Forum Demokratie

Für mehr Bürgerbeteiligung in Europa!

Die EU darf nicht zu einem Lobbyismus- und Bürokratiemonster werden. Dagegen schützt nur eine stärkere Beteiligung der Bürger an den politischen Entscheidungsprozessen.

Veröffentlicht:
von

Die Schweizer haben es gut. Sie haben eine direkte Demokratie. Es gibt Bürgerbefragungen und Volksabstimmungen. Politische und gesellschaftliche Entwicklungen halten miteinander Schritt.

In Deutschland ist es anders. Hier gilt das Prinzip der repräsentativen Demokratie. Volksentscheide gibt es selten. Wichtige Fragen, wie die Einführung der Europäischen Währungsunion oder der Bankenrettungsschirm, bis hin zu überflüssigen Aktionismusreformen, wie der Rechtschreibreform, werden von Expertenkommissionen ausgearbeitet und von Politikern verabschiedet. Den Bürgern wird das Ergebnis mittels einer PR-Kampagne verständlich gemacht. Sie müssen schlucken, was ihnen vorgesetzt wird.

Noch weniger demokratisches Mitspracherecht haben die Bürger auf europäischer Ebene. Hier sind die politischen Entscheidungsprozesse nur sehr schwer nachvollziehbar. Nirgendwo sonst in Europa gibt es mehr Lobbyisten als in Brüssel.

Wie wenig die Menschen in Deutschland und Europa in den politischen Prozess einbezogen werden, sah man bei den Entscheidungen zum „Euro-Rettungsschirm“ und sieht man zurzeit bei den strenggeheimen Verhandlungen zur Transatlantischen Freihandelszone TTIP. Lobbyisten und ein paar EU-Politiker ziehen die Strippen. Das Volk darf sich Verschwörungstheorien hingeben, weil die zur gesellschaftlichen Debatte notwenigen Informationen vor der Öffentlichkeit geheim gehalten werden.

Auf einer Veranstaltung des „Forum Demokratie“ sprechen sich Politiker für mehr Bürgerbeteiligung aus

Am 9. April veranstaltete die Bürgerinitiative „Forum Demokratie“ zu diesem Thema eine Podiumsdiskussion im Berliner Hotel Maritim. Gesprächsteilnehmer waren Peter Gauweiler (CSU), Vera Lengsfeld (CDU), Bernd Lucke (AfD) und Christian Dürr (FDP). Moderiert wurde die Veranstaltung von Bettina Röhl. Dietmar Bartsch (Die Linke) hatte abgesagt.

Die ehemalige Bundestagsabgeordnete Vera Lengsfeld setzt sich als Leiterin der Initiative „Bürgerrecht Direkte Demokratie“ seit längerem für mehr bürgerliche Mitbestimmung auf Bundes- und Europaebene ein. Die Initiative entstand als Reaktion auf politische Entscheidungsprozesse, bei denen der Bürgerwille nicht hinreichend berücksichtigt wurde. In diesem Zusammenhang plädiert Frau Lengsfeld für mehr Volksentscheide.

Damit widerspricht Vera Lengsfeld dem Vorurteil, dass basisdemokratische Bewegungen primär ein Markenzeichen linker Parteien und Initiativen seien. Auch im bürgerlichen Lager wollen die Menschen an der Gestaltung der politischen Entwicklungen teilhaben.

Keine zweite Sowjetunion! Kein überbordender EU-Zentralismus!

In ihrer Begrüßungsrede verwies Frau Lengsfeld auf die Bürgerbewegungen in der ehemaligen DDR, die unter dem Motto „Wie sind das Volk!“ zum Sturz des Regimes und zum Fall der Mauer beitrugen.

Vera Lengsfeld wolle vor allem kein Europa, dass in seinem überdimensionalen Zentralismus an die Sowjetunion erinnere, wo der Kreml die politische Marschrichtung für den ganzen Ostblock vorgegeben hatte, ohne dass den einzelnen Marionettenstaaten eine eigenständige Entwicklung möglich gewesen wäre.

Sie verwies auf die ausufernde EU-Bürokratie, die zu einer Gesellschaft geführt hat, in der fast alles nach EU-Richtlinien normiert sein muss, und in der die Mitgliedsländer kaum noch eigenständige Gestaltungsmöglichkeiten haben. Je enger das Korsett der EU-Normen gezogen wird, desto weniger können die Bürger freie Entscheidungen treffen.

EU-Zentralismus erschwert direkte Demokratie

Bemerkenswert ist, dass Peter Gauweiler, Bernd Lucke und Vera Lengsfeld zum Thema Bürgerbeteiligung schnell einen Konsens finden konnten. Dies ist insofern überraschend, da gerade die CDU dafür steht, den repräsentativen Aspekt der bundesdeutschen Demokratie zu betonen und ein offenes Ohr für Lobbyisten zu haben. Der Bundespräsident Gauck wurde in den letzten Jahren nicht müde, die angeblichen Vorteile des repräsentativen Systems zu preisen.

Christian Dürr von der FDP vertrat als einziger vehement den Standpunkt, dass es bereits dem Willen der Bürgerbeteiligung auf europäischer Ebene entgegenkommen würde, wenn man die Einflussmöglichkeiten der Legislative, in diesem Falle des europäischen Parlaments, stärken würde. Im Gegensatz zu den Exekutivinstitutionen der EU hätten die Bürger mittels Wahl immerhin eine Einflussmöglichkeit. Allerdings lässt er unerwähnt, dass auch gerade die EU-Parlamentarier stark vom Lobbyismus beeinflusst sind.

Einen interessanten Aspekt betonte Bernd Lucke (AfD). Elemente der direkten Demokratie könnten, so Lucke sinngemäß, nur auf nationaler oder lokaler Ebene ausgeübt werden. Auf europäischer Ebene hätte dies gar keinen Sinn, da die Interessen der Menschen in den verschiedenen Ländern sich voneinander unterscheiden. Eine sinnvolle Stärkung der Basisdemokratie wäre es demnach, die Einfluss- und Entscheidungsmöglichkeiten der Europäischen Union zugunsten der einzelnen Mitgliedstaaten zu verschieben. Auf nationaler und lokaler Ebene wären Volksbegehren sinnvoll.

Peter Gauweiler gab zu bedenken, dass die Ohnmächtigkeit der Bevölkerung hinsichtlich der europäischen Politik zu einer Wahl- und Politikverdrossenheit geführt habe. Die Menschen, so Gauweiler, hätten mittlerweile das Gefühl, dass es „scheißegal“ sei, wen sie wählen. Er selbst ist innerhalb seiner Partei ein bekannter Kritiker der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Gauweiler betonte auch die Notwendigkeit einer Volksinitiative gegen das geplante Freihandelsabkommen TTIP.

Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte
unterstützen Sie mit einer Spende unsere
unabhängige Berichterstattung.

Abonnieren Sie jetzt hier unseren Newsletter: Newsletter

Kommentare zum Artikel

Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.

Gravatar: H.von Bugenhagen

Na ist denn das..
Das ist ja wie bei Aschenpudel,Politiker machen Schmutz und der Bürger reinigt die Asche.
Möchte doch bitten euren Schmutz selber weg zu fegen ohne Sklaven.Oder wofür bezahlt man euch so Königlich ?

Gravatar: M. Riegel, Hessen

Gerade wieder am vergangenen Sonntagmittag, als in der ARD die 12-Uhr-Politik-Runde lief, ging es u. a. auch um dieses Thema, und was haben die versammelten Redner zum Thema Volksentscheid gemeint: um Gottes willen, das wäre eine sehr gefährliche Angelengeheit. Fragt sich nur, für wen. Für die Posten-Inhaber - gerade die in Brüssel - allemal, müssen sie doch fürchten, ihre überbezahlten Jobs zu verlieren.
Aber mal die Polemik beiseite.
Was mich beim Thema Volksbegehren/-entscheid fasziniert, ist die Frage, ob man dieses einfache Ja-oder-Nein-Antwort-Spiel höher qualifizieren kann, in dem man bei der Option Ja weitere Antwort-Optionen vorgibt; bei der Alternative Nein sehe ich dafür keine Notwendigkeit. Ich weiß leider nicht, ob es sowas schon gibt oder ob es dafür einen Ausdruck gibt. So tief habe ich noch nicht recherchieren können. Aber wer das weiß, der soll mir dies bitte schreiben. Dank im Voraus.
Also noch einmal, was will ich damit sagen? Ich versuche das an einem einfachen Beispiel klar zu machen. Thema: Sollen die regenerativen Energien weiter gefördert werden oder nicht? Entscheidet sich der Befragte für die Antwort Ja, dann soll er künftig weitere Differenzierungen angeboten bekommen, beispielsweise a) ja, aber das Pro bezieht sich nur für die Windernergie oder b) ja, das Pro gilt aber nur für die Sonnenenergie oder c) ja, das Pro gilt aber nur für die Windenergie.
Wie gesagt, das ist nur ein Beispiel. Was wären hiervon die möglichen Vorteile?
Nun, den Widersachern der Volksentscheide könnte man das Argument nehmen, VE wären zu eindimensional und zu einfach. Dadurch, dass ich die Antwortmöglichkeiten weiter ausstatte, gebe ich einerseits dem Bürger die Möglichkeit, seinen Willen von Anfang an konkreter zu formulieren und damit verbunden dem Politiker den Auftrag an die Hand, eben diesen Willen politisch zu verfolgen. Die Qualität einer Volksbefragung ändert sich dadurch meiner Meinung nach. Die erreicht eine höhere Stufe. Sie wird, sagen wir, zu sowas wie einer "qualifizierten Volksbefragung".
Es muss erklärte Ziel aller Demokraten sein, an solch einem Projekt zu arbeiten.

Gravatar: Karin Weber

Der Ablauf in Deutschland ist wie folgt:

In einem Zeitfenster von 12 Stunden kann der mündige Bürger alle 4 Jahre seine Stimme an einen vermeintlichen "Volksvertreter" abtreteten und hat für den Rest der 1459 Tage nichts mehr zu melden. Die Entscheidung zur Vergabe der Vollmacht an den vermeintlichen "Volksvertreter" durch den dann entmündigten Bürgers erfolgt auf der Grundlage von Wahlversprechen und einer zur Wahl sich darstellenden temporären (politischen ) Gesamtlage. Unter Demokratie verstehen hier viele, dass die Mehrheit entscheidet und bedingt durch die 5%-Hürde des Deutschen Bundestages offenbart sich, dass viele Millionen Bürger keine Interessenvertretung im Parlament haben.

Für die Dauer von 4 Jahren hat der vermeintliche "Volksverteter" die unwiderrufliche Generalvollmacht zu Beschließen, was ihm durch den Kopf schießt. Mit den Interessen seiner ehemaligen Wähler muss dies nicht konform laufen und fast ständig erleben wir, wie z.B. Merkel den Kurs vorgibt und von ihren Parteisoldaten (Volksvertreter) per Fraktionszwang umsetzen lässt. Wer da ausschert, verlässt die Kompanie der Parteisoldaten (z.B. Herr Manfred Kolbe).

Im Falle des Putsches in der Ukraine erleben wir, dass die Mehrheit eine andere Meinung als die Regierung hat und auch eine andere Politik wünscht. Das interessiert die aber nicht, denn gewählt ist gewählt. Mit dem Schaden, den die Regierung dort anrichtet, müssen wir aber in Folge leben. Da ja in diesem Lande theoretisch eine Gewaltenteilung existent sein sollte, müsste nun eigentlich eine oder zwei Säulen "korrigerend" eingreifen. Das passiert aber nicht, auch ist das Volk noch ca. 3 Jahre entmündigt und muss sich tatenlos das Possenspiel der Regierung auf der politischen Bühne ansehen. Herr Steinmeier will z.B. wieder irgendwelche Vereinbarungen in Sachen "Ukraine" treffen, aber das die damaligen Vereinbarungen schon von den Putschisten nicht eingehalten wurden, interessiert ihn gar nicht.Ablösen müsste man den Mann, aber wer macht das? Der kann weitermachen.

Man sieht also einmal, wie wichtig das Element der "direkten Demokratie" ist und wie notwendig es z.B. gerade in der jetztigen Situation wäre. Die Folgen der Weichenstellung, die die politische Klasse derzeit vollzieht, müssen die jungen Menschen in diesem Land (ohne das sie die Chance zur Korrektur haben!) eines Tages tragen. Fatal und verantwortungslos, wie ich meine.

Ich persönlich sehe mich für fast 4 Jahre als entmündigte Bürgerin.

Gravatar: Tino Turris

Die Bürger der Schweiz können gegen Behördengallop das Referendum ergreifen. Wenn dem Bürger etwas nicht passt, kann er die Initiative ergreifen (Einzelinitiative). Es gibt das Initiativrecht auch für Parteien und Firmen oder Vereine. Ipso gibt es auch die Standesinitiative (Stand = Kanton). Bürgerbefragungen kennen wir hier nicht. Politik by Umfrage, geht nicht.
Was will ich damit sagen; Politiker werden glaublich bei euch durch den Staat finanziert. Will heissen, die Politiker sind Teil des Systems, wenn ein Politiker mir mit Demokratie daherkommt, werde ich als Schweizer hellhörig und sofort misstrauisch. Sie glauben fälschlicherweise "Schweizer haben es gut", diese Binse insinuiert, das die direkte Demokratie etwas einfaches, so ein dahergeflogenes etwas sei und das ist es nicht, schon gar nicht das unzulässige Verwenden des Begriffes "Vox Populi". Das installieren einer direkten Demokratie in DE oder AT wird so nicht funktionieren. Das ist 1. in eurer Verfassung nicht vorgesehen und 2. euer Geschichtsbuch, das viel mit Volkes Stimme zu tun hat. Wenn DE oder AT die direkte Demokratie einführt, dann können sie mir glauben, wird es einigen eurer Nachbarn kalt den Rücken runterlaufen.

Schreiben Sie einen Kommentar


(erforderlich)

Zum Anfang