Debatte zur deutschen Leitkultur

Identität bedarf keiner Rechtfertigung

Eine gewachsene Kultur und kollektive Identität ist ein Wert an sich und bedarf keiner weiteren Rechtfertigung, um existieren zu dürfen. Die systematische Entwertung der deutschen Kultur und abendländischen Zivilisation ist ein Angriff auf das Herz unserer Zivilgesellschaft.

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Westlicher Werterelativismus und islamischer Werteabsolutismus passen sowenig zusammenpassen wie Feuer und Wasser. Wenn wir den Werteabsolutismus des Islam tolerieren und gleichzeitig unsere eigene Kultur dem nihilistischen Urteil des Werterelativmus unterwerfen, dann sind die Tage der westlichen Zivilisation gezählt.


Unsere gewachsene Kultur ist kein Einwegprodukt zum wegwerfen


Wir haben bei den Indianern in Nordamerika oder den Aborigines in Australien gesehen, was mit Menschen passiert, wenn sie ihrer Kultur und Lebensweise, ihrer Identität und gemeinsamen Erinnerung beraubt werden. Sie fallen ins Nichts. Sie sind entwurzelt. Wir sorgen uns mit den Tibetern um deren Kultur, weil sie demographisch von den Han-Chinesen im eigenen Lande zur Minderheit gemacht werden. Wir geben den eingewanderten Muslimen in Europa die Freiheiten und Rechte, ihren Glauben und ihre Kultur ausleben zu dürfen. In einigen europäischen Ländern steht in den Fabriken mehrmals pro Tag die Produktion still, weil die muslimischen Kollegen beten müssen. Wir tolerieren Tschador, Burka, Niqab und Hidschab im Land des Feminismus. Wir sorgen uns um die Kultur der Indios im Amazonas-Regenwald und um die Inuit in der Polarregion. Doch mit der eigenen Kultur gehen wir um, als wäre sie eine Austauschware, die man an der Supermarktkasse zurückgeben kann.


Haben wir den Respekt vor unserer eigenen Kultur verloren? Dabei hat die Welt Europa viel zu verdanken: Von der Antike bis zur Renaissance und Aufklärung, von der wissenschaftlichen Erschließung der Natur und des Kosmos bis zur industriellen Revolution hat der Westen maßgeblich zur Entwicklung der Menschheit beigetragen. Allgemeine Menschenrechte, Naturschutz, Bürgerbewegungen und Gewerkschaften, klassische Musik, Malerei und Bildhauerkunst, verschiedenste Gattungen der Literatur, Weltraumfahrt, Computertechnologie und medizinischer Fortschritt – all das war möglich, weil unsere abendländische Kultur Charaktere hervorgebracht hat, die schier endlose Kreativität entfalteten. Nirgendwo sonst in der Welt gibt es so viele Konzertsäle, Theater, Opernhäuser, Museen und Ausstellungen. Verantwortlich für diese Schöpfungskraft ist ein spezifisches kulturelles Milieu. Und ebendieses ist europäisch-abendländisch-westlich. Eine solche Kultur ist ein Geschenk der Vorfahren an die folgenden Generationen.


Kulturrelativismus führt ins Nichts


Nur weil einige Akademiker Schwierigkeiten haben, etwas klar zu definieren, damit es für die Allgemeinheit ins Wikipedia- oder Fernseh-Format gegossen werden kann, heißt es noch lange nicht, dass es nicht existiert. Eine deutsche Leitkultur mag für viele Menschen schwer zu definieren sein. Für die meisten ist sie jedoch instinktiv erkennbar.


Wir haben klare Vorstellungen davon, was zur abendländischen Zivilisation und deutschen Kultur gehört und was nicht, auch wenn man es nicht an Details festmachen kann. Muss man Karl May oder Goethes Faust gelesen haben? Muss man Christ sein? Muss man in bayrischer Tracht herumlaufen? Solche oberflächlichen Aspekte sind es nicht.


Der britische Kunsthistoriker Kenneth Clark hat es in seiner weltberühmten BBC-Dokumentation zur westlichen Zivilisation folgendermaßen ausgedrückt: »What is civilisation? I don't know. I can't define it in abstract terms, yet. But I think I can recognise it when I see it


Das Problem ist, dass in der akademischen Parallelwelt unserer Universitäten die europäische Werte- und Erinnerungskultur dekonstruiert und zu Tode analysiert wurde, bis sie am Ende nicht mehr existiert. Sie wurde im Werte- und Kulturrelativismus ersäuft. Aus diesem Kulturnihilismus heraus werden die identitätslosen Curricula des heutigen Bildungssystems geschaffen. Wenn alles relativiert werden kann und nichts mehr einen identitätsstiftenden Wert an sich hat, dann gibt es nichts von Bedeutung mehr. In unserer heutigen akademischen pseudo-intellektuellen Universitätswelt gilt nur das als existent, was in wissenschaftlichen Termini definiert werden kann. Diese Art zu denken ist geistige Selbstkastration.


Viele heutige Akademiker sind nicht in der Lage etwas wie Kultur oder Zivilisation zu definieren, weil sie es nicht einmal erkennen, erfühlen und begreifen können. Sie sind von der Kultur ihrer Vorfahren losgelöst. Sie haben keine Vorstellung davon, was es heißt, nach einer grausamen Hungersnot ein glückliches Erntedankfest feiern zu können. Sie verstehen nicht, was ein heiliger Raum in einer profanen Welt bedeutet. Sie können nicht nachvollziehen, wie feste Werte und Normen in Zeiten der Not Richtung und Halt geben. Es entzieht sich ihrer Vorstellungskraft. Für sie ist Kultur abstrakt, weil für sie der realweltliche Bezugsrahmen fehlt.


Daher macht es ihnen auch nichts aus, wenn das Christentum durch den Islam, die Familie durch den Individualismus und die Gemeinschaft durch eine Internet-Event-Solidarität ersetzt wird. Vergessen wird dabei, dass alle Kulturen der Menschheit einen langen Entwicklungsprozess durchgemacht und sich über Jahrtausende als bindende Elemente des Menschseins bewährt haben.


Deutsche Identität ist keine moderne Erfindung sondern Teil einer gewachsenen Kultur


Immer wieder wird uns in den Medien – im belehrenden und mahnenden Ton – von Politikern und Journalisten eingeredet, die Deutschen hätten als Nation nur eine junge Geschichte und die Kultur sei lediglich nur eine bunte Mischung aus verschiedenen Traditionen unterschiedlichster Einwanderer, und die Bayern hätten mit den Friesen sowieso nichts gemein. Daher sei es auch nicht nötig, von einer deutschen Leitkultur zu reden. Sie irren sich gewaltig. Dass Deutschland erst 1871 den Weg zum modernen Nationalstaat gefunden hat, besagt rein gar nichts.


Die Griechen waren in der Antike niemals staatlich vereint. Weder Athen, noch Sparta, nicht einmal Alexander der Große hatte es geschafft, die Griechen unter einem Staatsgebilde zu vereinen. Die Welt der alten Griechen war immer zersplittert. Jeder Stadtstaat war anders. Manche entwickelten Vorformen der Demokratie. Andere Staaten waren Monarchien oder Despotien. Es gab unterschiedlichste kulturelle Varianten des Griechentums mit ihren Eigenarten und Dialekten: die Ionier, die Dorer, die Aioler und die Achaier. Viele Griechen hatten während einer Phase der Auswanderung die mittelmeerischen Küsten kolonisiert: von Abdera in Andalusien über Massilia in Südfrankreich bis nach Kyrene in Libyen und Naukratis in Ägypten. Überall entwickelten sie ihre lokalen Traditionen.


Dennoch fühlten sich die Griechen immer als Einheit. Es war immer klar, wer Grieche ist und wer zu den Barbaren gehört. Zu den Spielen nach Olympia kamen nur Griechen. Nach Delphi ebenso. Man wusste, dass man bei aller Vielfalt zusammengehört. Es war immer klar: Perser gehören nicht dazu, ebenso wenig die Ägypter, Skythen, Berber und die anderen Völker der alten Welt.


Die deutschen Historiker des 18., 19. und frühen 20. Jahrhunderts haben Deutschland immer wieder mit Griechenland verglichen. Vielfalt in Einheit. Man sprach von einer Kulturnation, verbunden durch Sprache, Traditionen, kollektive Erinnerungen und kulturelle Errungenschaften.


Den Menschen deutscher Sprache war schon immer klar, was deutsch ist und was nicht. Alles nichtdeutsche war welsch oder wendisch. Welsch war das germanischen Pendant zum griechischen Ausdruck des Barbarischen. Die Barbaren hatten eine andere Sprache gesprochen, die dem griechischen Ohr fremd war. Und die nicht-germanischen Völker (im Westen) hatten Welsch gesprochen. Daher kommt das heutige Wort für Kauderwelsch. Die germanischen Angeln und Sachsen haben haben ihre keltischen Nachbarn als Welsche bezeichnet. Daher der Name des heutigen »Wales«. Die Flamen bezeichnen ihren frankophonen Nachbarn als Wallonen. Und die Deutsch-Schweitzer gaben ihrem französischen Nachbarkanton den Namen »Wallis«.


Das Heilige Römische Reich wird in den Schulbüchern von heute als eine Art internationales Gebilde dargestellt. Doch in alten Schulbüchern wurde es synonym als Deutsches Reich bezeichnet und auch so verstanden. Tatsächlich besteht der Namenszusatz »deutscher Nation« bereits seit fünfhundert Jahren. In einigen historischen Karten der frühen Neuzeit werden die Nationen Mitteleuropas entsprechend der Sprachgrenzen als Gallia, Germania, Italia/Roma und Slavia wiedergegeben. Für die Italiener des Mittelalters war das Heilige Römische Reich keine mittelalterliche EU, sondern eine fremdländische Besetzung. Das zeigte sich schon bei den Kriegen des Kaisers Friedrich Barbarossa gegen die Stadt Mailand. Die deutschen Ritter, die Teutonici oder Tedeschi, wurde als Fremde, als Besatzer empfunden. In der Schlacht von Legano 1176 vereinten sich die oberitalienischen Städte zur Lombardischen Liga im Kampf gegen die Teutonici, gegen die Deutschen. Auch die slawischen Bewohner Böhmens und Mährens oder die Polen in Schlesien wussten sehr genau zwischen sich und den Deutschen zu unterscheiden. Während der Hussitenkriege im 15. Jahrhundert wollten sich die Tschechen vom Reich lösen. Gegensätze zwischen Deutschen und Tschechen spielten schon damals eine große Rolle.


Es ist absolut grotesk, die Ethnizität der Deutschen als Erfindung des 18. und 19. Jahrhunderts zu bezeichnen und krampfhaft in den Zusammenhang moderner Nationalstaatlichkeit zu rücken. »Die Erfindung der Deutschen« ist eine verzerrte Sicht aus der Perspektive heutiger Historiker, die in engen Kategorien denken. Schon im frühen Mittelalter (!) galt der Begriff deutsch, im althochdeutschen »diutisc«, wörtlich übersetzt »zum Volke gehörig«, nicht nur als Sammelbegriff für das gemeine Volk, sondern vor allem als Abgrenzung zu den frankophonen, italienischen und slawischen Nachbarn. Diese waren eben nicht »diutisc«, sondern »welsch« bzw. »walisc« und im Osten (Slawen) »wendisch«.


Solche Abgrenzungen nach Außen geschehen nur, wenn es eine Identität nach innen gibt. Wie bereits erwähnt, ist das Pendant das alte Griechenland, in dem bei aller Vielfalt das Bewusstsein für die Einheit lebendig war. Menschen brauchen keine modernen Definitionen, um das Eigene vom Anderen zu scheiden. Es liegt in der Natur des Menschen, dies zu können. Daran können auch findige Spiegeljournalisten mit ihrer These von der »Erfindung der Deutschen« nichts rücken.


Die Geschichte ist voll von Beispielen, die Beweisen, dass ethnische und kulturelle Identität nicht mit einer modernen Nationalstaatlichkeit verbunden sein muss. Die Juden Europas waren seit fast zweitausend Jahren von ihrem Land getrennt und hatten dennoch eine eigene Identität und ein gewachsenes Zusammengehörigkeitsgefühl. Die Armenier hatten über Jahrhunderte keinen eigenen Staat. Dennoch waren sie in ihrer Identität, Sprache, Religion und kollektiven Erinnerung als Gemeinschaft gefestigt. Das gleiche gilt für so viele andere Völker, die jenseits der modernen Nationalstaatlichkeit dennoch eine Art Nation waren und als solche Identität fanden.


Die Türken in Deutschland fühlen sich oftmals mehr als Türken denn als Deutsche, selbst wenn sie hier geboren oder aufgewachsen sind. Sie pflegen ihre Sprache, ihre Religion, ihre Kultur und sind oftmals konservativer als ihre Landsleute in der türkischen Heimat. Das hat sich bei der Unterstützung von Recep Tayyib Erdogan gezeigt, und es zeigt sich auch bei der Wiederbelebung islamischer Traditionen.


Was tun, um zur unserer Kultur zurückzufinden?


Die Debatte um die Leitkultur sollte sich nicht auf kurzsichtige Definitionen beschränken. Es reicht auch nicht ein Bekenntnis zum Grundgesetz oder zur europäischen Verfassung. Wir brauchen gebildete Lehrer, die es leisten können, unsere Kinder wieder mit der europäischen Geistesgeschichte, mit der Kunst und Kultur, Literatur und Musik, den Traditionen und der Heimatgeschichte vertraut zu machen. Man sieht nur das, was man kennt. Nur gemeinsames Wissen schafft gemeinsame Erinnerung.


Wichtig ist auch die Pflege der deutschen Sprache. Die Fähigkeit zur komplexen und korrekten Sprache ist die Voraussetzung zum komplexen und analytischen Denken. Wer keinen komplexen Gedanken denken und ausdrücken kann, ist zum Simplicissimus verdammt. Sprachverdummung führt zu einer Gesellschaft der Narren und Einfältigen.


Die wichtigste Erkenntnis jedoch ist, dass moderner westlicher Werterelativismus und islamischer Werteabsolutismus nicht zusammenpassen. Wenn wir den expansiven Werteabsolutismus des Islam tolerieren und gleichzeitig unsere eigene Kultur dem Urteil des Werterelativmus unterwerfen, dann wird die Verbindung zur Kultur unserer Vorfahren verloren gehen. Schon jetzt stehen Schüler verständnislos vor alten Denkmälern, Burgen, Gemälden, Heiligenbildern oder blättern distanziert-gelangweilt in alten Büchern, die ihnen die Lehrer vorlegen. Es gibt keine Verbindung mehr zwischen ihnen und ihren Vorfahren. Und je multikultureller der Klassenraum wird, desto schwieriger wird es, an unsere Kulturtraditionen anzuknüpfen.


Wenn sich unser kulturelles Gedächtnis in kollektiver Demenz auflöst, dann sind die Tage unserer abendländischen Zivilisation und deutschen Kultur tatsächlich gezählt. Schon jetzt wissen fast alle Schüler in Deutschland, wer Mohammed war, aber kaum einer, wer Karl der Große war. Sie glauben es nicht? Fragen Sie mal nach!


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