»Europäischer Salon« in der Robert-Bosch-Stiftung

Diskussion über europäische Werte und ihre Durchsetzung

Ob es europäische Werte überhaupt gibt, darüber herrschte bei einer Podiumsdiskussion keine Einigkeit. Aber durchsetzen wollte man sie. Das Thema »Populismus« wurde nur am Rande gestreift.

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Junge Leute mit Entscheidungsträgern – also Politikern, Wissenschaftlern und Medienvertretern – in einen Austausch über Europa zu bringen ist die selbstgestellte Aufgabe des »Europäischen Salons« der Robert-Bosch-Stiftung, der gestern zum ersten Mal abgehalten wurde. Vornehmlich studentisches Publikum hatte sich eingefunden, um den Ausführungen des Podiums zum Thema »Nationaler Populismus – Europäische Öffentlichkeit – Europäische Werte?« zu lauschen.

Was ist Populismus? Was sind europäische Werte?

Justizkommissarin Viviane Reding hatte nicht kommen können, weshalb sie nur in einer Videobotschaft zu sehen und zu hören war. Darin kündigte sie für nächstes Jahr wichtige Entscheidungen an, die EU solle demokratischer und transparenter machen sollten. Auch angesichts der Finanzkrise sei es jetzt nötig, den Menschen die Vorteile der EU zu vermitteln. So könne man in allen Ländern der EU frei studieren, auch die Roaming-Gebühren seien abgeschafft worden. Über diese und andere Vorteile solle man bitteschön mit der Bevölkerung ins Gespräch kommen.

Redings Hinweis auf die Roaming-Gebühren fand Christoph Möllers, der an der Humboldt-Universität zu Berlin Öffentliches Recht lehrt, allerdings – populistisch. Er fragte darüber hinausgehend, ob es überhaupt eine Grenze zwischen Demokratie und Populismus geben könne, ob die, wenn sie denn existiert, nicht notwendigerweise unscharf sein müsse. Da es in Europa keine Übereinstimmung über die Werte, auf denen das ganze Gebilde beruht, gebe, möge man sich in Bescheidenheit und Demut üben und so genannte populistischen Phänomene nicht arrogant beurteilen. Aber was Populismus eigentlich ist, wurde von keinem der Anwesenden weiter ausgeführt.

Ungeachtet des Möllersschen Hinweises auf die Uneinigkeit in der Wertefrage verständigte man sich dann aber doch über die europäischen Werte. Dabei verwies man vor allem auf Artikel 2 des EU-Vertrages, in dem von der »Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören« die Rede ist.

Westerwelles Grundwerteinitiative als Lückenschluss

Als Beispielfall diente dem Podium Ungarn, wo Viktor Orbán mit Zweidrittelmehrheit regiert und mit seinen innenpolitischen Entscheidungen seit geraumer Zeit heftige Kritik aus dem Ausland einstecken muss. Daniel Fazekas, Gründer von »Milla – eine Million für die Pressefreiheit«, berichtete von seinen Erfahrungen und von der Stimmungslage der Ungarn, die sich von Orbán und der politischen Klasse ihres Landes überhaupt nicht vertreten fühlen: Sie setzen große Hoffnungen in die EU-Kommission und wünschen sich mehr Interventionen.

Doch durchsetzen kann die EU die in Artikel 2 skizzierten europäischen Werte in der Regel nicht. Schließlich gibt es als Rechtsgrundlage lediglich Artikel 7 des EU-Vertrages, dessen Hürden offensichtlich unüberwindbar hoch sind. Die Kommission muss sich deshalb auf die Rolle des Schiedsrichters beschränken, aber auch um glaubwürdig zu bleiben, meinte Michael Link (noch FDP-MdB), Staatsminister im Auswärtigen Amt. Zwar sehe das EU-Recht Sanktionen gegen einzelne Mitgliedsländer vor, doch bis es dazu komme, vergehe viel Zeit. Deshalb unterstütze er die von Deutschland, Dänemark, Finnland und Holland auf den Weg gebrachte Rechtsstaatsinitiative, die die Lücke zwischen den Artikeln 2 und 7 füllen soll.

Diese Initiative fand auch bei den anderen Diskutanten Unterstützung. Sie würde den Rat stärken, indem sie ihm das Recht erteilte, auf politische Fehlentwicklungen in einem Mitgliedsland hinzuweisen und im Rat darüber zu diskutieren. Gunther Krichbaum (CDU-MdB) rief die Fälle Rumäniens, Bulgariens und Kroatiens in Erinnerung, in denen die Parlamente in flagranter Weise die Verpflichtung auf die Grundwerte nach Beitritt zur EU wieder loswerden wollten. In diesem Zusammenhang sprach er davon, dass es keine Innenpolitik der einzelnen Länder mehr gebe, weil dort überall EU-Bürger wohnten.

Die Risiken angewandter Theorie in der Praxis

In der Praxis sieht das alles natürlich durchaus anders aus. Beklagt wurden doppelte Standards, die an die einzelnen Länder angelegt würden. Frankreich etwa würde anders behandelt als Ungarn, wie Möllers anmerkte. Und Deutschland könne Außenpolitik nicht in derselben Art betreiben wie die USA, die wegen ihrer Tradition und wegen ihrer militärischen Stärke ganz andere Möglichkeiten hätten, ergänzte Krichbaum. Deshalb müsse jede Regierung vor allem hinter den Kulissen wirken. Andere Regierungen an den Pranger zu stellen, sei langfristig nicht zu empfehlen, weil man auf vielen Gebieten aufeinander angewiesen sei.

Am Ende blieb die Veranstaltung hinter den Erwartungen zurück, die sie selbst geweckt hatte. Über das, was in der Publizistik unter »Populismus« verbucht wird, erfuhr man nichts. Die britische UKIP wurde zwar erwähnt, aber das war auch schon alles. Auch in der Wertefrage kam man über den Bezug auf Artikel 2 des EU-Vertrages nicht hinaus. Deshalb blieb auch das Gespräch über Sanktionen von entsprechenden Verstößen auf einer eher abstrakten Ebene. Doch auch wenn die Grundrechtsinitiative Westerwelles einer gewissen Plausibilität nicht entbehrt, kommt es darauf an, wie sie gefüllt wird. Hier sind Manipulationen Tür und Tor geöffnet, aber die wurden nicht thematisiert.

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