Kurzanalyse

Großbritannien hat gewählt

Engländer, Waliser, Schotten und Nordiren haben gewählt. Doch wer ist der Sieger? Das Wahlrecht sorgt dafür, dass das Parlament den Wählerwillen nicht korrekt widerspiegelt.

Veröffentlicht:
von

Das Vereinigte Königreich hat gewählt, und auch wenn noch nicht alle der 650 Wahlkreise ausgezählt sind (8 fehlen noch), lässt sich bereits ein Zwischenfazit ziehen. Viele Kommentatoren halten dieses Wahlergebnis für bedeutend, was es auch sein mag. Indes verlohnt es sich, sich zunächst die nackten Zahlen anzusehen.

Bemerkenswert ist, dass der Souverän der Wahl eine besondere Bedeutung beigemessen hat, denn er ist in größerer Zahl zu den Urnen gegangen als bei der 2010er-Wahl: 66,1 statt 65,1 Prozent betrug die Beteiligung. Ein Detail, das angesichts verbreiteter Klage über die Wahlmüdigkeit in westlichen Demokratien Beachtung verdient.

Inzwischen sind gleich drei Parteivorsitzende von ihren Ämtern zurückgetreten: Nigel Farage (UKIP), Nick Clegg (LibDem) und Ed Miliband (Labour). Sie hatten ihre Gründe. Zuvörderst natürlich Clegg, dessen Liberaldemokraten an der Regierung beteiligt waren und übel abgestraft wurden: Von 23,0 auf 7,8 Prozent sank ihr Stimmenanteil. Im neuen Unterhaus werden sie statt 57 nur noch 8 Sitze einnehmen können.

Auch Farage wird als Verlierer gehandelt, denn er hat im Wahlkreis South Thanet, wo er angetreten ist, verloren – und zwar ausgerechnet gegen einen vormaligen Parteifreund, der zu den Tories übergelaufen war. Aber insgesamt hat UKIP hervorragend abgeschnitten, denn sie hat ihr Ergebnis fast vervierfachen können und ist zur drittstärksten Kraft geworden. Dass sich das nicht in Sitzen im Parlament niederschlägt, wohin sie wohl nur einen Abgeordneten entsenden kann, ist dem britischen Wahlrecht zuzuschreiben.

Ed Miliband hätte sich eigentlich freuen können, denn auch seine Arbeiterpartei hat gegenüber 2010 zugelegt. Der Zuwachs beträgt zwar nur eineinhalb Prozentpunkte, aber es ist ein Zuwachs. Aber auch Labour ist ein Opfer des britischen Wahlrechts: Nicht mehr 258, sondern nur noch 230 Sitze im Unterhaus stehen ihnen zu. Und dann kommen noch wirklich frustrierende Niederlagen wie die des designierten Außenministers Douglas Alexander hinzu, der von der zwanzigjährigen Studentin Mhairi Black von der SNP geschlagen wurde.

Die ist aber wirklich, ohne Einschränkungen die Siegerin gewesen: In Schottland, wo die Nationalisten angetreten sind, konnten sie 56 von 59 Sitzen holen. 2010 waren es bloß 6 gewesen. Experten führen diesen Erfolg unter anderem auf die Niederlage beim Unabhängigkeitsreferendum, das letzten September gescheitert ist. Daraufhin trat der SNP-Vorsitzende Alex Salmond zurück und machte Platz für Nicola Sturgeon, die die Früchte dieser Niederlage nun einfahren konnte.

Als Wahlsieger werden jetzt auch David Cameron und seine Tories gefeiert, vermutlich auch deshalb, weil man ihnen im Vorfeld ein so günstiges Ergebnis nicht zugetraut hätte. Aber auch hier gilt es zwischen Zustimmung und Sitzverteilung zu unterschieden: In der Wählergunst haben die Konservativen leicht von 36,1 auf 36,8 Prozent zugelegt, im Unterhaus reicht es wohl für eine knappe, aber gleichwohl absolute Mehrheit. 325 von 326 nötigen Sitzen haben sie schon.

Aufs Ganze Land gesehen, gibt es deutliche regionale Trends zu vermelden. Schottland wählt linksnational; die SNP hat hier die absolute Mehrheit. England und Wales werden zwar dominiert von Konservativen und Arbeiterpartei, aber UKIP ist hier eine feste Größe von immerhin rund 14 Prozent. Und Nordirland, das auch zum Vereinigten Königreich gehört, bietet ein diffuses Bild.

Mehr dazu auf spiegel.de, spiegel.de und faz.net

Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte
unterstützen Sie mit einer Spende unsere
unabhängige Berichterstattung.

Abonnieren Sie jetzt hier unseren Newsletter: Newsletter

Kommentare zum Artikel

Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.

Gravatar: Danton

SNP: 4,8% der Stimmen bedeuten 56 Sitze, UKIP landesweit über 13% (ca1/8) der Stimmen, im Parlament mit rund 1/650stel - 1 Sitz -vertreten.
Wahlbeteiligung in Bremen unter 50%. Wahl trotzdem gültig.
Verschobene Wahlergebnisse in Florida zu Zeiten Bush.
Gebrochene Wahlversprechen, wo man hinschaut...
TTIP, Gendermainstream, Bargeldabschaffung, Mautüberwachung....

Sieht so die "moderne" Demokratie aus?

Schreiben Sie einen Kommentar


(erforderlich)

Zum Anfang