Die Vorteile des Euro

Holger Schmieding im Berliner Hayek-Club

Um Erfolg oder Misserfolg des Euro zu bemessen, will sich Holger Schmieding nur an die Fakten halten. Aber auch die sind oft genug zu Realität geronnene Modellierungen.

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»Warum wir den Euro brauchen« lautete der Titel der Veranstaltung im Berliner Hayek-Club – und das war natürlich als Provokation gedacht. Allerdings nur vom Veranstalter, nicht jedoch vom geladenen Gast, dem Chefvolkswirt der Berenberg Bank Holger Schmieding. Der hat sich 2012 mit einem Buch »Unser gutes Geld. Warum wir den Euro brauchen« recht eindeutig positioniert. Insofern war klar: Hier saß einer mit einer Meinung, die von der der Mehrheit der Anwesenden abweichen würde.

Schmiedings Argumentation ist bestrickend überzeugend: Er will den Wert des Euros von den Fakten her beurteilen und also fragen, welche Vor- und welche Nachteile er den Volkswirtschaften der Teilnehmerstaaten gebracht hat. Modelle interessieren ihn weniger, im Gegenteil: Er warnt geradezu vor ihnen, weil, so argumentiert er zutreffend, Modelle nur der Versuch sind, die Wirklichkeit zu erfassen und besser zu verstehen. Doch kein Modell erklärt alles, weshalb kein Modell für alles Situationen des Lebens passt. Man muss entsprechend dann allenfalls nach dem Modell suchen, das der Situation noch am ehesten gerecht wird.

An die Fakten halten, nicht an Modelle

Damit verbunden war seine Warnung, die er von Hayek entlehnt, vor der »Anmaßung des Wissens« und der Selbstgewissheit der Ideologen, die ihre Modelle der Wirklichkeit überstülpen wollten, ob es passt oder nicht. Dagegen setzte Schmieding das Lob der Empirie, und das fiel in bezug auf den Euro geradezu grandios aus: Die Inflationsziele der EZB seien erreicht worden; während die Bundesbank ein Inflationsziel von 2,9 Prozent angegeben hätte, liege es nun bei unter 2 Prozent. Auch die Schuldenquote sei von Euro-Einführung bis zur Lehman-Pleite 2008 gesunken. Diese beiden Fakten belegten, dass der Euro eine gute Währung sei.

Seine Zuhörer überraschte Schmieding, der von sich sagt, er sei einstmals ein milder Euro-Skeptiker gewesen, mit zwei Behauptungen. Zum ersten sagte er, dass die EZB die unabhängigste Notenbank der Welt sei. Da es keine politische Union gebe, hätten die Eurobanker quasi so viele Chefs wie Teilnehmerstaaten – und solange die sich nicht einigten, würde ihr Einfluss auf die EZB gering bleiben. Anders als bei Notenbanken von Großbritannien, Japan und anderen Ländern mit einer nationalen Währung und anders als beispielsweise seinerzeit bei der Bundesbank sei eine Mandatsänderung praktisch ausgeschlossen.

Zweitens präsentierte Schmieding den Euro als Vorbild für den deutschen Länderfinanzausgleich, weil die Bedingungen für Hilfen von den Eurostaaten festgelegt werden würden. Auf diese Weise würden die Empfängerländer gezwungen, Strukturprobleme zu ändern. Während für Bremen oder das Saarland kein Zwang bestünde, Haushaltsdefizite abzubauen, weil ihre Finanzierung durch die Geberländer garantiert sei, müssten marode Eurostaaten tiefgreifende Reformen ins Werk setzen, weil ihnen die Möglichkeit zur Abwertung der nationalen Währung verwehrt sei. Besonders bemerkenswert: Letztlich bestimmten nicht ganz allgemein die Geberländer über die Konditionen, nach denen Hilfszahlungen geleistet würden, sondern ganz konkret der Deutsche Bundestag, ohne den es wegen der schieren Größe der deutschen Volkswirtschaft keine europäischen Hilfen geben könne.

Krisenmanagement mangelhaft

Das Ausmaß der gegenwärtigen Krise schreibt Schmieding nicht dem Euro zu, sondern dem fatalen Fehler des US-Finanzministers Henry Paulson, Lehman – anders als kurz zuvor Bear Stearns – nicht mit öffentlichen Mitteln zu stützen. Damit sei er auf Druck seiner eigenen Partei der reinen Lehre gefolgt, doch habe er damit eine Vertrauenskrise ausgelöst, die erst durch andere vertrauensbildende Maßnahmen der amerikanischen – und in der Folge auch weiteren – Regierung wieder habe hergestellt werden können.

Das Vertrauen der Banken untereinander sei erst wiedergekommen, als die Fed Mitte 2009 angekündigt habe, alles zu tun, um der Wirtschaft wieder auf die Beine zu helfen und diese Bekundung mit dem Öffnen der Geldschleusen untermauerte. Dass die griechische Krise ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt eskalierte, war nach Schmieding den Wahlen geschuldet, die im selben Jahr abgehalten wurden und die Regierung verleitet habe, Geld mit vollen Händen auszugeben, das nicht vorhanden gewesen sei.

Die Krise der Jahre 2008/2009 sei die schwerste in Deutschland seit dem Einbruch der Wirtschaft 1944 gewesen, erklärte Schmieding. Dennoch sei es gelungen, sie mit der Installierung des Rettungsschirms 2010 einzuhegen und zu entschärfen. Seitdem sei das Problem bei Griechenland und in Portugal isoliert gewesen. Doch dann habe man 2011 mit dem Schuldenschnitt für Griechenland den nächsten Fehler gemacht und ein »kleines Lehman« geschaffen, mit dem das Vertrauen der Finanzmarktteilnehmer wieder schwand. Insbesondere das Schäuble-Interview dieses Jahres erkannte Schmieding als Auslöser der nun folgenden neuen Krise. Allerdings sei auch die inzwischen wieder vorbei – und zwar, seitdem die EZB ihre neue Rolle als »Lender of last resort« akzeptiert und mit der Verkündung des OMT-Programms damit das Vertrauen der Märkte wieder hergestellt habe.

Scheitern nicht ausgeschlossen, aber unwahrscheinlich

Auch für die Zukunft sah Schmieding zumindest nicht schwarz. Zwar gab auch er zu, dass die Möglichkeit des Scheiterns der Einheitswährung nicht ausgeschlossen sei – vor allem weil er für die Teilnehmer so unbequem sei. Doch zugleich warnte er vor allem die Deutschen vor Arroganz gegenüber den Krisenländern, von denen sich einige bereits auf dem Weg der Besserung befänden. Entwarnung blies er hinsichtlich der Befürchtung, die Staaten könnten sich über Inflation entschulden; erstens seien dazu die Summen zu groß, zweitens sei noch jede Regierung, die das versucht habe, abgewählt worden. Schließlich wagte er sogar noch die Prognose, dass die Staatsschuldenquoten in Zukunft sinken würden, was den disziplinierenden Effekten der Euroeinführung zuzuschreiben sei.

Schmieding sagte also auch beim Hayek-Club Berlin Ja zum Euro – und erntete erstaunlich wenig Widerspruch. Das war mit Sicherheit seiner überzeugenden Argumentation geschuldet, die allerdings gleichwohl ein paar Angriffspunkte bot. Zum ersten darf füglich bezweifelt werden, dass die »Fakten« nicht so eindeutig sind, wie man gerne glauben möchte. Der Verweis auf die Inflationsrate kann zum Beispiel gekontert werden mit dem Hinweis auf den so genannten Warenkorb, der Dinge enthält, die ein Millionär und ein Arbeitsloser sicherlich ganz unterschiedlich wertschätzt.

Auch seine Beurteilung der No-Bail-Out-Klausel darf man für kritikwürdig halten: Die könne man so lesen, dass ein Staat die Schulden eines anderen nicht übernehmen dürfe, aber auch so, dass ein Staat nicht gezwungen werden dürfe, die Schulden eines anderen zu übernehmen. Das ist natürlich eine Sophisterei, eine Methode, die geeignet ist, einem ein X für ein U vorzumachen. Schmieding kann deshalb der Vorwurf gemacht werden, sein angeblich modellferne Analyse auf zur Realität gewordenen Modellen aufgebaut zu haben. Er ist einen Umweg gegangen, der ihn genau dahin führt, an der er nicht zu stehen vorgibt.

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