Nahostkrise

Kurden demonstrieren gegen islamistischen Terror

In mehreren deutschen Städten sind tausende Kurden auf die Straßen gegangen, um gegen die IS-Terroristen und gegen die Verfolgung der muslimischen und jesidischen Kurden zu demonstrieren.

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Während sich der Belagerungsgürtel der IS-Terroristen um die syrisch-türkische Grenzstadt Kobane (auf Arabisch Ain al-Arab genannt) zuzieht und sich die Lage an der Grenze zur Türkei verschärft, bitten die Kurden weltweit um Solidarität mit ihren eingeschlossenen und verfolgten Landsleuten.

Muslimische und jesidische Kurden, aber auch arabische Christen, Turkmenen und nicht-sunnitische Muslime wie Schiiten, Drusen und Alewiten werden von der radikalen sunnitisch-salafistischen Terrororganisation des selbsternannten Islamischen Staates (IS) verfolgt und systematisch vertrieben oder ermordet.

Kurden-Demonstrationen in ganz Deutschland

Am letzten Samstag haben deutschlandweit in mehreren Städten die Kurden mit Demonstrationen und Kundgebungen auf die Lage ihres Volkes aufmerksam gemacht. Die größten Demonstrationen gab es in Köln (mehr als 5.000 Teilnehmer) und in Berlin (bis zu 2.000 Teilnehmer).

Die Demonstrationen verliefen friedlich und zivilisiert. Es gab keine Ausschreitungen. Nicht nur die Polizei, auch zahlreiche kurdische Demonstrationshelfer und die Organisatoren sorgten für einen reibungslosen Verlauf der Kundgebungen. Viele Deutsche schlossen sich aus Solidarität den Demonstrierenden an.

Buntes Sammelsurium unterschiedlicher Gruppen

Die Demonstrierenden kamen aus unterschiedlichen politischen Gruppierungen. Die meisten waren Kurden, die auf das Schicksal ihrer Landsleute und teilweise eigenen Familien in Syrien und im Nordirak aufmerksam machen wollten.

Es gab auch viele jesidische Kurden, die an den Veranstaltungen teilnahmen. Die Jesiden gehören zu einer prozentual besonders stark verfolgten Minderheit. In den letzten Monaten waren immer wieder Berichte von grausamen Massakern an der jesidischen Bevölkerung bekannt geworden.

Die meisten Kurden schwangen die gelb-rot-grün gestreiften Fahnen der syrischen Kurden oder die rot-weiß-grüne Flagge des kurdischen Autonomiegebietes im Irak. Auch Fahnen der syrisch-kurdischen Selbstverteidigungskräfte YPG und YPJ waren zusehen. Einige Demonstranten hielten Fahnen und Symbole der türkisch-kurdischen PKK hoch.

Auch Vertreterinnen von Frauenorganisationen waren vertreten, um ihre Solidarität mit den kurdischen Kämpferinnen auszudrücken. Die Frauen in den kurdischen Gebieten haben oftmals mehr Rechte und Freiheiten als in anderen islamischen oder vorderorientalischen Regionen. Viele kurdische Frauen haben sich den Selbstverteidigungskräften angeschlossen, um ihre Heimat zu verteidigen.

Kurden misstrauen Erdogan und der türkischen AKP-Regierung

Die von der Partei AKP gestellte türkische Regierung unter Präsident Recep Tayyip Erdogan genießt unter den Kurden kaum Vertrauen. Sie befürchten, dass die Türkei in den Konflikt nur eingreift, um die Kurden zu kontrollieren. Doch im Kampf gegen den syrischen Diktator Baschar al-Assad sei der türkischen Regierung jedes Mittel recht, auch die heimliche Unterstützung islamistischer Terroristen, behaupten viele Kurden.

Ein militärisches Vorgehen der Türkei, auch der westlichen Staaten, gegen die Terrororganisationen IS, Al-Nusra und Al-Qaida würden die Kurden jedoch begrüßen, um ihre Landsleute sowie die anderen ethnischen und religiösen Minderheiten in Syrien und im Irak zu schützen.

Kurden für Demokratie und Toleranz

Abgesehen davon, dass das kurdische Autonomiegebiet im Nordwestirak fast den Status eines quasi-unabhängigen Staates erlangt hat, beweist der Gesellschaftsaufbau in diesem Gebiet, dass eine nahöstliche Gesellschaft ohne religiösen Radikalismus gut funktionieren kann.

Die Kurden auf den Demonstrationen am Samstag verwiesen zudem immer wieder auf die Region Rojava in Nordsyrien hin, wo die Bevölkerung vor Beginn der Terrorattacken im Begriff war, eine basisdemokratische Verwaltung mit einer demokratischen Verfassung zu installieren. Rojava war als Hoffnungsprojekt gestartet, das alle religiösen und ethnischen Minderheiten integrieren sollte.

Nun, so wird von den Kurden befürchtet, wird dieses Gesellschaftsmodell der Toleranz und Basisdemokratie nicht nur von den IS- und Al-Nusra-Terroristen ausgemerzt, sondern womöglich sogar noch von einer türkischen Besetzung bedroht, die jede eigenständige Entwicklung im Keim ersticken könnte.

Kurden als Spielball der Staaten und Mächte

Es gibt mehr als 30 Millionen Kurden im Nahen Osten. Doch sie leben verstreut in vier Staaten: Irak, Iran, Syrien und Türkei. Ob ihnen temporäre Autonomie gewährt wird, wie zurzeit im Nordostirak, oder ob sie integrierter Teil der herkömmlichen Staatesgebilde bleiben, hängt auch von den geostrategischen Interessen der westlichen Staaten ab.

Die Kurden im Irak werden zurzeit von den westlichen Verbündeten hofiert. Die Bundesrepublik will den dortigen Kurden Waffen liefern, um die Peschmerga im Kampf gegen die IS-Terroristen zu unterstützen.

Kritische Beobachter und misstrauische Kurden wissen jedoch längst: Die Kurden im Nordirak werden hauptsächlich deshalb unterstützt, weil sich in der Gegend um Kirkuk die großen Ölquellen befinden. Das Erdöl im Nordirak ist leicht und kostengünstig zu fördern.

Bilder von der Demonstration:

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Fotos: nabu

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: sana

die deutschen helfen den sowieso nicht und lachen uns nur aus ...

Gravatar: Karin Weber

Die mögen sicherlich Recht haben, aber ich glaube nicht, dass das da unten bei denen im Heimatland jemanden interessiert, wenn die hier auf die Straße gehen. Abhilfe schafft man nur vor Ort und das müssen die Menschen schon selber tun.

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