Unerwünschtes Wissen über Pegida

Diskussion über Patzelts »Akionsforschung«

Alles jault, einer erklärt: Werner Patzelt kennt Pegida wie kein anderer Wissenschaftler. Das hat ihm den Vorwurf der Parteinahme eingebracht. Doch der Professor aus Dresden wehrt sich – mit Argumenten.

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Als die Republik für einige Wochen in Pegida-Panik verharrte, gab es einen Mann, der immer wieder Rationalität in die Debatte zu bringen versuchte, indem er das Phänomen Pegida zu erklären versuchte: Werner Patzelt, Professor für Politikwissenschaft an der TU Dresden. Doch für dieses verdienstvolle Engagement haben einige seiner Studenten und Kollegen wenig Verständnis.

Zuerst hatten Studenten Flugblätter an der Universität verteilt, auf denen Patzelt vorgeworfen wurde, »in der gesamten Pegida-Debatte mehr politischer Akteur denn Wissenschaftler« zu sein. Alsbald legte Patzelts Kollege Mark Arenhövel und mehrere wissenschaftliche Mitarbeiter in einer öffentlichen Stellungnahme nach, in der sie sich gegen verschiedene Patzelt zugeschriebene Vorwürfe zur Wehr setzen. Patzelt selbst informierten sie offensichtlich nicht, er erfuhr davon von einem Journalisten.

Die Verfasser schreiben: »Wer für Weltoffenheit und Toleranz auf die Straße geht, betreibt keine Feindbildpflege, ist mitnichten ›hysterisch‹ und sieht nicht reflexhaft nur Rechtsextremisten und Faschisten bei Pegida mitlaufen.« Des weiteren weise man die Unterstellung zurück, »dass Pegida-kritische Demonstrationen für eine Zuspitzung der politischen Atmosphäre in Dresden verantwortlich seien.« Problematisch sei aber doch eher die »deutliche Zunahme an Übergriffen auf Migrant_innen und Flüchtlinge«, zu bekämpfen man anzutreten habe. »Als Politikwissenschaftler_innen sehen wir uns täglich in der Pflicht, Diskriminierungen auch in Form des bürgerlichen Engagements entgegenzutreten.«

Patzelt hat auf die Anwürfe souverän, also ganz professoral, dem Auftrag eines Hochschullehrers gemäß reagiert: Er geht auf seiner FB-Seite auf die Argumente ein, wobei er indes »teils große Missverständnisse meiner Haltung« und »Vorhaltungen, über die man durchaus unterschiedlicher Ansicht sein kann« entdeckte, über die er aber gerne diskutieren wolle. »Letzteres gehört einfach zum freien politischen Diskurs, wird so von mir den Politikwissenschaftsstudierenden auch gelehrt und ist somit in keiner Weise ein Problem, sondern nur ein willkommener Anlass zu vertiefender Kommunikation.«

Dass Patzelt wie kein zweiter berufen ist, Pegida zu erklären, wird aus seinen weiteren Ausführungen zu seiner wissenschaftlichen Methode deutlich. Er und seine Studenten beobachteten die Montagsspaziergänge seit Oktober; dabei sei man auch mit den Teilnehmern ins Gespräch gekommen, wie er erläutert. Auf der Basis wechselseitigen Vertrauens sei es ihm auch gelungen, die Konfrontationshaltung abzubauen und zu einer zivilen Auseinandersetzung zu finden.

Dieses Verhalten – forschen und zugleich Einfluss nehmen auf den Gegenstand der Forschung – rechtfertigt Patzelt mit Bezug auf den üblichen Methodenkanon der Sozialwissenschaften: »Durch Forschung über ein besseres Verständnis von sozialen und politischen Phänomenen hinaus zu deren konkreter Verbesserung beizutragen, ist übrigens nichts Neues oder Absonderliches. Es nennt sich, im Jargon der Sozialwissenschaften, ganz einfach ›Aktionsforschung‹ – und die galt, bis sie aus der Mode kam, als eine Domäne gerade der Linken. Lustig, wie sich die Zeiten und Denkhorizonte ändern …«

Patzelt hat gut lachen. Denn er ist Professor, und über ihm ist nur noch der liebe Gott. Er kann (fast) alles machen, was er will, und keiner kann ihm etwas anhaben. Doch was Patzelt lustig findet, ist natürlich nicht lustig. Sondern die Kritik an ihm und seiner wissenschaftlichen Arbeit offenbart, wie weit verbreitet die Ansicht ist, man dürfe, gar müsse Andersdenkenden den Mund verbieten, wenn deren Meinung nicht in den politischen Mainstream passt. Auch an deutschen Universitäten. Besonders bedenklich an dem Vorgang ist, dass es weder den Studenten noch den Dozenten Zweifel an der Legitimität ihres Versuchs gekommen ist.

Man kann nur hoffen, dass sich Patzelt auch weiterhin das Forschen nicht verbieten lässt. Seine Untersuchungsergebnisse will er möglichst bald – vermutlich gleich in der nächsten Woche – der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: p.feldmann

Patzel ist einer der ganz wenigen, denen man zum Thema Pegida als ernstzunehmendes Phänomen überhaupt zuhören kann.
Dass die TU Dresden als Institution leider mainstr.-gekapert ist, belegen sowohl die messianischen Anwürfe seiner "Kollegen" wie die Tatsache, dass die Studenten der TU über den internen mail-Verteiler zur Teilnahme an den Anti-demos dringend aufgefordert wurden!
Letztlich bestätigt o.g. Zitat seiner Kollegen -"»Als Politikwissenschaftler_innen sehen wir uns täglich in der Pflicht, Diskriminierungen auch in Form des bürgerlichen Engagements entgegenzutreten.«"- das allgem. Resentiment gg. Politologie als weltanschaulich gebundene Gesinnungs"wissenschaft".
Die Position Patzels in so einem Haufen braucht eben jenen Mut, den der Grossteil der Lehrendenu. d. Gesellschaft nicht aufbringt. Sie "unterwerfen"sich ungefragt im voraus.

Gravatar: Karin Weber

Ich rege an, dass Herr Patzelt mal zum Thema "Feindbilder erschaffen, eigene Fehler verschweigen" forscht. Eine solche Forschungsarbeit könnte parteiübergreifend erstellt werden und wäre zum Zwecke der Dokumentation der derzeitigen politischen Kultur später mal ein wichtiges historisches Zeitdokument.

Gravatar: Helena

Entschuldigung, ägerlicher Fehler, habe leider den Namen falsch geschrieben und ein "t " vergessen. Es soll natürlich Professor Patzelt heißen.

Gravatar: Markus Estermeier

@ Frau Karin Weber

Danke für Ihre Kommentare. Es ist immer ein Genuß diese zu lesen.

Mit freundlichen Grüßen
Markus Estermeier

Gravatar: Olaf

Es ist erschreckend, was hier ,in "D. ",abgeht"!
Und, ich nehme mich da nicht aus, denn ich habe zuerst gedacht, daß diese Leute "total aus dem Gleis laufen". Aber ein gesundes Misstrauen hat mich vor voreiligen Schlüssen bewahrt. Nachlesen, sondieren, Meinung bilden. Um es auf den Punkt zu bringen- fiel mir SCHON WIEDER der Spruch von Napoleon ein; ..."Es gibt kein gutmütigeres, aber auch kein leichtgläubigeres Volk als das deutsche. Zwiespalt brauchte ich unter ihnen nie zu säen.

Ich brauchte nur meine Netze auszuspannen, dann liefen sie wie ein scheues Wild hinein. Untereinander haben sie sich gewürgt, und sie meinten ihre Pflicht zu tun. Törichter ist kein anderes Volk auf Erden.

Keine Lüge kann grob genug ersonnen werden: die Deutschen glauben sie. Um eine Parole, die man ihnen gab, verfolgten sie ihre Landsleute mit größerer Erbitterung als ihre wirklichen Feinde." ... aus : EuropeNews 12 Juli 2012 Viele Grüße O.Heppner

Gravatar: Eberhard Schulz

Werte Frau Weber,
ich habe mich nun doch zu einer Anmeldung durchgerungen auch um mich einfach mal bei Ihnen zu bedanken für Ihre vernünftigen und logischen Äußerungen.
Ja das waren noch Zeiten des Studiums an dieser Technischen Universität Dresden.
Zulassung zum Studium der "Technischen Kybernetik" nur mit Eignungsprüfung.
Damals war es noch eine Technische Universität halt nur mit dem Ballast des Faches Marxismus/Leninismus.
Und heute: Politikforschung und anderem absonderlichen (zumindest technisch gesehen) Müll. Einschließlich westimportierter Kader.
Nun gut, mir persönlich sind die Lehren aus dem ML wenigstens soviel wert, daß ich die Wende 1989 richtig einordnen kann und den wider die Vernunft, Ideologiefreiheit, wider Pegida und AfD agierenden bolschewistischen Faschismus in Deutschland samt seiner Auftraggeber und Nutznießer erkenne und mir vor selbigem graut.

Gravatar: Helena

Möchte noch mal mein Kompliment und meinen Respekt für Professor Pazelt zum Ausdruck bringen. Habe hier und in anderen Medien die Beträge /Statements von Professor Pazelt rund um das Thema Demokratie und Pegida gelesen. Seine wissenschaftliche Methodik, objektive Vorgehensweise und sachliche Analyse ist vorbildlich. Da hebt sich der Qualitätswissenschaftler im besten Sinne deutlich von denen ab die ganz unwissenschaftlich Sozialwissenschaften/Politikwissenschaften missbrauchen um ihren eigenen Vorurteile/Mainstreammeinungen zu bestätigen. Das gibts ja leider auch viel zu oft so wie Churchill schon sagte : glaube keiner Statistik die du nicht selbst gefälscht hast.
Parolen Papageien mit gleichgeschalteter NurEineMeinung ,die nach dem Motto "Und willst du nicht mein Bruder sein, so schlag ich dir den Schädel ein" vorgehen sind Gift für Demokratie.
Richtig gelebte Demokratie braucht sachliche, offene, ehrliche Debatten und Streitkultur ohne Scheuklappen, Vorurteile, ideologische Verdächtigungen jeglicher Art , damit man im sachlichen Diskurs die Lösung für wirkliche Probleme findet, das Miteinander in der Gesellschaft auch miteinander gestaltet, fest verankert auf dem Boden unserer Verfassung.

Gravatar: Karin Weber

Generell habe ich bei dem Begriff "Forscher" mittlerweile nicht mehr nur Bauchschmerzen. Nicht das ich anzweifle, dass es so was nicht gibt, aber mit Verweis auf die "Genderforschung" hat sich doch die gesamte Wissenschaft selbst diskreditiert und sollte erst einmal in den eigenen Reihen Ordnung schaffen, ehe man Dritten versucht die Welt zu erklären. Wir leben nämlich im Zeitalter der Studien, der Lohnstudien wohlgemerkt. Wer etwas für seine Argumentation brauch, bestellt eine lohngeschreiberte Studie und erhält prompt das, was er erwartet. Man kann das vergleichen mit einem Familienrichter, der von einem Gutachter genau das kriegt, was er gegen den Kindesvater brauch. Stumm wirken beide zusammen.

Bei Pegida brauch keiner zu forschen. Die Bürger der Bundesrepublik sind einfach unzufrieden mit der Politik der herrschenden Klasse. So einfach ist das. In Deutschland ist es aber nun mal üblich alles zu untersuchen. Statt z.B. den kaputten Dachziegel auszutauschen, wird untersucht,
- warum er kaputt ist,
- ob der beim Nachbarn auch kaputt ist,
- was passieren würde, wenn es schneien, regnen und die Sonne scheinen würde,
- ob der eigentlich länger hätte halten müssen,
- welche Maßnahmen man ergreifen könnte, damit es erst einmal nicht mehr reinregnet,
- was passieren würde, wenn man vorerst keine Maßnahmen ergreifen würde,
- ob der Wechsel mit dem Grundgesetz vereinbar ist,
- ob sich Minderheiten diskriminiert fühlen könnten
und wie viel das letztlich kosten könnte.

Man versteht als Deutsche hier die Welt nicht mehr. Aufgabe der Politik wäre es doch, auf diese Protestbewegung zuzugehen, sich mit denen zu unterhalten und - so berechtigt - Abhilfe zu schaffen. Dies notfalls eben auch mit einer direkten Bürgerbefragung. Insofern verstehe ich das Anfertigen von irgendwelchen Studien sowieso nicht, denn wenn die Politik - und Beispiele wie Gauck, Merkel, Maas, Fahimi & Co gibt's ja genug - gar nicht gewillt ist, sich mit den Bürgern zu unterhalten, dann brauch man auch keine Studien und Forschungsarbeiten.

Das gravierendste Phänomen innerhalb der politischen Landschaft Deutschlands ist, dass eine Diskussion über bestimmte Themen grundsätzlich nicht mehr ergebnisoffen ist. Meist meint dabei eine Minderheit die Deutungs- und Argumentationshoheit zu besitzen. Und genau dieses Vorbeten, dieses Aufdrücken u. Unterdrücken von Meinungen treibt doch die Bürger erst wieder auf die Straße. Die Ossis mit ihren Kenntnissen der SED- und Stasi-Vergangenheit noch eher, als die Bürger der vormals alten Bundesländer.

Gravatar: AndreasSchneider

Teile einer TU verhalten sich nicht neutral:" ...Als Mitarbeiter_innen der TU Dresden begrüßen wir die Entscheidung des Senats unserer Universität, der alle Mitglieder der Universität dazu aufgerufen hat, sich diesem breiten Bündnis anzuschließen. ..." Toll Senat der TU Dresden, häng' doch allen richtig Gesinnten an der TU einen Orden, auf dem "Exzellenter Gutmensch" draufsteht, um! (Bestimmt findet das Gremium auch noch eine beknackte geschlechtsneutrale Form...) ...
Als öff. Stelle und Bedienstete einer öff. Stelle sollte man sich zurückhalten, nicht auf eine Seite schlagen und nicht Partei ergreifen. Klar ist es BESCHEUERT in Dresden für PEGIDA zu demonstrieren, genauso bescheuert, wie wenn man in Schwarzheide gegen Chanel demonstrieren wollte. Eine politische Meinung kann man aber auch und sollte sie als Amtsträger für sich behalten... Die Aktionen aus der Uni heraus, sich in Amtsträgereigenschaft für Gegenbewegungen von PEGIDA einzusetzen, finde ich grundfalsch. Wenn Teile der TU als Wissenschaftseinrichtung nicht neutral bleiben, sondern Tendenzbetrieb werden wollen, sollten diese Wichtigtuer incl. Rektor den Arbeitsplatz wechseln und zu Parteien, Gewerkschaften, Friedr.-Ebert-, Heinrich-Böll-, Rosa-Luxemburg-Stiftung oder nach Nordkorea gehen... Ohne Neutralität gibt es auch keinen erkenntnistheoretischen Betrieb an der Uni. Was haben die Verantwortlichen an der TU Dresden eigentlich für ein Selbstbild....

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