Erdogan spielt seine Karten aus

EU am Rockzipfel der Türkei

Die EU wettert gegen Polen und Ungarn. Doch gegen die undemokratischen Entwicklungen in der Türkei vermeidet sie klar Worte. Selbst in den USA trifft dieses Verhalten auf Unverständnis.

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In den USA reibt man sich die Augen. Die EU bejubelt Einigungen mit der Türkei, um die Flüchtlingssituation unter Kontrolle zu bringen. Hierzu hat man sich auf teure Deals eingelassen, die der Regierung in Ankara nützen. Doch gleichzeitig scheint die EU die Augen vor der innenpolitischen Entwicklung in der Türkei zu verschließen.

In der amerikanischen Öffentlichkeit wird diese Entwicklung durchaus wahrgenommen. Warum, so fragt man sich dort, setzt die EU die Türkei nicht stärker unter Druck, um demokratische Reformen anzumahnen und die zunehmende Entwicklung zum autoritären Regime anzuprangern?

Journalisten der New York Times wundern sich
: Der Kontrast war nicht zu übersehen. Nur wenige Tage, nachdem die türkische Polizei mit Tränengas und Wasserwerfern gegen eine regierungskritische Zeitungsredaktion vorgegangen war, wurde der türkische Premierminister Ahmet Davutoglu mit wohligen Worten in Brüssel empfangen. Hilfsprogramme in Milliardenhöhe und Visa-Erleichterungen für türkische Staatsbürger konnte er heraushandeln.

( Schlagwort: GeoAußenPolitik )

Um die Türkei als Partner bei der Bewältigung der größten Flüchtlingskrise seit der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg zu gewinnen, scheinen die Politiker und Administratoren der EU die besorgniserregende Entwicklung in der Türkei hinsichtlich der Menschenrechte und Demokratie zu ignorieren.

Die New York Times bewertet dies als europäische Schwäche. Der türkische Premierminister konnte mehr Finanzhilfen fordern, als ursprünglich angedacht wurden. Dies alles für das Versprechen, einen Teil der Flüchtlinge wieder aufzunehmen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und EU-Ratspräsident Donald Tusk haben die Verhandlungsergebnisse als eine Art Durchbruch gefeiert. Doch selbst in den USA lässt man sich nicht blenden. Ihnen entgeht nicht, wie sehr man in Brüssel, Paris und Berlin die türkische Regierung umschmeichelt.

Die New York Times resümiert: „The refugee crisis […] has significantly shifted the balance of power between Turkey and Europe.“ – „Die Flüchtlingskrise hat signifikant die Machbalance zwischen der Türkei und Europa verschoben“.

Die Entwicklung hat auch im EU-Parlament ihre Kritiker. So zitiert die New York Times eine EU-Parlamentarierin mit der Aussage, dass man ursprünglich die Annäherung der Türkei an die EU mit der Hoffnung verbunden habe, dass sich dort die Menschenrechte und demokratischen Freiheiten verbessern würden. Nun sei diese Hoffnung durch die Einlassungen auf türkische Forderungen enttäuscht.

Es wirkt wie ein Ablasshandel. Hilfst du mir, sehe ich über deine Verfehlungen hinweg. Besorgt sind auch die Kurden in der Türkei. Wenn die EU nicht ein kritisches Auge auf das Verhältnis zwischen türkischer Regierung und kurdischen Minderheiten wirft, wer soll es dann tun?

Was bedeutet der Deal für Angela Merkel?

Die New York Times analysiert die Situation für Angela Merkel folgendermaßen: Die Kanzlerin würde in Deutschland wegen der Flüchtlingskrise und den anstehenden Wahlen selbst zunehmend unter Druck geraten. Auch wenn man in Deutschland anfangs die Flüchtlinge mehrheitlich freundlich empfangen habe, so habe die schiere Anzahl von mehr als einer Million Flüchtlingen allein im Jahre 2015 Sorgen in der Bevölkerung hervorrufen.

Damit ist der Nagel auf den Kopf getroffen. Angela Merkel bleibt bei ihrer Politik des „Wir schaffe das“ ohne Obergrenze. Damit „wir“ es aber wirklich schaffen und sie die Situation wieder unter Kontrolle bringen kann, die sie selbst hat eskalieren lassen, ist die EU darauf angewiesen, der Türkei Zugeständnisse zu machen. Und so muss die Türkei am Ende das tun, was auch Merkel und die EU-Staaten hätten tun können: Die Grenzen sichern. Erdogan weiß, dass die Türkei sich die Hände schmutzig machen soll, damit jene der deutschen Regierung sauber bleiben. Er weiß auch, dass er sich diesen Deal teuer bezahlen lassen kann.

Herausgeber der New York Times erklärten öffentlich ihre Kritik an Erdogans Medienpolitik

Das Editorial Board der New York Times konnte sich nicht zurückhalten, klare Position in Bezug auf Erdogans Medienpolitik zu beziehen. Denn nach der Übernahme der einst regierungskritischen Zeitung „Zaman“, begann dieselbe innerhalb von 48 Stunden nur noch Propaganda für Erdogan zu betreiben.

Bevor die Zeitung übernommen wurde, war sie eine der auflagenstärksten Tageszeitungen in der Türkei und eine der wenigen offen regierungskritischen. Nach einem umstrittenen Gerichtsurteil war die türkische Polizei gegen die Zeitung vorgegangen. Vor der Redaktion verteidigten aufgebrachte Bürger die Zeitung mit den Rufen, dass die freie Presse nicht mundtot gemacht werden könne. Die Polizei vertrieb die Demonstranten mit Tränengas und Wasserkanonen.

Noch am Samstag bevor die Zeitung übernommen wurde, brachte sie Schlagzeilen heraus wie „Die Verfassung ist außer Kraft gesetzt worden“. Doch die Beschlagnahmung der Zeitung ist nur der Gipfel einer weit ausgreifenden Kampagne gegen die freie und unabhängige Presse. Erdogan geht gegen alle vor, die sich gegen ihn aussprechen. So sollen in den letzten 18 Monaten rund 2.000 Gerichtsverfahren gegen Menschen und Zeitungen angestrengt worden seien, die angeblich Erdogan beleidigen. Die Beleidigung des Präsidenten gilt in der Türkei als kriminelle Handlung, die geahndet wird.

Die New York Times stellt besorgt fest: „Die Türkei war einst auf dem Pfad zu einer muslimischen Vorzeigedemokratie. Aber nun scheint es, dass Herr Erdogan wohl niemals an demokratische Prinzipien geglaubt habe. Die Tatsache, dass er das Land immer weiter von diesem Pfad abbringt, lässt ernsthafte Fragen aufkommen, ob die Türkei noch weiterhin ein glaubwürdiges Mitglied der NATO bleiben kann, die einst gegründet wurde als Sicherheitsallianz auf der Basis gemeinsamer Werte.“

Die Tatsache, dass Herr Erdogan die Lage der EU in der Flüchtlingsfrage ausnutze, um immer höhere Geld-Summen und weitere Zusagen der EU zu fordern, sei nach Ansicht des Editorial Boards der New York Times keine Handlungsweise eines glaubwürdigen Alliierten. Erdogans Wende zur Autoritarismus werde weder die Türkei, noch die NATO oder die EU stärken.

Hat die EU sich am Ende erpressbar gemacht?

Es ist offensichtlich: Die EU ist vor Tayyib Recep Erdogan und seiner AKP-geführten Regierung eingeknickt. Während man sich gegenüber Ungarn und Polen, überhaupt gegenüber kleineren EU-Mitgliedsstaaten nicht scheut, klare und mahnende Worte auszusprechen und gegebenenfalls Druck auszuüben, hält man sich gegenüber der Türkei zurück.

Diese Entwicklung ist symptomatisch für die EU-Politik gegenüber vielen islamischen Ländern. Auch gegenüber Saudi-Arabien und den kleinen Golfstaaten glänzt die EU mit Zurückhaltung. Die besagten Länder erkennen diese Schwäche. Sie wissen, dass sie einen Faustpfand haben, sei es Öl, sei es die strategische Lage, seien es die Pipelines für das Erdgas, das die EU braucht, um von Russland unabhängiger zu werden, oder sei es am Ende die Schlüsselposition der Türkei in der Syrien- und Flüchtlingsfrage.

Wieder einmal zeigt sich, dass es bei solchen Verhandlungen weniger um Werte, sondern um die nackte Durchsetzung von Interessen geht. Erdogan beherrscht dieses Spiel. Angela Merkel und die EU haben sich über den Tisch ziehen lassen.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: H.von Bugenhagen

Wir werden Erdogan in Deutschland mit offenen Armen empfangen.
Und ihn zur Sicherheit in Verwahrung nehmen zum Selbstschutz mit Freigang.Deutschland freut sich auf ihn und sponsert auch Ziegen zum schnellen Eingewöhnen.

Gravatar: Mag. Lothar Krist

Dieser EU-Türkei-Deal ist wieder einmal so ganz typisches Gutmenschen-Handeln. Ein "68er-Gutmensch", und seine zwei Klons, die nun am Ruder sind, tun natürlich selbst nie etwas Böses. Doch sie lassen Böses tun, und wenn es denn sein muss, dann bezahlen sie einen Bösen dafür, damit er die Drecksarbeit für sie verrichtet.

Diese 68er-Gutmenschen foltern, vergewaltigen, rauben und morden natürlich nie selbst, doch sie lassen foltern, vergewaltigen, rauben und morden, und wenn es denn sein muss, lassen sie auch massenmorden, siehe Srebrenica, Uganda, usw. Im besten Falle schicken sie eine UNO-Schutztruppe, und sehen dann beim Abschlachten gutmensch-brav zu.

Und wieso kann so Etwas überhaupt erst geschehen?
Nun, weil die Bösen unsere Gutmenschen durchschaut haben. Sie haben keinerlei Angst vor ihnen! Sie wissen es heute schon so ganz gewiss, dass ihnen nichts Böses geschieht!

Sie lassen jeden Tag 40.000 Kinder in der Welt gutmensch-brav verhungern, diese Kinder sind ihnen vollkommen EU, also total wurscht. Doch für das eine Leben eines Serien-Kinder-Schänders "schmeißen sie sich serienweise auf die Schienen".

Ist DAS nicht pervers?

Und sie denken sich nicht einmal etwas dabei! Ja, sie fühlen sich sogar saugut!

Unsere Gutmenschen laden millionen Armutsflüchtlinge aus der ganzen Welt ein, und dann haben sie keine Wohnungen usw für sie, und eine Arbeit schon gar nicht. Also sind diese auf sich gestellten Asylbewerber gezwungen sich das Geld irgendwie illegal und oft auch auf so böse Art und Weise zu beschaffen. Und tausende von ihnen krepieren auf elendige Art auf dem Weg zu uns.

Der Krieg in Syrien war unserer Gutfrau Merkel und all ihren Politiker-KollegInnen in der EU vollkommen EU! Erst als ein Flüchtlingsheer in die EU aufgebrochen ist, sind sie erwacht. Und nun fällt diesem Gutmenschen-Gesindel Nichts ANDERES ein, als einen Massenmörder dafür zu bezahlen, dass er seine Grenzen für diese armen Menschen zu uns dicht macht! Und sie bieten diesem Massenmörder auch noch Beitrittsverhandlungen in die EU an.

Geil! Also gutmenschen-perverser geht es nicht mehr!

Ich weiß ja nicht, vielleicht empfinde ja nur ICH es so?

Nun ja, EU!

Gravatar: Sepp Kneip

Merkel wollte doch in die Annalen eingehen. Das wird sie ganz sicher. Denn sie war es, die Deutschland und Europa an die Türkei verscherbelt hat. Diejenige, die den Imperativ der Humanität bemüht hat, um ihren Willkommenszirkus zu begründen, betreibt jetzt mit Erdogan einen jeder Humanität entbehrenden Menschenhandel, der obendrein von Europa mit Milliardensummen an die Türkei subventioniert werden muss. Ihr Bild in den Geschichtsbüchern wird sicher kein rühmliches sein.

Gravatar: Jovanovic - Kedves

Türkei tritt mimt Füßen alles was mit Demokratie zu tun hat. Erdogan schneidet eigene Gesetze so das er als allein Herscher da ist. Alles was nach Kritik riecht wird vernichtet, entmachtet.Ich verstehe EU Regierung nicht - warum sagen sie nicht klar - So lang keine demokratische Reformen statt finden keine Gespräche über Eintritt.
Erdogan hat in zwischen Zeit alles wofür Kemal Ataturk gekemft hat VERNICHTET.

Gravatar: Bartholomay

Das ist doch aber nun wirklich kein Wunder.Denn wo die Türkei unter Erdogan hinsteuert,will die EU hin.

Gravatar: KritischeStimme

Jahrzentelang sind die EU Politiker ueber die Welt gereist+haben ueberall mit gehobenem Finger gesprochen von Menschenrechten.Jetzt wird die Tuerkei gebeten Fluechtlinge aufzunehmen nachdem die Nato zusammen mit der Tuerkei 5 Jahre lang Terroristen fuer Syrien ausgebildet,finanziert,bewaffnet hat,eine klare Verletzung von internationalem Recht,Art 2 Ziffer 4 UN Charta.Das Resultat viele Terroristengruppen worunter ISIS,12 mio Opfer wovon 250.000 Tote+eine Ueberfuelle von Menschenrechtsverletzungen. Christen inSyrien werden v/d Aufstaendischen Islamisten gejagt.Ein Internationaler Hof kommt nicht inAnspruch fuer diese Staatsoberhaeupte weil der Hof gerade v diesen Laendern bezahlt wird,ein noch nicht reorganisierter VN unter BanKiMoon=auch nicht neutral genug,als bleibt vorlaeufig straffreiheit f die Taeter.
Nach all diesen Ereignissen ist die EU hocherpressbar und es ist empfehlenswert die Abfindungssumme ueber mehrere Raten zu verteilen.Die Tuerkei koennte morgen schon mehr Geld fordern

Gravatar: KritischeStimme

Das heisst einfach das der Fluechtlingstrom von der Tuerkei gesteuert wurde um EU unter Druck zu setzen.
Anscheinend ist die angebotene Bezahlung nicht hoch genug.Die EU ist in ihrem eigenen Schwert gefallen,indem sie zusammen mit USA+Israel vor 5 Jahren den syrischen Krieg gestartet hatte,der ueber die Nachbarlaender Tuerkei+Jordanien geleitet wurde um fuer EU Buerger unsichtbar zu bleiben.Jetzt wird die EU einfach erpresst von der Tuerkei und kann nichts dagegen unternehmen ohne international als Kriegstreiber im Dienst von USA dargestellt zu werden

Gravatar: Klaus Kolbe

Der türkische „Merkel Plan“ – eine Showveranstaltung auf hohem Niveau

Unser gestriger Artikel „Der Flüchtlingsgipfel von Wolkenkuckucksheim“ hat erfreulich viele konstruktive Leserzuschriften hervorgebracht. Interessant für alle Leser sind dabei sicher vor allem die ergänzenden Informationen zur Entstehungsgeschichte des „1-für-1-Plans“. Offiziell ist dieser Plan ja ein „überraschender“ Vorstoß des türkischen Premiers Davutoğlu. „Türkisch“ ist an diesem Plan jedoch überhaupt nichts, fußt er doch 1:1 auf einem Strategiepapier mit dem schönen Namen „Merkel Plan“. Der „Merkel Plan“ wurde übrigens nicht, wie der Name suggeriert, von der deutschen Regierung, sondern von der ESI, einem internationalen Think Tank, entworfen, das von zahlreichen europäischen und amerikanischen Regierungen, NGOs und Think Tanks, wie beispielsweise der Stiftung Mercator, George Soros’ Open Society Institute, dem Rockefeller Brothers Fund und dem German Marshall Funds finanziert wird. Honi soit qui mal y pense, ein Schuft, wer Böses dabei denkt. Von Jens Berger.

Mehr dazu hier:

http://www.nachdenkseiten.de/?p=31998

Gravatar: Karl Becker

Es ist nur noch pervers, wie sich Merkel und EU-Teile verhalten.
Warum? Wieso?
Ban Ki Moon lobt Merkels Politik (Versagen ) über die Maßen.
Dafür bekommt er den Großdeutschen Verdienstorden.
Ruhesitz in der UN wird angedacht.

Was da im Hintergrund abläuft, ist für mich ersichtlich.
Wir, und Europa, werden den AMI-Intrigen geopfert.

Gravatar: D.Eppendorfer

Bisher glaubte ich alle diese albernen EU- und BRD-Witzfiguren aus dem USA-Marionetten-Theater-Fundus immer nur auf Befehl aus Washington zappeln zu sehen, nun aber haben wohl auch einige Türkenchefs genug Fäden in der Hand, um eine neue Europa-Kasperle-Tragikomödie aufzuführen.

Man schämt sich nur noch für solche erbärmlichen Volksvertreter und somit für solch ein erbärmliches Volk.

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