Energiewende: Angie im Wunderland

Veröffentlicht:
von

CDU-Programm unter der Lupe: Energiewende (Teil 5)

Freizeitparks sind eine echte Alternative zum Kirmesbesuch. Man zahlt nur einmal Eintritt und darf dann alle Geräte beliebig oft nutzen. Doch auch für Unternehmen kann der Betrieb solcher Anlagen rentabel sein. Entscheidend ist natürlich, dass die Höhe der Anfangsinvestition richtig gewählt wurde. In Deutschland befindet sich der Park mit dem massivsten Kapitaleinsatz zweifellos in Kalkar. 3,6 Milliarden Euro wurden dort verbaut. Dafür bietet das Gelände seinen Besuchern aber auch alles, was das Herz begehrt: Attraktionen wie das beliebte „Demolition Derby“, einen Kühlturm mit Kletterwand und Familienhotels mit köstlichem Büffet. Dass die Hummer dort sogar drei Scheren haben, ist zwar nur ein Gerücht. Dennoch stellt das „Kernwasser Wunderland“, wie es bis vor kurzem hieß, die sinnvolle Weiternutzung einer Industriebrache dar. Und wer braucht schon „Schnelle Brüter“.

Natürlich hat die seit den achtziger Jahren grassierende Anti-Atom-Stimmung auch ihre Schattenseiten. CDU und CSU bringen es in ihrem Wahlprogramm auf den Punkt: „Fast nirgends in Europa ist Energie so teuer wie in Deutschland. Das ist das Ergebnis von ideologischer Energiepolitik. Das belastet die privaten Haushalte, erhöht die Produktionskosten, kostet Arbeitsplätze und beschleunigt die De-Industrialisierung. Der Ausstieg aus der Kernenergie ist umweltpolitisch und auch technologisch verheerend. Die dadurch aufgerissene Stromversorgungslücke in Deutschland kann nur mit zusätzlichen fossilen Kraftwerken und mehr schädlichen CO2-Emissionen geschlossen werden. Dies widerspricht fundamental den Klimaschutzzielen. Er bedroht zudem die deutsche kerntechnische Industrie, bislang technologisches Aushängeschild Deutschlands mit großem Exportpotenzial“. Nun ist dieser Text zwar schon acht Jahre alt, denn er entstammt dem Wahlprogramm für 2005. Aber Wahrheit ist nun einmal zeitlos.

Denn die Energiepreisanalyse stimmt nach wie vor: Während eine Kilowattstunde Strom in Deutschland rund 26,8 Cent kostet, sind es im Durchschnitt der EU lediglich 19,7 Cent. Auch in zeitlicher Perspektive sieht es kaum besser aus: Musste ein Drei-Personen-Haushalt zur Jahrhundertwende nur gut tausend Euro pro Jahr für Energie aufbringen, sind es inzwischen fünfzig Prozent mehr. Allein die Stromkosten privater Haushalte haben sich seit dem Jahr 2000 fast verdoppelt.

Grund hierfür ist in der Tat eine ideologische Energiepolitik. Dabei handelt es sich eigentlich um die Ideologie der anderen. Noch 2009 war die Kernenergie für CDU und CSU ein „vorerst unverzichtbarer Teil in einem ausgewogenen Energiemix“. Zwischenzeitlich hat die Union jedoch vor der öffentlichen Meinung kapituliert. Ausschlaggebend hierfür war ein Erdbeben der Stärke Neun mit anschließendem Tsunami vor der Küste Japans. Aus diesem Naturereignis wurde in der medialen Betrachtung ein Atomunfall, der mit dem Tod von 16.000 Menschen einherging. Dieser Zusammenhang stimmt zwar nicht, ist aber trotzdem der Ausgangspunkt für Merkels „Energiewende“.

Hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die privaten Haushalte besteht diese vor allem in einer gigantischen Umverteilung „von unten nach oben“. Eigentümer von Solardächern und Biogasanlagen wurden allein im letzten Jahr mit siebzehn Milliarden Euro subventioniert. Der überwiegende Teil derjenigen, die diese Summe aufbringen müssen, sind Mieter. Diese will die Union künftig durch den Aufbau von „intelligenten Netzen“ entlasten, damit sie den Strom dann verbrauchen, „wenn er kostengünstig angeboten wird“. In Zukunft ist es dann wohl der Strompreis, der den Lebensrhythmus bestimmt. Ferner möchten CDU und CSU „die Rahmenbedingungen so gestalten, dass sich für private Anleger Investitionen in klimafreundliche Projekte“ lohnen. Aber das war ja bisher eigentlich auch schon so. Wer vor fünf Jahren 50.000 Euro in Conergy-Aktien investiert hat, kann heute vom Erlös die ganze Familie ins Kernwasser-Wunderland einladen. So würde sich der Kreis bereits schließen.

Doch halt, die Union hat 2005 ja auch noch vor den Konsequenzen erhöhter Produktionskosten gewarnt. Hier geht es um eine Million Arbeitsplätze in energieintensiven Branchen, die sich im Unterschied zu vielen Windkraftjobs von selber tragen. An dieser Stelle befinden sich CDU und CSU in einer Zwickmühle: Würden sie die betroffenen Unternehmen in die EEG-Umlage einbeziehen, wäre dies mit einer Kostensteigerung von fünf Milliarden Euro verbunden. So würde ein wesentlicher Wettbewerbsvorteil Deutschlands, nämlich der produktive Einsatz des Faktors Kapital, erheblich geschmälert. Dies würde den Rationalisierungsdruck verstärken und Betriebsverlagerungen ins Ausland attraktiver machen. Daher hat sich die Union für die Alternative entschieden, also für den Fortbestand der Mehrbelastung privater Haushalte. Man wolle energieintensive „Unternehmen auch künftig zielgenau entlasten, um Nachteile durch unterschiedliche internationale Rahmenbedingungen“ auszugleichen, heißt dies in der Sprache des Wahlprogramms.

Wir bauen uns kein Atomkraftwerk

Quasi zum Ausgleich schädigt man die heimische Wettbewerbsfähigkeit an anderer Stelle. Im Gegensatz dazu, was die Mehrheit der Bundesbürger vermutet, steigt nämlich keineswegs die ganze Welt aus der Kernkraft aus. Wenn die Union nach der Wahl die „Idee eines ‚Clubs der Energiewendestaaten‘“ umsetzen will, wird das zumindest auf der Basis des deutschen Vereinsrechts nicht möglich sein. Denn dieses verlangt sieben Gründungsmitglieder. Tatsächlich planen jedoch fast alle industrialisierten Staaten den Bau neuer Kernkraftwerke, darunter auch Nachbarländer wie Frankreich und Polen. Insgesamt zweihundert neue AKW dürften so in den nächsten Jahren neu entstehen. Deutsches Know-how kommt dabei allerdings kaum noch zum Einsatz, weshalb unser Sonderweg bei der Atomenergie in der Tat auch „technologisch verheerend“ ist.

Dennoch soll die Bundesrepublik vom globalen Ausbau der Kernkraft profitieren: „Schwankungen in der Stromerzeugung können besser ausgeglichen werden, wenn Strom ungehindert über die Grenzen fließen kann", ruft die Union nach Importerleichterungen. „Für den europäischen Stromaustausch brauchen wir genügend und vor allem leistungsfähige Grenzkuppelstellen zwischen den einzelnen Ländern". Und so entsteht ein unsichtbares Band auch quer durch Deutschland, von Cattenom bis Temelin.

Bleibt noch die Feststellung aus dem Wahlprogramm zu Merkels erster Kanzlerkandidatur, dass ein Ausstieg aus der Kernenergie auch unter ökologischem Aspekt verfehlt wäre. Heute sieht die Union dieses Thema verständlicherweise in einem milderen Licht: „Bis das Zusammenspiel von erneuerbaren Energien, Netzen und Speichertechnik in einigen Jahrzehnten unsere Energieversorgung sichern kann, benötigen wir moderne Kohle- und Gaskraftwerke, um Schwankungen bei den erneuerbaren Energien wirksam auszugleichen“, führt der aktuelle Programmtext aus und verweist dabei auch auf „die heimische Braunkohle". Dass sich das Problem so kaum lösen lässt, offenbart die Statistik zum Kohlendioxidausstoß 2012. Während europaweit ein Rückgang zu verzeichnen ist, steigt das Volumen in Deutschland wieder an. Daher bleibt als Letztes nur noch, das Licht auszumachen: „Jede Kilowattstunde, die nicht verbraucht wird, muss gar nicht erst erzeugt werden“, weiß die Union. Das zumindest leuchtet ein.

Drill, Angie, drill!

Bei CDU und CSU geht man davon aus, mit dem Atomausstieg den Streitpunkt Energiepolitik endgültig „abgeräumt“ zu haben. Mit diesem Begriff bezeichnet man parteiintern die Übernahme und Neuetikettierung rot-grüner Positionen mit dem Ziel, auf diese Weise die politische Angriffsfläche zu vermindern. Doch diese Kalkulation geht nur selten auf. Denn das gegnerische Lager schiebt einfach ein neues, ebenso emotionalisiert wie sachfremd diskutiertes Thema nach. Gute Chancen auf die Nachfolge des Atomtods hat offenbar das Fracking. Es könnte ein neuer Anfang sein, würde sich die Union dieser Frage mit dem gebotenen Ernst annehmen und sich um eine hysteriebefreite Debatte bemühen.

Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte
unterstützen Sie mit einer Spende unsere
unabhängige Berichterstattung.

Abonnieren Sie jetzt hier unseren Newsletter: Newsletter

Kommentare zum Artikel

Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.

Gravatar: Udo Stemmer

Dr. Georg Alfes Veröffentlicht am 27.08.2013 - 09:38 Uhr
„Der Ausstieg aus der Kernenergie ist umweltpolitisch und auch technologisch verheerend. Die dadurch aufgerissene Stromversorgungslücke in Deutschland kann nur mit zusätzlichen fossilen Kraftwerken und mehr schädlichen CO2-Emissionen geschlossen werden.“

Die Aussage ist aber nicht korrekt von Herr Dr. Georg Alfes.

Der CO2 Ausstoß, je kWh ging von 1990 von ca. 763 g/kWh zurück auf ca. 537 g/kWh 2017.


Quelle Umweltbundesamt:
https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/376/bilder/entwicklung_der_spezifischen_kohlendioxid-emissionen_des_deutschen_strommix_1990-2016.png


#


Dr. Georg Alfes Veröffentlicht am 27.08.2013 - 09:38 Uhr
„Tatsächlich planen jedoch fast alle industrialisierten Staaten den Bau neuer Kernkraftwerke, darunter auch Nachbarländer wie Frankreich und Polen. Insgesamt zweihundert neue AKW dürften so in den nächsten Jahren neu entstehen.“

Michael Ziefle schreibt am 28.08.2013 - 10:54
„Sie dürfen gerne im Internet, am besten in englischer Sprache, suchen, nach neuen und geplanten Kernkraftwerken. Dann werden Sie feststellen, dass der Kommentator des Berichtes keine Unwahrheit geschrieben hat.“

Tatsächlich sind Herr Dr. Georg Alfes und Herr Michael Ziefle ,
gerade mal ca. 17 GW neu an das Netz gegangen, weltweit und bei den Erneuerbaren über 1000 GW an Leistung.


Quelle IAEA:
https://www.iaea.org/PRIS/WorldStatistics/WorldTrendNuclearPowerCapacity.aspx

#

Michael Ziefle schreibt am 28.08.2013 - 10:54
„Zudem gibt es Reaktoren, bei denen eine Kernschmelze nicht mehr eintreten kann,“

Haben das die AKW-Jungs in Japan nicht jahrzehntelang behauptet das alles sicher ist ?????

MfG

Gravatar: Wilfried.schuler

Lieber Herr Ziefle,

ich bin Dipl. Ing. Chemische Verfahrenstechnik. 50 Jahre Berufserfahrung in der Industrie.
Und ich weiß worüber ich rede. Ich halte das Gros der Grünen für Spinner.
Empfänglich für Märchen scheinen eher Sie. Reaktoren die ihren Abfall verbrennen? Was haben Sie denn studiert? Jedenfalls keine "harte" Naturwissenschaft.

Herzliche Grüße

W.Schuler

Gravatar: Jürgen Feye

Als Landwirt und Milcherzeuger aus dem Raum Oldenburg möchte ich zum Thema Biogasanlagen ergänzen: Jedes Kind weiß, dass im Kreis Cloppenburg mehr als ausreichend Gülle und Mist für die Flächen vorhanden war. Mit der Förderung von Biogasanlagen sind hier zusätzlich künstlich erzeugte 23% Biogasgülle hinzugekommen. Die sollte man den verantwortlichen Politikern vor die Haustür kippen.
Der Durchschnittslandwirt in diesem Gebiet hat dadurch bei Pachtende Zusatzkosten von mehreren 10.000€/Jahr.
Biogasproduktion ist das Gegenteil von ökologischer Landwirtschaft, aber die Grünen gewinnen damit Wahlen. Die anderen etablierten Parteien decken das.
Leider hat keiner richtig Ahnung von diesem Thema. Fragen zur Landwirtschaft in Weser-Ems? moorhof.feye@ewetel.net

Gravatar: Michael Ziefle

Sehr geehrter Herr Schuler,
ja, ja, in einer Generation Fukushima, seien Sie froh, dann leben Sie ja nicht mehr.
Und lassen Sie sich nicht immer, blenden von der Deutschen Anti Atom Mafia. Sie dürfen gerne im Internet, am besten in englischer Sprache, suchen, nach neuen und geplanten Kernkraftwerken. Dann werden Sie feststellen, dass der Kommentator des Berichtes keine Unwahrheit geschrieben hat.
Was veranlasst Sie zu der Frage ob der Dr. Alfes Physik oder Chemie studiert hat?
Haben Sie denn Kernphysik studiert, oder eher, wie die meisten Anti Atomkraft Befürworter Soziologie oder sonst eine weiche Geisteswissenschaft. Oder sind Sie nur die letzten Jahrzehnte erfolgreich ideologisch indoktriniert worden, von unserer überwiegend gleichgeschalteten Presse, wie die meisten Deutschen. In der Propaganda waren die Deutschen neben der Technik auch immer führend.
Ach ja und selbst in Hiroshima und Nagasaki leben Menschen, die nicht mehr oder weniger Krebs haben als in anderen japanischen Städten und das bei Atombomben, nur eine Generation später.
Zudem gibt es Reaktoren, bei denen eine Kernschmelze nicht mehr eintreten kann, die sogar den Atommüll "entsorgen können", was Ihre Windmühlen nicht können. Aber es gibt Menschen, die möchten einfach keine Problemlösung um andere immer wieder darauf hinweisen zu können, wohin mit dem Endlager, sozusagen ein beliebtes Totschlagargument. Aber das unterstelle ich Ihnen nicht.

Gravatar: Wilfried Schuler

Billigste Kernkraftpropaganda. Warten Sie erst mal ab bis in einer Generation alle Folgen von Fukushima auf dem Tisch liegen. Und finanzwirtschaftlich ist die Kernkraft auch eine Katastrophe. Das wird nur unter den Teppich gekehrt. Woher haben Sie übrigens die Information, dass in den nächsten Jahren hunderte neue Kernkraftwerke enstehen werden?
Geschätzter Herr Dr. Alfes, in welcher Disziplin haben Sie denn promoviert? Chemie oder Physik kann das nicht gewesen sein. Ich tippe auf Jura.
Fazit: Wenn man nichts zu sagen weiß, einfach schweigen.

Schreiben Sie einen Kommentar


(erforderlich)

Zum Anfang