Erdölmarkt

Globaler Preis-Krieg beim Erdöl

OPEC gegen Produktionskürzungen: Nun beginnt die heiße Phase des Erdöl-Preis-Krieges. Besonders betroffen sind Russland, Venezuela und der Iran. Auch für Fracking und Ölsandabbau ist dies ein Test.

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Der anhaltende Tiefflug des Rohölpreises droht massive Auswirkungen nicht nur auf die wirtschaftliche, sondern auch auf die politische Lage vieler Länder zu haben. Jetzt beginnt eine Phase, in der es an die Substanz geht. Kurz vor dem Wochenende bewegte sich der Preis pro Fass / Barrel zwischen 71,25 und 72,80 US-Dollar. Zum Vergleich: Im Frühsommer lag der Preis zeitweise bei 114 US-Dollar pro Barrel.

Für viele Erdöl fördernden Unternehmen und Staaten sind solche Werte kritisch. Für einige rechnet sich die Förderung langfristig erst ab einer Höhe von mindestens 100 US-Dollar pro Barrel. Staaten wie der Iran oder Venezuela bräuchten einen Preis von 120 bis 140 US-Dollar, um gewinnbringend zu fördern. Dabei geht es nicht nur um die Gewinnmarge der Erdölunternehmen. In diesen Ländern hat der Ölpreis direkte Auswirkungen auf den Staatshaushalt und somit auf das Budget, das dem Staat für seine gesellschaftlichen und sicherheitspolitischen Aufgaben zur Verfügung steht.

Dementsprechend richtete sich die Hoffnung auf den klärenden OPEC-Gipfel, der kürzlich in Wien tagte. Zur OPEC (Organisation of the Petroleum Exporting Countries) gehören zurzeit Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Kuwait, Katar, Iran, Irak, Nigeria, Libyen, Angola, Algerien, Ecuador und Venezuela. Doch es gab keine Einigung zur Drosselung der Förderung und somit zur Anhebung der Preise. Die Fördermenge soll auf dem hohen Niveau von insgesamt 30 Millionen Barrel pro Tag verbleiben.

Damit haben sich die reichen Golfstaaten wie Saudi-Arabien, die Emirate, Kuwait und Katar durchgesetzt. Nach einer Bemerkung des saudischen Öl-Ministers scheinen diese Staaten sich schon vor Beginn des Gipfels einig gewesen zu sein. Obwohl sie am stärksten vom Erdöl abhängen, haben sie dennoch die meisten Reserven, Kapazitäten und geringsten Förderkosten, um die Konkurrenten herauszufordern.

Zwei der größten Ölförderländer der Welt sind nicht auf dem Gipfel anwesend gewesen, weil sie nicht Mitglieder der OPEC sind: die Vereinigten Staaten von Amerika und die Russische Föderation. Für Russland sind geringe Ölpreise ein generelles Problem. Die USA müssen vor allem um die Rentabilität ihrer wachsenden Schiefer-Öl-Förderung durch Fracking und den Abbau der Ölsande bangen. Dennoch treiben die USA ihre Ölförderung kontinuierlich voran. Es ist allerdings auch der starke US-Dollar, der den Ölpreis auf den internationalen Rohstoffmärkten fallen lässt, denn der Preis für Erdöl wird in Petrodollar bemessen.

Fehlkalkulationen spielen auch eine Rolle

Vor nicht allzu langer Zeit hatte man noch mit einem langfristig hohen Ölpreis gerechnet. Allein die Nachfrage des Wachstumsmotors Ostasien mit Schwerpunkt China schien diese Vermutung zu rechtfertigen. Doch Chinas Wachstum und somit dessen Energienachfrage blieb hinter den Erwartungen zurück.

Außerdem haben viele Staaten nicht mit dem Ausmaß und dem Tempo der nordamerikanischen Ölförderindustrie gerechnet. Trotz aller US-amerikanischen Ankündigungen: Das tatsächliche Ausmaß, mit dem das Fracking von Schieferöl und der Abbau der Ölsande vorangetrieben wurden, war am Ende doch für viele überraschend.

Hinzu kommen illegale Öllieferungen vom Schwarzmarkt. Hier spielen terroristische Organisationen eine Rolle, insbesondere der Islamische Staat (IS) in Ost-Syrien und in Nordwest-Irak. Der IS finanziert mit seinen Ölverkäufen den Terrorkrieg und Aufbau eines radikalislamischen Staatsgebildes.

Russland besonders betroffen

Wir haben bereits darüber berichtet, wie die tiefen Erdölpreise besonders die Russische Föderation treffen. Die russische Wirtschaft ist auf den Export fossiler Rohstoffe wie Erdgas und Erdöl angewiesen. Es wird bereits offen darüber spekuliert, ob es ein gemeinsames Vorgehen der USA und Saudi-Arabiens gebe, um Russland an seiner wirtschaftlichen Achillesferse zu treffen, wie einst zu Zeiten des Kalten Krieges gegen die Sowjetunion.

Russland gilt nicht nur als geostrategischer Widersacher der USA. Auch die superreichen arabischen Golfstaaten sind auf Moskau nicht gut zu sprechen. Das liegt zum einen an der traditionellen Unterstützung Russlands für das Regime von Bashar al-Assad in Syrien, vor allem aber in den engen Beziehungen Russlands zum Iran. Der Iran wird von den arabischen Golfstaaten politisch, wirtschaftlich und ideologisch-religiös als große Bedrohung empfunden.

Die Folgen für Russland sind schon jetzt spürbar: In Kombination mit den Sanktionen, der geplanten und voranschreitenden Diversifizierung des europäischen Gasmarktes und dem sinkenden Ölpreis hat dies zu einem Fall des Rubels geführt. Russland muss mit empfindlichen Budgetkürzungen in seinem Staatshaushalt rechnen.

»Survival of the fittest«?

Die Londoner Financial Times zitiert in seiner Ausgabe vom letzten Freitag den Analysten Amrita Sen von Energy Aspects mit den Worten: »This is becoming a battle of [who has] the deep pockets and survival of the fittest«. Und Jamie Webster, Analyst bei HIS Energy, kommentiert: »Ich würde es nicht Preiskrieg nennen, aber es ist ein aggressiver Test für US-Schieferöl.« Und: »Es ist ein neuer Schachzug der OPEC.«

In der Tat besteht für Saudi-Arabien, Katar, Kuwait und die Vereinigten Arabien Emirate nun die Möglichkeit, drei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Zum einen werden Syriens Verbündete Russland und Iran geschwächt, zum anderen können sie den Ölboom in den USA auf den Zahn fühlen. Doch inwiefern diese Staaten es sich politisch leisten können, Nordamerikas neuem Förderwunder zu schaden, steht auf einem anderen Blatt.

Fassen wir die wichtigsten Ursachen zusammen: Während über die politischen und geostrategischen Hintergründe weiter spekuliert wird, kann man folgende direkte Ursachen anführen: der starke Kurs bzw. die Deflation des US-Dollars, die wachsende nordamerikanische Ölproduktion dank Fracking und Abbau von Ölsanden, hohe Förderquote in den reichen Golfstaaten, allen voran in Saudi-Arabien, weltweite Energiesparmaßnahmen, langsameres Wirtschaftswachstum in China sowie illegaler Ölverkauf auf dem Schwarzmarkt durch Terroristen wie denen von IS.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: keinUntertan

Eigentlich könnte jetzt China auf Vorrat einkaufen, am besten von Russland. So würden sich beide gegenseitig helfen können. Aber so einfach ist das wohl auch nicht wieder nicht ...

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