Porträt Peter Gauweiler

Heller Stern am politischen Firmament

Früher galt Peter Gauweiler als »Hardliner«. Heute wird er von ganz unterschiedlichen Seiten geschätzt. Besonders mit seinem Kampf gegen die Euro-»Rettung« erwirbt er sich bleibende Verdienste.

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Peter Gauweiler gehört zu den Politikern, die man – zumindest von der Ferne betrachtet – nie verstehen wird. Einerseits ist er ein Feingeist mit gutem Geschmack und vollendeten Manieren, andererseits ist er zu jeder Verbalinjurie fähig, wenn er das Rednerpult in einem Bierzelt betritt. Einerseits klagt er – gefühlt – ständig vor dem Bundesverfassungsgericht gegen eine neue Entwicklung bei der europäischen Integration, andererseits bekennt er sich vehement zum Vertrag von Maastricht. Gauweiler ist vermutlich beides: Querkopf und Querulant, in jedem Fall ein Phänomen, das bis heute Irritationen beim Publikum auslöst.

Keine glanzvolle politische Karriere

Bis in ein hohes, bundespolitisch bedeutsames Amt hat es der gebürtige Münchner nie geschafft. Sein Jurastudium absolvierte er in München und an der FU Berlin, danach arbeitete er (bis heute) als Rechtsanwalt. 1968 trat er der CSU bei, war in seinen Studentenjahren auch Vorsitzender des RCDS. 1972 bis 1982 war er hauptberuflicher Stadtrat von München, danach Staatssekretär im Münchner Innenministerium. 1990 bis 1994 amtierte er als bayerischer Umweltminister, ein Amt, das er wegen eines berufsständischen Vorwurfs, der sich später als haltlos herausstellte, wieder aufgeben musste. Seit 2002 ist er Mitglied des Deutschen Bundestages, in dem er seinen Wahlkreis München-Süd vertritt. Jüngst ist er zu einem der vier Stellvertreter des bayerischen CSU-Chefs gewählt worden.

Insgesamt hat Gauweiler also keine glanzvolle politische Karriere hingelegt. Vor diesem Hintergrund fragt es sich, warum jeder zumindest seinen Namen kennt. Vielleicht ist er noch ganz allgemein als so genannter Hardliner präsent? Oder man erinnert sich an seinen Vorschlag, HIV-Infizierte zu erfassen, sie an sexuellen Kontakten zu hindern und nötigenfalls zu isolieren? Oder man denkt an seine Kritik der Wehrmachtssausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung, der er gravierende Fehler vorwarf? Oder man kennt seinen Namen im Zusammenhang mit periodisch angestrengten Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Euro-Einführung und die Euro-»Rettung«? Und hier kommen wir Gauweilers Bedeutung für ganz Deutschland schon ein gutes Stück näher.

2005 klagte er gegen den europäischen Verfassungsvertrag, weil ihm darin der Gottbezug fehlte. 2008 legte er Verfassungsbeschwerde gegen den Vertrag von Lissabon ein, 2010 stimmte er als Bundestagsabgeordneter gegen die Griechenlandhilfe, klagte 2010 gegen den so genannten Rettungsschirm und reichte zuletzt 2012 einen Eilantrag gegen die Einrichtung des ESM beim Bundesverfassungsgericht ein. Für sein Vorgehen kann er jeweils gute Gründe geltend machen – und gibt dabei den heimatverbundenen bayerischen Patrioten zu erkennen: »Der Versailler Vertrag war Bayerns erster Maastricht-Vertrag. Wir wurden von einem souveränen Staat zum Bestandteil einer ›politischen Union‹ verwurstet.« Und jetzt würden die Bayern »aus Berlin und aus Brüssel regiert und bevormundet – das verkraften wir Bayern auf Dauer nervlich nicht.«

Ein unabhängiger Kopf

In seinem Kampf für Demokratie und Rechtsstaat, die beide durch die Einheitswährung und die verzweifelten Versuche, sie zu erhalten, gefährdet sind, hat Gauweiler viele ehemalige Gegner verwirrt – und sie zu seinen Bündnispartnern gemacht. Münchens langjähriger Oberbürgermeister Christian Ude sagt über ihn: »In den 50 Jahren, die wir uns kennen, habe ich tiefe positive Persönlichkeitsveränderungen erkennen können.« Die Verwirrung ist gerechtfertigt, denn seit kurzem trifft man ihn Herta Däubler-Gmelin oder Peter Danckert, beide SPD, und sieht bemerkenswerte Übereinstimmungen seiner Positionen mit denen der Linkspartei.

Zu glauben, Gauweiler habe die Seiten gewechselt, wäre allerdings falsch. Denn das hat er nicht. Es zeigt sich nur jetzt, am Beginn seiner »alten Tage« – er ist 64 Jahre alt –, besonders deutlich, wie unabhängig er ist. Politisch hat er großen Rückhalt in seiner Partei, die ihn zur letzten Wahl mit einem sozialistisch anmutenden Ergebnis nominiert hat (98,43 Prozent). Und wirtschaftlich sorgt seine gutgehende Anwaltskanzlei dank so prominenter Klienten wie Leo Kirch und seiner Erben für »Beinfreiheit«. Beides zusammen ermöglicht ihm, seine Entscheidungen zwar auch nach der Parteiräson auszurichten, aber vor allem nach seinem Gewissen zu entscheiden, wenn es denn sein muss. Wie kaum ein anderer evangelischer Politiker kann er das Lutherwort für sich in Anspruch nehmen, das ihn bei seinem Engagement zu leiten scheint: Hier stehe ich, ich kann nicht anders.

Es sind die Umstände, die Charakterköpfe wie Gauweiler nach vorne bringen – allerdings zumeist Krisen. Und dass sich Deutschland und Europa in einer Krise befinden, davon Krise kann mit Fug und Recht die Rede sein. An den »Hardliner« wird man sich dermaleinst wohl eher nicht erinnern, doch mit seinem Widerstand gegen Demokratie- und Wohlstandsverlust durch den Euro wird er sich bleibende Verdienste erworben haben. Bedauerlich ist bloß, dass das Land so wenige von Gauweilers Sorte hat. Das politische Personal in Deutschland, vorweg die Abgeordneten des Deutschen Bundestages, zeichnet sich aufs Ganze gesehen nicht gerade durch Kreativität, Unabhängigkeit und Charakterstärke aus. Vor diesem Hintergrund strahlt Gauweilers Stern natürlich umso heller. Man wäre froh, wenn sich neben ihm noch ein paar andere ebenso deutlich hervorheben würden.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Libero

Herr Gauweiler wird von der CSU benutzt, weil man dort erkennt, dass die AfD, die übrigens Gauweilers Ansichten teil zu viel Zuspruch erhält. Gauweiler mag zweifelsohne ein ehrlicher Mensch sein. Er dinet allerdings nur als Feigenblatt für die CSU ihren bisherigen eurofreundlcihen Kurs fortzusetzen
Auch ein Herr Gauweiler verhindert nicht den Marsch in die Angestrebte
real existierende Diktatur der Bürokratie in der EU.

Gravatar: Dr. Wolfgang Ertle

Sehr geehrte Damen und Herren,
( Leider ist der Verfasser des Artikels nicht namentlich erwähnt)

nach soviel Lobhudelei auf Herrn Gauweiler, dessen Vita mir hinlänglich bekannt ist und den ich sehr schätze stellt sich mir die Frage weshalb sich o.g. Gerade jetzt vor den seehoferischen
Karren spannen lässt. Zurecht hat Gauweiler immer wieder auf die multiplen Vertragsbrüche von Maastricht mit den unabsehbaren Folgen für unser Finanzsystem und den daraus ergebenden. Konsequenzen für unsere. sozialen. Sicherungssysteme hingewiesen.
Wer den gewieften Taktiker Seehofer kennt kommt in Anbetracht der bevorstehenden Europawahl auf die Idee, dass mit der Inthronisierung von Gauweiler ( ein Amt was im bisher verwerhrt war und um das er so lange gekämpft hat) zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden, nämlich Gauweiler parteipolitisch zu disziplinieren und andererseits
der AfD Stimmen abzunehmen. Aber Eitelkeit ist halt eine urmenschliche Eigenschaft.

MfG

Gravatar: Christian

Herr Gauweiler ist ein echter Volksvertreter im Bundestag. Jemand anderes würde ich im Moment so nicht nennen können.

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