste Regionalmacht im Nahen und Mittleren Osten

Saudi-Arabien ist zurzeit zwar nicht mehr der weltweit größte Ölproduzent, sondern hinter die USA und Russland zurückgefallen, verfügt jedoch nach wie vor über die größten Ölreserven der Erde. Das schiere Ausmaß der Ölfelder ermöglicht es dem Wüstenstaat, direkten Einfluss auf die Weltwirtschaft auszuüben.

Doch Saudi-Arabien ist nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht ein Global Player. Es nimmt auch politisch massiv Einfluss auf die Entwicklungen im Nahen und Mittleren Osten. Mittels seiner Finanzressourcen unterstützt Saudi-Arabien politische und religiöse Bewegungen in vielen islamischen Ländern. Dies geschieht nicht nur aus Uneigennützigkeit.

Nehmen wir als Beispiel den Einfluss auf Ägypten. Die Saudis unterstützen politische und religiöse Gruppierungen in Ägypten, helfen der ägyptischen Regierung mit Krediten aus und senden via Sattelitenfernsehen religiöse Programme in jeden Haushalt am Nil. Es ist insbesondere diesen Fernsehsendern, aber auch den zurückkehrenden ägyptischen Gastarbeitern aus der Golfregion zu verdanken, dass die salafistische Auslegung des Islams in Ägypten immer mehr Anhänger gewinnt.

Hinzu kommt die Tatsache, dass reiche Investoren aus Saudi-Arabien und den kleinen Golfstaaten in den anderen arabischen und islamischen Ländern als wichtige Finanziers benötigt werden. Dabei geht es sich nicht nur monumentale Moscheebauten, die ohne Finanzhilfen vom Golf nicht ausführbar wären. Um vom Geld der Ölstaaten etwas abbekommen zu können, sind die ärmeren arabischen Länder gezwungen, um die Gunst der Ölscheichs zu buhlen und diese als Investoren zu gewinnen. Ägypten wäre ohne die Finanzhilfen vom Golf schon lange bankrott.

Geostrategischer Angelpunkt der südwest-asiatischen Ölregion

Der immensen Bedeutung Saudi-Arabiens entsprechend, hätte ein politischer Zerfall dieses Wüstenstaates verheerenden Auswirkungen auf die ganze Region. Nicht nur, dass Saudi-Arabien politisch und militärisch ein Bündnispartner der USA ist – und vor allem der wichtigste Garant zum Erhalt des Petrodollar-Systems. Auch als Hegemonialmacht der arabischen Halbinsel erfüllt Saudi-Arabien eine wichtige Funktion. Würde das Reich auseinander brechen oder im Chaos versinken wie Syrien, könnte dies den ganzen Nahen und Mittleren Osten erschüttern.

Wie wichtig Saudi-Arabien für die geostrategischen Interessen des Westens ist, zeigt sich darin, mit welchem Engagement die USA und die Europäer den Saudis ihre Waffen verkaufen. Saudi-Arabiens Armee soll die Stabilität des Landes, des mit dem Westen verbündeten Königshauses und auch die Sicherheit der ölreichen Golfregion gewährleisten. Saudi-Arabien ist das arabische Gegengewicht zum persischen Iran auf der anderen Seite des Golfes.

Daher ist es nicht verwunderlich, wenn in den westlichen Medien die Menschenrechtslage im Iran wesentlich häufiger thematisiert und kritisiert wird als jene in Saudi-Arabien. Das ist insofern auffallend, da Saudi-Arabien zu den besonders traditionellen und archaischen islamischen Ländern zählt, in dem die Todesstrafe bereits für kleinere Vergehen angewandt wird. Auch was die Rechte der Frauen angeht, ist Saudi-Arabien strenger als der Iran.

Ein Wüstensreich auf tönernen Füßen

Und hier liegt das Problem: Saudi-Arabien ist keineswegs der stabile Staat, als welcher er häufig dargestellt wird. Tatsächlich ist das Land tief gespalten. Nicht nur, dass die Kluft zwischen Arm und Reich wächst, der Ölreichtum bei weitem nicht mehr die ganze Bevölkerung von mittlerweile 30 Millionen erreicht. Auch die konfessionellen und stammesbedingten Spaltungen bergen Konfliktgefahr.

Im Westen Saudi-Arabiens erstreckt sich die Bergregion des Hedschas. Die dortigen Araber sind fast alle sunnitische Muslime, viele davon, aber nicht alle, sind salafistisch geprägte Wahhabiten, eine auf die Ursprünge des reinen Islam zurückweisende Glaubensgruppe. Im Hedschas liegen auch die heiligen Städte Mekka und Medina sowie Dschidda, der wichtigste Ölhafen am Roten Meer.

In der Mitte des Landes liegt die Region des Nadschd. Die Bewohner sind fast ausnahmslos Nachfahren von Beduinen und konfessionell salafistische Wahhabiten. In dieser Region liegt die saudische Hauptstadt Riad.

Ganz im Osten des Landes liegt die größte Provinz des Landes, die Region El-Scharqijah (bzw. korrekt Asch-Scharqiyyah). Sie umfasst den gesamten saudischen Küstenstreifen des Golfes und die Grenzgebiete zu den anderen Golfstaaten. Diese Region ist aus zwei Gründen von besonderer Bedeutung. Zum einen leben dort schiitische Beduinen. Diese Schiiten fühlen sich religiös dem schiitischen Teil des Irak und dem Iran näher als dem wahhabitischen Königshaus in Riad. Zum anderen ist die Ostprovinz das Gebiet mit den großen Ölfeldern.

Entsprechend sensibilisiert reagiert die saudische Führung auf Glaubens- und Stammeskonflikte in seinen Nachbarländern, denn diese Konflikte können jederzeit auf das eigene Land überspringen. Solche Konflikte gibt es beispielsweise im Jemen oder auf Bahrain. Das kleine Inselkönigreich Bahrain hat eine Bevölkerung von 1,2 Millionen, die zum größten Teil Schiiten sind, aber von einer kleinen, elitären sunnitischen Minderheit beherrscht werden.

Als es im Zuge des arabischen Frühlings zu Massendemonstrationen der schiitischen Mehrheit gekommen war, bat die sunnitische Regierung Saudi-Arabien um Hilfe. Die Saudis haben Truppen entsandt und die Protestbewegung niedergeschlagen. Der Iran stellte sich auf die Seite der Schiiten, beließ es aber bei diplomatischen Protestäußerungen.

Pulverfass Mekka

Gefährlich wird es jedes Jahr, wenn Millionen gläubige Muslime aus aller Welt auf die Haddsch, auf die Pilgerfahrt nach Mekka gehen. Eine mittlerweile gigantische Infrastruktur wurde aufgebaut, um die Pilgerströme aus der ganzen islamischen Welt, von Marokko bis Indonesien, geordnet durch die Heiligen Stätten von Mekka und Medina zu leiten.

Als Schutzmacht der heiligen Stätten des Islam genießt Saudi-Arabien einen Sonderstatus in der islamischen Welt. Ein Glaubenskonflikt in diesem Land würde zu einer Zerreisprobe der ganzen islamischen Welt führen und die Region völlig destabilisieren. Dies hätte enorme Auswirkungen auf den Ölpreis und somit die gesamte Weltwirtschaft.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Karl Letis

Die Saudis sind eine Marionette des Westens.

Vermutlich haben sie die Waffen für den syrischen Bürgerkrieg bezahlt.
Geliefert hat dann die Türkei und andere.

Wenn man bedenkt, was dadurch für ein Leid entsteht..

Und die SPD/Grünen haben auch noch eine Fabrik von Heckler&Kauder an die Sadis geliefert.
Seit dem tauchen in der ganzen Welt G36 ohne Seriennummern auf.
Vielen Dank. Aber sich über viel weniger kritische Leos für die Saudis aufregen...

Gravatar: B.Russ

Die Saudis hängen direkt am Strick der USA. Sie haben zu tun, was die sagen. Hier geht es nicht um Marktanteile, sondern um Destabilisierung von Russland, dem Iran und Venezuela. Für die Saudis macht das keinen Sinn.Wenn Sie das Öl drosseln und der Preis steigt, verdienen sie genauso viel wie jetzt mit der grösseren Förderung.

Gravatar: Elmar Oberdörffer

Und genau so hat es der Autor geschrieben. Lesen müßte man können!

Gravatar: MAX

Ich nehme mal an , dass der Schreiber des Artikels mit den
Himmelrichtungen seine Probleme hat.
Die Golfregion der Saudis liegt im Osten und Mekka im Westen Saudi-Arabiens.
Man muss verher mal auf die Landkarte schauen.

Gravatar: Alexander Scheiner, Israel

Ein ausgezeichneter Artikel. Aufgefallen ist mir, erstens, dass Israel, als stärkste Militärmacht und einzige Demokratie der Region, unerwähnt ist. Zweitens, als Militärmacht ist Saudi-Arabien nichts wert, trotz besten und teuersten Waffen. Drittens, das Land gehört einer einzigen Familie namens Saud und viertens, diese wird von einer extremen islamischen Sekte, den Wahabiten, beherrscht.

Gravatar: Klimax

Ölpreis"krise" - so langsam drehe ich hier durch! Ist es jetzt schon eine Krise, wenn nach Jahrzehnten rücksichtsloser Preissteigerung endlich einmal die Preise ein ganz klein wenig fallen? Das ist doch hier angeblich ein "bürgerliches" Blatt, was immer das heißen mag. 1962 kosteten 10 000 Liter Heizöl 800,-- DM! Man denke einmal an die Leute, die seinerzeit eine Ölheizung gekauft haben. Viele von ihnen haben ihr Häuschen inzwischen wegen nicht bezahlbarer Heizkosten verkaufen müssen. Fallende Preise sind für den Verbraucher = Bürger alles andere als krisenhaft. Das Gegenteil ist der Fall.

Gravatar: Burger

Die Luft ist verdammt bleihaltig!

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