Großbritanniens eigener Weg

Londons Kampf gegen die Finanztransaktionssteuer

Großbritannien will keinesfalls bei einer europäischen Finanztransaktionssteuer mitmachen. Doch das Vereinigte Königreich fürchtet negative Folgen für den Finanzplatz London, auch wenn die Steuer nur auf dem Kontinent eingeführt wird. Jetzt wehrt sich London mit allen Mitteln.

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Es geht nicht wirklich vorwärts, aber auch nicht rückwärts: Die Einführung einer europäischen Finanztransaktionssteuer wird seit Ausbruch der Finanzkrise debattiert, diskutiert und eruiert – nur eingeführt wurde die Steuer bislang nicht. Der Finanzsektor soll damit einen angemessenen Beitrag zur Sanierung der öffentlichen Haushalte leisten. Elf Euro-Länder, darunter Deutschland, wollen nun dennoch weitere Schritte zur Einführung einer Finanzmarkttransaktionssteuer unternehmen. Die große Einschränkung: Großbritannien weigert sich generell, eine solche Steuer einzuführen. Damit fällt der mit Abstand wichtigste europäische Finanzplatz London bei der Erhebung der Steuer aus.

Auch wenn Großbritannien die Steuer nicht einführt, ist London als internationaler Finanzplatz dennoch betroffen. Denn die Steuer wird bei allen Transaktionen mit Institutionen fällig, die ihr Headquarter in einem der elf Steuer-Staaten haben. Die City of London und die britische Regierung wehren sich mit allen Mitteln gegen die Einführung. „Großbritannien will daran nicht teilnehmen, aber es will auch nicht von den Auswirkungen einer Steuer negativ betroffen sein, die andere Staaten eingeführt haben,“ fasst der britische Schatzkanzler George Osborne die Haltung seines Landes zusammen.

Die Weichen für die Steuer hatte der Rat der europäischen Union im Januar 2013 gestellt. Er ermächtigte die elf Staaten, einen Rahmen zur Erhebung einer Finanztransaktionssteuer zu erarbeiten. Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass eine Steuer von 0,1 Prozent bei jedem Handel mit einer Aktie oder einer Anleihe fällig wird. Beim Handel mit Derivaten werden 0,01 Prozent fällig. Der geringere Satz beim Derivatehandel wird damit begründet, dass diese Finanzinstrumente mit einer deutlich höheren Frequenz gehandelt werden. Die elf Staaten kalkulieren mit künftigen Steuereinnahmen von 30 bis 35 Milliarden Euro. Die Effekte der Finanztransaktionssteuer sind umstritten. Befürworter der Steuer argumentieren, dass damit vor allem übermäßiger Spekulation ein Riegel vorgeschoben würde.

City of London kontert mit Studie

Um die Auswirkungen der Steuer genauer einschätzen zu können, hat die City of London eine Studie in Auftrag gegeben, die im Frühjahr 2013 veröffentlicht wurde. Das Ergebnis: Die Steuer erhöht die Finanzierungskosten für Unternehmen und treibt die Zinslast der Staatsschulden in die Höhe.

Zunächst kritisiert die Studie, dass Intermediäre beim Handel mit Anliehen und Aktien nicht von der Steuer ausgenommen sind. Daher fiele bei jedem Kauf und Verkauf eines Wertpapiers die Steuer an, was zu einer „Kaskade der Besteuerung“ führen würde. Dies liegt daran, dass Anleihen teilweise mehrfach im Jahr gehandelt werden. Außerdem sind zwischen Emittent und Endinvestor oft mehrere Intermediäre tätig – beispielsweise Dealer und Broker. Der tatsächliche Steuersatz läge dann eher bei 100 Basispunkten als bei 10 Basispunkten – wie im EU-Entwurf vorgesehen.

Rechnet man die erwartete Steuerbelastung auf Anleihe-Renditen an, entfällt ein signifikanter Teil der Einjahres-Rendite auf die Steuer. In vielen Fällen wäre die Steuer sogar höher als die Einjahresrendite. Die Investoren würden also Geld verlieren. Die Folge: Die Gläubiger müssten für ihre Anleihen höhere Zinsen bieten, sonst gäbe es keine Nachfrage mehr.

Steuer bringt hohe Kosten für Staaten und Unternehmen

Die genaue Auswirkung hängt von der Laufzeit des Wertpapiers ab. Bei Unternehmensanleihen mit einer Laufzeit von acht bis zehn Jahren, kostet die Steuer bei jeder Transaktion im Schnitt 6,4 Prozent der Gesamtrendite. Bei Unternehmensanleihen mit einer Laufzeit von null bis zwei Jahren kostet jede Transaktion hingegen schon durchschnittlich 13,6 Prozent der Rendite. Grundlage dieser Berechnung waren die Anleihen der zehn größten Unternehmen je Land. Insgesamt, so die Studie, würden sich die gestiegenen Finanzierungskosten negativ auf das Bruttosozialprodukt auswirken. Noch gravierender wären die Auswirkungen auf die Staatsfinanzen. In der Studie wurden die Auswirkungen auf den britischen Staat betrachtet. Dieser ist vergleichsweise weniger betroffen, da nur ein Teil der Transaktionen von britischen Staatsanleihen der Steuer unterläge – nämlich der Teil, den Intermediäre oder Endinvestoren in den Steuerstaaten erwerben. Den britischen Staat hätte die Steuer im Jahr 2013 rund 3,95 Milliarden Pfund (rund 4,8 Milliarden Euro) gekostet. Für staatliche Gläubiger innerhalb der Steuerzone lägen die Belastungen noch höher, da bei Ihnen – so sieht es der Gesetzesentwurf vor – jede Transaktion der Steuer unterläge.

Am 18. April 2013 folgte der nächste Schachzug der britischen Regierung: London reichte beim Europäischen Gerichtshof Klage gegen die geplante Finanztransaktionssteuer ein. Die Argumentation: Die Entscheidung des Rats der europäischen Union vom Januar 2013 sei unzulässig, da die Steuer negative Effekte – auch auf die nicht teilnehmenden Staaten habe. Die Rechte dieser Staaten würden damit verletzt. Allerdings hat die Klage keine Wirkung auf das laufende Gesetzgebungsverfahren.

Finanzmarkttransaktionssteuer wohl erst 2016

Aktuell ist die Finanztransaktionssteuer noch nicht spruchreif. Der Einigungsprozess der elf Staaten ist zäh und langwierig. Dies liegt neben dem Gegenwind aus London vor allem an der Vielzahl der Vorschläge und der Uneinigkeit unter den elf willigen Staaten. Erschwerend kommt hinzu, dass einige der beteiligten Staaten wie Frankreich, Italien und Griechenland bereits nationale Finanzmarktsteuern erheben. Diese müssten dann mit der neuen Steuer harmonisiert werden. Am Ende könnte also nur ein Minimalkonsens stehen. Am Rande eines EU-Finanzminister-Treffens in Brüssel im Februar 2014 hieß es, die Steuer komme wohl erst 2016. Vielleicht nimmt die Steuer ja doch noch den von London bevorzugten Weg und kommt gar nicht zustande. Angesichts ihrer bisherigen Geschichte wäre dies nicht überraschend.

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