Gastbeitrag Hans von Storch und Nico Stehr: Climate and Society

Nico Stehr und Hans von Storch publizieren dieser Tage in englischer Sprache im World Scientific Verlag in Singapur ihr Buch „Climate and Society“.
Das Buch richtet sich an ein internationales Publikum, das an der Geschichte und dem heutigen Forschungsstand der Klimawissenschaft, sowie den politischen Bemühungen durch
eine bestimmte Klimapolitik konkrete Antworten auf die Frage nach dem gesellschaftlichen Umgang mit den Folgen der Klimaerwärmung interessiert ist.

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Es handelt sich um Themen an denen alle Menschen heute und in Zukunft starkes Interesse haben sollten. Später in diesem Jahr, erscheint im Barbara Budrich Verlag unter dem Titel „Klima-Wetter-Mensch“ ein ähnliches Buch von Nico Stehr und Hans von Storch in deutscher Sprache. Übersetzungen in weitere Sprachen sind in Vorbereitung. Wie wir wissen, ist „Klima“ (wieder) in aller Munde – öffentlich geht es gegenwärtig meist um Klimawandel, bzw.die „Klimakatastrophe“, die „Klimarettung“ und ähnliches – weniger öffentlich geht es um den klimatischen Determinismus, der in der Vergangenheit so „elegant“ offensichtliche gesellschaftliche Ungleichheiten in der Welt als klimabedingt zu erklären vermochte.

In der Tat ist Klima eine machtvolle Resource; eine Macht, die uns zu unserem eigenen Vorteil zu angemessem Verhalten zwingt. Solange wir es richtig machen, geht alles gut; dann belohnte und belohnt uns das Klima -- in historischen Zeiten -- mit Regelmäßigkeit und Berechenbarkeit; wenn wir den Signalen aber nicht folgen, ist die Konsequenz Unglück und Verderben - so ein verbreitetes Verständnis. „Die Natur schlägt zurück“, wie es so griffig heißt.

Das Klima zwingt uns zu Änderungen unseres Lebensstils, unseres alltäglichen Verhaltens, z.B. zum Fahrradfahren, zum Einsatz neuartiger Glühlampen, zum Abschalten von standby Funktionen von elektischen Geräten, zum bewußten Umgang mit Fernreisen usw. In der Vergangenheit „zwang“ uns das Klima, den von einem scheinbar angenehmen Klima benachteiligten Menschen zu helfen, den richtigen Weg zu finden, was man heute eher unter Kolonialismus verbucht. „Angenehm“ bedeutet hier: ein tropisches Klima, das ein angeblich sorgloses Leben ermöglicht, und so keine Herausforderung darstellt, eine intellektuell, wirtschaftlich und politisch erfolgreiche Gesellschaften herauszubilden.

Klima dominiert den Diskurs, insbesondere bei uns. Die wirtschaftliche entwickelte Welt versucht den Rest der Welt davon zu überzeugen, dass gegenwärtiger Hunger und Armut irgendwie doch weniger wichtig sind als möglicherweise zusätzlicher Hunger und Armut in der Zukunft, die der Klimawandel vor allem über die weniger entwickelten Regionen bringen wird.

Tatsächlich ist die Welt nicht so eindimensional; das Klima herrscht nicht absolut über uns; es steckt und Grenzen und ermöglicht Perspektiven. So formuliert etwa Wilhelm Lauer in einer Zusammenfassung von Forschungsarbeiten über die Entwicklung auf dem mexikanischen Hochland: "Das Klima ist für die Gestaltung des Schauplatzes, auf dem sich das menschliche Dasein – die Menschheitsgeschichte – abspielt, tatsächlich von Bedeutung, denn es steckt im weitesten Sinne den Rahmen ab, beschränkt Möglichkeiten, setzt Grenzen für das, was auf der Erde geschehen kann, allerdings nicht, was geschieht oder geschehen wird.

Das Klima stellt allenfalls Probleme, die der Mensch zu lösen hat. Ob er sie löst, und wie er sie löst, ist seiner Phantasie, seinem Willen, seiner gestaltenden Aktivität überlassen. Oder in einer Metapher ausgedrückt: Das Klima verfaßt nicht den Text für das Entwicklungsdrama
der Menschheit, es schreibt nicht das Drehbuch des Films, das tut der Mensch allein."

Wir bieten mit unserem Buch eine Kulturgeschichte des „Klimas“. Als zwei Autoren, von denen einer Professor für Kulturwissenschaften (Nico Stehr) und der andere Professor für Meteorologie (Hans von Storch); glauben wir, daß wir die Dualität des Begriffs Klima, d.h. als soziales und als wissenschaftliches Konstrukt, besonders umfassend und kritisch erfassen und darstellen können. Wir haben unser 140-Seiten Buch in vier Kapitel strukturiert; nach einem Überblick über die Entwicklung des wissenschaftlichen Begriffs Klima – das bei den klassischen griechischen Autoren mit Beobachtungen zur Wirkung des Klimas gerade auf die Gesundheit und das Gemüt der Menschen und Gesellschaften begann, im 19 Jahrhundert durch eine geographische zahlenbasierte Buchführung der Klimate der Regionen dieser Welt überging. Mitte des 20.Jahrhunderts wurde Klima von den Meteorologen und Ozeanographen eine “Physik der Atmosphäre bzw. des Ozeans“ konzipiert und begrifflich ausgeformt. Schließlich rückten seit den 1980er Jahren wieder die Wirkungen des Klimas, genauer des Klimawandels, in den Mittelpunkt von Forschung und öffentlichem Diskurs, wobei in diesen Auseinandersetzungen Klimaforscher oder Mediziner ebenso wichtig sind wie Geographen oder Wirtschaftswissenschaftler.

Anschliessend analysieren wir das unveränderliche Klima als Rahmenbedindung menschlichen Handelns – als Jedermanns Umwelterfahrung, als Gegenstand von Wissenschaft und Management, den erklärenden wissenschaftlichen Überbau, warum Klima ist wie es ist, und schließlich den schon erwähnten klimatischen Determinismus, dessen zentrale Aussahe davon ausgeht, dass Mensch und Gesellschaften weitgehend von den
herrschenden klimatischen Bedingiungen mitbestimmt sind. Die Barbaren, die Fremden – waren in den Augen ihrer Gegner eben Barbaren wegen ihres sie benachteiligenden Klimas.

An das statische, berechenbare Klima haben sich die Gesellschaften dieser Welt in historischen Zeiten in der Regel erfolgreich angepaßt; sei es durch technische Entwicklungen, wie beispielsweise den Klimaanlagen oder einer Infrastruktur, die es erlaubt, in einem auskömmlichen Mikroklima zu leben. In vieler Hinsicht ist es dem Menschen deshalb gelungen, sich von den Einflüssen des Klimas zu emanzipieren. Im dritten Abschnitt betrachten wir das Klima als etwas Veränderliches – wobei ideengeschichtlich schon seit mindestens dem 19. Jahrhundert verstanden wurde, daß Klima nicht konstant sei. Dies wurde in wissenschaftlich anspruchsvoller Weise und in einem methodisch auch heute noch anerkannten Vorgehen von dem deutsch-baltischen Klima- und Gletscherforscher Eduard Brückner dokumentiert. Schon damals wurde zwischen temporären
und permantenten Klimaänderungen unterschieden.

Wir rekapitulieren, was naturwissenschaftlich zu natürlichen Klimaschwankungen, die kommen und gehen, gesagt wurde und was zum Thema menschgemachter Klimawandel, der sich über einen längeren Zeitraum entwickelt und bleibt. Wieder geht es um die Dualität von
sozialen und wissenschaftlichen Konstruktionen, von Einfluß der Menschen auf das Klima, vom Klima auf den Menschen.

Permanente, sich durchsetzende klimatische Veränderungen über längere Zeiträume führen dazu, daß die gelungene gesellschaftliche Anpassung an die Rahmenbedingungen des Klimas nicht mehr funktionstüchtig sein wird, so die Sorge; deshalb befürchtet man, das Mensch und Klima sich zunehmend in einem ungleichgewichtigen Zustand finden werden; und diese sich wandelnen Lebensbedingungen letztlich die menschlichen Existenz gefährden, zumindest im Gegensatz zu den Lebensformen, die wir gegenwärtig als existentiell vertretbar interpretieren.

Nicht nur, daß das Klima mit Extremereignissen in neuartiger Intensität und Häufigkeit „zuschlägt“, auch ganzheitlich gesehen ist das System in Unordnung, und wir werden die Leidtragenden sein. Daß diese kulturell konstruierten Vorstellungen wenig mit den naturwissenschaftlichen Erklärungen zu tun haben, tut der gesellschaftlichen Wirkung dieser Überlegungen keinen Abbruch.

Unsere Folgerungen für die gegenwärtige wissenschaftliche und politische Debatte fassen wir in 10 Punkten im unserem des Zeppelin-Manifests zusammen – „Zeppelin-Manifest“ deshalb, weil Nico Stehr an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen am Bodensee lehrt. Demnach haben wir es real mit der Perspektive signifikanter Klimaveränderungen als Folge der fortgesetzten Akkumulation von Treibhausgasen in der Atmosphäre zu tun.
Temperaturen steigen, Meeresspiegel steigt, andere Größen werden vermutlich in einiger Zeit ebenfalls deutliche Änderungen zeigen. Die gegenwärtig geplante Klimapolitik wird diese Veränderungen vermindern können, verlangsamen können, nicht aber verhindern oder gar rückgängig machen. Neben der sicher auch aus anderen Gründen vernünftigen Beschränkung der Emission von klimarelevanten Gasen, entsteht also ein neuer Bedarf an Anpassung an die Klimagefahren. Eine duale Strategie der Beschränkung der Emissionen und der verbesserten Anpassung ist erforderlich – eine Einsicht, für die Hans von Storch noch 2003 nach einem
entsprechenden Interview in der SPIEGEL Vorwürfe des Defaitismus einstecken mußte, ist inzwischen bei den Nachdenklicheren in der Politik und Planung angekommen, obwohl scheinbar immer noch viele glauben, man könne dem Problem mit symbolischen Akten beikommen. Daß es aber auch um eine bessere Anpassung an die gegenwärtigen Klimagefahren geht, das wird gerne weiter übersehen.

Ob das Buch Thesen vertritt? Es ist nicht der Zweck des Buches, handlungsleitende Thesen zu entwickeln. Vielmehr geht es darum, den Gegenstand eines aktuellen Diskurses in seinem gesellschaftlichen Kontext zu sehen, wobei wir hier Wissenschaft als Teil der Kultur der
Gesellschaft sehen. Aufgrund dieser Prämisse kann man abschliessend zwei generelle Thesen formulieren:

Klima ist schon immer ein sozial konstruierter Gegenstand, und unsere Sorgen über das Klima hängen nicht nur mit dem Klima zusammen sondern auch damit, wie wir darüber im Einklang mit unseren sonstigen Vorstellungen und tradierten Wertevorstellungen denken und sprechen.

Der menschgemachte Klimawandel sollte ernst genommen werden, und nicht zu einem allgemeinen Argument der Mensch- und Weltverbesserung mißbraucht werden. Es geht zu allererst um die Steuerung der bzw. Anpassung an veränderliche Wetterstatistik (also das
Klima) und weniger um die Moral.

Von Hans von Storch und Nico Stehr

Stehr, Storch, 2009, "Climate and Society: Climate as Resource, Climate as Risk", Singapur, World Scientific Publishing

(Foto: gnubier/pixelio.de)

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