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Gute Ernährung in Kitas: Einfach die Kinder fragen!

Eine Studie hat ergeben, dass Kindern in Kitas zu viel Fleisch und zu wenig Gemüse serviert wird. Selbst wenn: Na und? Kinder wissen selbst am besten, was gut für sie ist. Also fragt sie, was sie essen wollen!

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Diese »erschreckende« Ernährungsstudie war ein gefundenes Fressen für die gesamte Medienlandschaft: Kinder in deutschen Tagesstätten bekommen mittags zu viel Fleisch serviert, und außerdem haben die lieben Kleinen zu wenig Obst und Gemüse auf dem Teller1! Dieses »ungesunde« Ergebnis lieferte die Befragung von etwa zwei Prozent aller Kitas in Deutschland2. In der Befragung wurde das Kita-Mittagessen mit den Standards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) verglichen. Ergebnis: Den Kids wird zu viel Fleisch serviert, aber zu wenig Obst und Gemüse. Und das sei doch nicht gesund!

»Es mag sein, dass die Umfrage repräsentativ war, aber warum hat niemand die Kinder gefragt, ob ihnen das Essen auch schmeckt?«, fragt Udo Pollmer, wissenschaftlicher Leiter des Europäischen Instituts für Lebensmittel- und Ernährungswissenschaften (EU.L.E. e.V.). »Was bitte soll eine Bewertung durch Ernährungsfachkräfte, wenn die Meinung der kleinen Kinder, die für sie ungewohntes Kantinenessen essen sollen, offenbar keine Rolle spielt?«

Ökotrophologe Uwe Knop vom selben Institut ergänzt: »Aus ernährungswissenschaftlicher Sicht wäre es sicher angemessener gewesen, zuerst die willkürlichen Esserziehungsregeln der Deutschen Gesellschaft für Ernährung auf ihre praktische Umsetzbarkeit zu prüfen – umso mehr, weil es bis dato keinen einzigen Beweis gibt, dass sie die Gesundheit der Kinder fördern!« Knop behauptet, dass die DGE-Standards reine Willkür sind. Die Forderung, dass Kinder innerhalb von 20 Tagen 8 Mal Rohkost, mindestens 8 Mal Obst und 4 Mal Seefisch essen sollen, hält er für nicht nachvollziehbar. »Es liegt kein einziger Beweis vor, dass dieser Zahlenhokuspokus auch nur ein Promille mehr Kindergesundheit bringt«, begründet er seine Zweifel.

Dass Rohkost-Produkte in einer Gemeinschaftsverpflegung für kleine Kinder nicht unbedingt gesundheitsförderlich sind, hat sich in der Vergangenheit immer wieder gezeigt. Pollmer nennt sie sogar eine Art »haftungstechnisches Himmelfahrtskommando«, weil unbehandelte Lebensmittel krankheitserregende Keime tragen könnten, für deren Folgen am Ende der Betreiber haften müsse. Pollmer: »Kinderessen muss hygienisch sein. Werden in der Zubereitungs- und Lieferkette von Rohkost jedoch Fehler gemacht, so steht die Gesundheit der Kinder auf dem Spiel, wie der Fall mit den Noroviren auf TK-Erdbeeren mit 11.000 Erkrankten eindrucksvoll gezeigt hat. Betroffen waren nur Küchen, in denen die Erdbeersoße nicht erhitzt worden war.«

Fragt die Kinder, was sie essen wollen!

Geht es nach der DGE, so dürfen die Kinder in den fast drei Wochen nur vier Mal Wurst aufs Brot legen und maximal zwei Mal Eiergerichte essen. »Die Bevormundung wird auch immer infantiler«, so Pollmer. Beispiel: Montags wird Rührei mit Frühlingszwiebeln, Tomaten und Brot serviert. Eine Woche später kommt Spiegelei mit Spinat und Kartoffeln auf den Tisch. »Wenn eine Kita es nun freitags wagt, Frankfurter Grüne Soße mit Kartoffeln und Ei zu kredenzen, verstößt sie bereits gegen die DGE-Standards. Mit solchen pseudowissenschaftlichen Vorgaben macht den Mitarbeitern das Kochen so richtig Spaß!«

Abgesehen davon, dass kein Mensch weiß, was »zu viel Fleisch« oder »zu wenig Pflanzenkost« für kleine, wachsende Kinder (aber auch für Erwachsene) sein soll, geschweige denn, welche Menge das Wachstum fördert, fällt diese Studie einem Kardinalsfehler der Ernährungsforschung anheim, erklärt Ernährungswissenschaftler Knop: »Frei erfundene Ernährungsregeln werden der Aussagekraft des menschlichen Körpers vorgezogen. Wer wissen will, wie gut das Kita-Lunch ist, der sollte die Kinder fragen, die es jeden Tag essen!«

Ein Hinweis, der banal klingt, aber in die richtige Richtung weist. Kindern muss es erstens gut schmecken und sie sollten sich auf die Mahlzeiten freuen. Sie sollten zweitens Spaß am und Genuss beim Essen haben und drittens sich satt essen können. Vielleicht mögen Kinder Rohkost und Obst nicht, weil sie es nicht vertragen. Vielleicht essen sie auch keinen Fisch, weil der »stinkt« (Kinder haben eine angeborene Aversion gegen Fischgeruch). Vielleicht aber lieben sie Eierspeisen und Fleischgerichte – denn gerade diese Lebensmittel liefern Proteine von maximaler biologischer Wertigkeit, die für Kinder im Wachstum essenziell sind. »Kinder haben ein gutes Körpergefühl, sie spüren sehr gut, was sie zu essen brauchen«, erklärt Knop. Sein Rat: »Da ihr Kopf ist noch frei ist von Ernährungspropaganda, sollte man ihnen daher Vielfalt zur Auswahl anbieten, sie immer wieder neues Probieren lassen, nichts reinzwängen. Vor allem sollte man sie fragen, was sie gerne essen und was nicht.«

Volle Kinderteller statt leere Versprechungen!

Dass viele EU-Millionen und Steuergelder in Kampagnen zur Prävention von Übergewicht oder zur Förderung gesunder Ernährung gepumpt werden, sehen Pollmer und Knop skeptisch. Sie sind der Ansicht, dass diese Kampagnen allesamt eines gemeinsam haben: Sie bringen nichts. »Jeder kennt die Kampagne 5-am-Tag. Sie dient ausschließlich der Absatzförderung von Obst und Gemüse. Es ist eine Werbemaßnahme, die mit Gesundheit nichts zu tun hat«, erklärt Knop. »Das ist nur das öffentliche Deckmäntelchen der Kampagneros. Sobald man die DGE oder das Kampagnenbüro nach einem Nutzennachweis fragt, so herrscht Schweigen im Walde – und das aus nachvollziehbarem Grund: Denn niemand weiß, ob die Kampagne die Gesundheit fördert oder ihr gar schadet.« Eine einfache, pragmatische und wissenschaftlich nachvollziehbare Lösung für mehr Kita-Essensgeld hat Knop als Alternative parat: »Die staatliche Förderung von 5-am-Tag stoppen und stattdessen das Geld in ein gutes Mittagessen für den Nachwuchs investieren.«

Die »erschreckenden« Kita-Lunch-Resultate sollten in Zusammenhang mit den folgenden Ergebnissen interpretiert werden: Gemäß der Kindergesundheitsstudie KiGGS des Robert Koch-Instituts halten 94 Prozent der Eltern den Gesundheitszustand ihrer Kinder für gut oder sehr gut4. Für Knop stellt sich die Frage: »Ob das Mittagessen der deutschen Kitas auf diese beeindruckenden Ergebnisse wohl einen Einfluss hatte? Man kann nur hoffen, dass die Werte so hoch bleiben. Wenn Kindern jedoch vermehrt ›gesundes Essen à la Ernährungsfunktionäre‹ eingetrichtert wird, das sie nicht mögen und vielleicht nicht gut vertragen, so könnte das den Gesundheitszustand der Kinder negativ beeinflussen.« Pollmer resümiert: »Kinder brauchen weder Diätpläne noch DGE-Bevormundung sondern idealerweise eine gestandene Köchin, die weiß, was die Kinder wollen. Sie weiß auch ohne Aufpasser, wann sie wieder mal Eier in die Pfanne hauen sollte. Die DGE-Regeln hauen nur die Kinder in die Pfanne.«

Fazit: Kinder in Kitas brauchen kein Essen nach »Regeln und Standards«, sondern etwas »Leckeres und Genussvolles« auf dem Teller. Kinder sollten das bekommen, was ihnen schmeckt und nicht den Gesundheitsaposteln.

Quellen:

1. Vollumfängliches Blätterrauschen im deutschen Medienwald

2. Zu viel Fleisch, zu wenig Obst und Gemüse zum Mittagessen: Kita-Kinder bekommen keine ausgewogene Ernährung, Pressemeldung, 2. Juni 2014

3. DGE-Präsident für neue Grundlage der Finanzierung von Kita-Essen, epochtimes, 7. Juni 2014

4. KiGGS-Studie / Gesundheitsstudie: Kinder in Deutschland sind überraschend fit, spiegel online, 14. November 2013 / Immer weniger Teenies rauchen, aerztezeitung de, 23. Juni 2014

Quelle: EU.L.E. e.V.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Stephan Achner

"Einfach die Kinder fragen." - Leute, habt ihr eigentlich keine Ahnung von Kindern? Wenn man Kinder fragt, dann wollen sie heute Pommes, morgen Pommes, übermorgen BigMäc und danach - wenn es gut läuft - Fischstäbchen und Spaghetti. Gemüse ist bei den meisten Kindern ein Igitt. Also, Kinder fragen, ja klar, aber das ist doch nicht die Lösung.

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