Ukraine-Krise

Die Welt spielt russisches Roulette

Politik und Medien sind von Sinnen. Seit Monaten läuft die mediale Aufrüstung auf Hochtouren. Russland und der Westen werfen sich gegenseitig Kriegsvorbereitungen vor. Eskaliert die Krise zum Krieg?

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Die Wahrheit werden uns vielleicht die Historiker verraten – in 50 Jahren. Bis dahin wird die Öffentlichkeit in eine Medienschlacht hineingezogen, in der alle Seiten sich gegenseitig der Propaganda und Kriegsvorbereitungen bezichtigen. Die Hektik der Schlagzeilen lässt keinen Raum für mahnende Worte der Deeskalation.

Die Zeitungen und Nachrichtenmagazine bedienen sich altbewährter Methoden. Der Trick, alle Schlagzeilen auf eine Person zu fokussieren, damit selbige als Projektionsfläche für Schuldzuweisen fungiert, ist so alt wie der professionelle Journalismus. Und eigentlich von jedem Schulkind zu durchschauen. Doch die Medienmacht setzt auf Masse.

Wenn die Mehrzahl aller Zeitungen und Fernsehsender gleichgeschaltet ist, wird beim Endkonsumenten früher oder später die Botschaft hängen bleiben. Das nennt man „Agenda Setting“.

Westliche Propaganda – russische Propaganda

Die Medienbotschaft dieser Monate ist simpel: Putin ist schuld. An allem. Er habe den Imperialismus des 19. Jahrhunderts wiederbelebt und bedrohe den Frieden Europas. Wie einst die gesamte Medienwelt geschlossen Saddam Hussein bekämpfte und ihn als zweiten Hitler darstellte, so werden heute gegen Wladimir Putin schwere Geschütze aufgefahren. Auf den Medienkrieg gegen Hussein folgte der militärische Sturm auf den Irak. Nach dieser Logik dürfte zu erwarten sein, dass die Drohkulisse gegen Russland nicht nur der Drohung dient. Die Geschichte lehrt uns, dass den Worten oftmals Taten folgen. Nur diesmal haben wir es mit einer tatsächlichen Atommacht zu tun.

Die russischen Medien schießen zurück. Der Westen liefert ihnen genügend Munition: Denn die altbekannten Vordenker der US-amerikanischen Außenpolitik wie Henry Kissinger und Zbigniew Brzezinski und viele plaudernde US-Politiker wie beispielsweise der Präsidentschaftskandidat Mitt Romney, der Russland offen als größten Feind Amerikas bezeichnete, und schließlich die zahllosen Kommentatoren im US-Fernsehen, sie alle nehmen kein Blatt vor dem Mund, wenn es darum geht, ihre Vorbehalte gegenüber Russland zum Ausdruck zu bringen.

All das wird im Kreml registriert und per TV den russischen Zuschauern brühwarm zum Abendprogramm präsentiert. Gewürzt mit Verschwörungstheorien, wird der Eindruck verschärft, der Westen plane einen baldigen heißen Krieg, um die Ziele des alten Kalten Krieges endgültig zu vollenden.

Wer eine Botschaft permanent wiederholt, meint es ernst

In den USA sind die Mehrzahl aller Zeitungen, Nachrichtenmagazine, Fernsehsender, Radiostationen und Großverlage in der Hand von nur fünf Großkonzernen. „Corporate America“ beherrscht die Meinungen des 300-Millionen-Volkes zwischen LA und NYC.

Auch in Russland ist ein großer Teil der Medien gleichgeschaltet. Der Kreml hält die Zügel der Informationspolitik fest in der Hand. Meinungsfreiheit und kritischer Journalismus sind in Russland nur bedingt gewährt.

Wenn Medienmächte ihre Feindbildbotschaften permanent wiederholen, dann ist damit zu rechnen, dass die Bevölkerung auf einen größeren Konflikt vorbereitet werden soll. Doch nicht alle Medienkonsumenten nehmen diese Botschaften unkritisch hin.

Europaweit nehmen aufmerksame Bürger besorgniserregende Anzeichen war: endlos lange Güterzüge, die mit Panzertransporten durch Österreich nach Osten rollen, Truppenbewegungen Rumäniens in Richtung Nordostgrenze, US-Militärberater bei Manövern in Moldawien, US-Privatarmeen in der östlichen Ukraine, ganz zu schweigen von der nervösen Stimmung in Polen, Estland, Lettland und Litauen als Reaktionen auf die russischen Truppenbewegungen innerhalb der Russischen Föderation. All dies sieht nicht nach Frieden aus.

Verfolgt man die Berichterstattung in den russischen Medien wie Russia Today oder РОССИЯ über einen längeren Zeitraum und vergleicht diese mit der Berichterstattung auf CNN, NBC, FOXNews bis hin zur New York Times, dann ergeben sich zwei konträre Bilder der Lage:

Die russische Perspektive: Der Westen hat sich gegen Russland verschworen

In Russland befürchtet man Kriegsvorbereitungen des Westens, um entweder Russland zu schwächen oder nach dem Zusammenbruch der UdSSR den endgültigen Gnadenstoß zu versetzen. Dabei beruft man sich auf redselige „Falken“ in der US-Politik.

Folgende Motive werden für die aggressive Politik der USA diskutiert:

Zunächst wird auf die Finanzprobleme der USA hingewiesen. Die USA sind hoch verschuldet. Die Alleinstellung des US-Petrodollars als Weltleitwährung ist gefährdet. Weil die BRICS-Staaten sich zu einer unabhängigen Macht entwickeln, eine eigene Entwicklungsbank auf den Weg gebracht haben und den US-Dollar beim Rohstoffhandel zunehmend durch andere Währungen ersetzen, wird eine aggressivere US-Politik befürchtet.

Dann gibt es die Rüstungsindustrie. Vor dem militärisch-industriellen Komplex hatte schon Ex-US-Präsident Eisenhower gewarnt. Nach dem Ende des Kalten Krieges wurde der US-Verteidigungsetat nicht abgesenkt, sondern von Jahr zu Jahr erheblich erhöht. Erst nach der Finanzkrise und aufgrund der schlechten US-Haushaltslage sind Einschränkungen geplant. Nun brauchen die „Falken“ der US-Administration und die US-Rüstungsindustrie neue Argumente für eine Aufstockung der Rüstungsausgaben. Dazu benötigt man ein neues Feindbild und gegebenenfalls einen neuen Krieg.

Schließlich werden noch die US-Energiewirtschaft, die Öl- und Gaskonzerne genannt. Die USA wollen die Epoche der „Energy Independence“ einläuten. Dazu sollen die nordamerikanischen nicht-konventionellen Öl- und Erdgasvorkommen ausgebeutet werden. Doch der Abbau von Ölsanden und die Fracking-Gasförderung sind teuer. Wenn andere Staaten beides billiger produzieren und verkaufen können, kann nichts exportiert werden. Daher soll Europa von den russischen Ressourcen abgeschnitten werden. Noch besser wäre es allerdings, wenn die russischen Ressourcen den internationalen Konzernen zum Raubbau zur freien Verfügung stünden.

Begrenztes Zeitfenster für Krieg?

Solange China und Russland in ihren Bestrebungen, ihre Militärs aufzustocken und zu modernisieren, noch nicht weit vorangeschritten sind, und solange die osteuropäischen Staaten den Schutz des Westens suchen, würden westliche Strategen, so die russische Befürchtung, ein Zeitfenster für einen Militärschlag sehen.

Washington würde eine militärische Konfrontation riskieren, weil zunächst die angrenzenden Staaten der ehemaligen Sowjetunion und in zweiter Linie die europäischen NATO-Staaten betroffen wären. Es wäre ein europäischer Krieg – Amerika liegt weit weg. Weiterhin, so das unterstellte Kalkül, würde Russland es nicht wagen, den Konflikt gegen die USA nuklear auszuweiten, weil der amerikanische Gegenschlag die Vernichtung Russlands zur Folge hätte.

Um dieser Logik entgegenzutreten, haben russische Fernsehkommentatoren und selbst Wladimir Putin höchstpersönlich immer wieder darauf hingewiesen, dass Russland eine Atommacht sei und kein Land es wagen würde, es anzugreifen.

Die westliche Perspektive: Putin riskiert Krieg für seine imperialistischen Großmachtträume

Die mediale Darstellung im Westen zeichnet ein düsteres Bild von der Politik Wladimir Putins. Zu Recht wird auf den Mangel an Demokratie, die Verfolgung Oppositioneller, das Verschwinden von kritischen Journalisten, die Machtkonzentration im Kreml und auf die militärische Aufrüstung der Russischen Föderation hingewiesen.

Nach der Annektierung der Krim wird nun befürchtet, dass Russland einen Korridor durch die Ostukraine schaffen möchte, um die Krim auf dem Landwege strategisch und infrastrukturell an das russische Mutterland anzuschließen.

Durch die endgültige Westorientierung der Ukraine könnte, so eine weitere Befürchtung, Putin motiviert sein, zu retten, was zu retten ist. Durch die Abspaltung der Krim und möglicherweise des Donbass würde eine Angliederung dieser Gebiete an die NATO verhindert werden.

Waldimir Putin hat in seinen vielen Reden und Interviews mehrfach wiederholt, dass er sein Land als Schutzmacht für die russischen Minderheiten in den ehemaligen Sowjetrepubliken versteht. Dies wird in Staaten wie Estland, Litauen, Lettland und in der Ukraine als Drohung verstanden. Sie befürchten Interventionen Russlands unter dem Vorwand des Schutzes russischer Minderheiten.

Barack Obama hat in seiner jüngsten Rede im estnischen Tallinn betont, die NATO werde eine gewaltsame Angliederung der baltischen Staaten an Russland, wie damals unter Stalin, niemals zulassen.

Wollen wir wirklich beim russischen Roulette mitspielen?

Noch ist nicht klar, welche Seite wie viel Schaum schlägt, oder ob wir uns tatsächlich auf einen größeren Konflikt oder gar Krieg hinbewegen. Falls die mediale Schlammschlacht am Ende übertrieben war, haben wir uns umsonst aufgeregt. Falls jedoch der Medienkrieg tatsächlich die Vorbereitung auf einen verschärften Wirtschafts- oder gar militärischen Krieg zwischen dem Westen und Russland hinführt, wäre es höchste Zeit für den Frieden aufzustehen.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Monika

Sie sprechen mir aus der Seele. Ist doch einfach zu begreifen. Wer's nicht begreift will es scheinbar einfach nicht begreifen!!

Gravatar: MAX

Politische und mediale Demenz in Deutschland,
und wir bezahlen diesen Schwachsinn der Kommentatoren
mit zwangsfinanzierten Gebühren.
Wo ist denn das BVG , wenn es um den öffentlich rechtlichen Auftrag der
zwangsfinanzierten Medien geht.
Wo bleibt die neutrale Berichterstattung dieser Hetzsender,
die als Sprachrohr einer bestimmten Machtgruppe dienen.

Gravatar: Paul Mittelsdorf

Ich sehe die Ukraine nicht als "Vorhof" von Russland an. Wenn Mexiko - so absurd Ihr Beispiel auch ist - der Russischen Föderation beitreten wollte, dann wäre ich der Meinung, daß das die Amerikaner nichts angeht.

Gravatar: Paul Mittelsdorf

Sie lassen zwar sehr viele, sehr wichtige "Kleinigkeiten" außer Acht, was die Krim betrifft, aber sei es drum. Ich habe das Gefühl, daß Sie an Argumenten nicht interessiert sind und hier Ihrem Haß auf den "Westen", worin auch immer dieser begründet liegt, freien Lauf lassen. Das Sie damit einem Menschen wie Putin, dem Menschenrechte vollkommen egal sind, zu Munde reden, nehmen Sie in Kauf. Ansonsten hätten Sie wohl registriert, daß russische Truppen auf der Krim noch vor dem Volksentscheid ukrainische Stützpunkte eingenommen hatten. Daß es dabei nicht zum Krieg gekommen ist, ist allein der Tatsache zu schulden, daß sich die Ukrainer nicht gewehrt haben. Ich bin eigentlich ein Freund von Volksentscheiden. Und ich denke, es wäre nicht das Schlechteste für die Ukraine, wenn es einen zum Westen strebenden Westteil und einen zu Russland strebenden Ostteil gäbe. Das sollen aber die Ukrainer unter sich ausmachen - wie die Engländer und Schotten gerade - ohne Einmischung von russischen Soldaten. Sie stören die russischen Soldaten nicht - na ja, da haben wir eben andere Auffassungen von Freiheit.

Gravatar: Christian

Glückwunsch an die Redaktion!
Ein hervorragender und seltener (da ausgewogener) Artikel. Danke. Sehr lesenswert.

Gravatar: Sven Wennmann

Die Kommentare zeigen eine klare Tendenz gegen die antirussische Kriegshetze. Aus aktuellem Anlass sollte man auch anmerken, dass die AfD Sachsen ihr
gutes Wahlresultat erzielte, nachdem sich Spitzenkandidatin Petry deutlich und
öffentlich vom russlandfeindlichen Abstimmungsverhalten des Parteivorsitzenden
Lucke und der meisten anderen AfD-Vertreter im EU-Parlament distanziert hatte. Die entsprechende, auf der Homepage
der AfD veröffentlichte Erklärung kam von Petry sowie von den Spitzenkandidaten für
Brandenburg und Thüringen. Mittlerweile wird auch für diese beiden Länder von einem sicheren Einzug der AfD in die Parlamente ausgegangen. Vorsichtig kann man wohl die
Schlussfolgerung ziehen, dass die Stimmung an der Basis des konservativ-freiheitlichen
Lagers sich eher gegen den Kriegskurs des Westens richtet.

Etwas, dass bei dem ganzen der näheren Betrachtuing bedarf, sind die Atomwaffen. Eine
direkte militärische Konfrontation zwischen NATO und Russland würde vermutlich
zu deren Einsatz führen - so viel ist klar. Die Frage ist: Was denken die Kriegstreiber
an den Schaltstellen der Macht im Westen also vor allem in den USA? Denkt man,
Russland würden keine Interkontinentalraketen auf die USA abfeuern, wenn
die NATO taktische Atomwaffen auf russischem Gebiet zur Anwendung brächte?
Hier gibt es viele Unwägbarkeiten - nicht zuletzt die Effektivität des amerikanischen Raketenabwehrschirms, wie er sich zur Zeit darbietet. Hierzu würde man sich genauere
Analysen aus der Feder von Militärexperten wünschen.

Gravatar: Mathias B.

Mittelhoff: Sie wagen es, Ihre Kritiker als minderbemittelt zu bezeichnen, weil diese nicht Ihrer bornierten, antirussischen Meinung folgen? Damit sind Sie zwar im Unrecht aber in guter Gesellschaft mit (un)verantwortlichen deutschen Medienmachern.
Haben Sie am Donnerstag Beckmann gesehen? Da konnte man deutlich sehen und hoeren, wie kriegsgeil deutsche Mainstream-Journalisten offenbar sind. Wie sehr diese Herren der alten Kalter-Kriegs-Rhetorik verhaftet sind, wurde schon klar, als einer von denen staendig Sowjetunion statt Russland sagte und dann frech und unwidersprochen behauptete, dass das ja eh keinen Unterschied mache. Sie, Mittelhoff, meinen, Russland haette in der Ukraine keine Interessensgebiete und dort nichts zu suchen. So etwas können wirklich nur voellig Geschichtsvergessene behaupten und solche, die geopolitische von militaerischen gefolgte Schandtaten der USA und der Nato in den letzten Jahrzehnten ausblenden. Putin muss als der grosse Popanz herhalten. Der sog. Westen und Sie als typischer, politisch unmuendiger Nachplapperer von US-Interessen in Osteuropa, sollten sich gescheiter um seine/Ihre verkorkste Finanz-und EU-Politik und die Bekaempfung des Islams in den eigenen Staaten kuemmern anstatt alte Feindbilder im Osten zu suchen und zu pflegen. Was glauben Sie, hat eine USA in der Ukraine verloren, unmittelbar vor der Haustür der Russen und sogar in deren Vorzimmer?! Nichts, aber auch gar nichts!

Gravatar: Karin Weber

Wa schreiben Sie nur für einen Unfug? Niemand hat die Krim annektiert. RIchtig ist, dass dieses Gebiet sich in freier Abstimmung von der Ukraine gelöst hat. Danach wurde Russland gebeten, diew Ukraine beitreten zu lassen. Das würde geprüft und dann vollzogen. So wie damals bei der DDR .. oder wollen Sie etwa auch behaupten, der Osten wäre annektiert?

Wissen Sie, wir haben Russen etc. in unserer Firma und die sind da ganz locker. Tenor: "Lasst sie doch, wenn es ihr Wunsch ist, dann sollen sie das tun?" Der Westen hat scheinbar ein Problem damit, dass die Bürger dort ihr Recht auf Entscheidungsfreiheit wahrnehmen. Die Krim hat durch den schnellen Beitritt und Putins Handeln Glück gehabt, denn solcherart Bürgerkrieg und Pogrom wie in der Ost-UA sind denen erspart geblieben.

Nicht Putin ist der Böse, sonder der hinterfotzige und gierige Westen, der alle Signale auf Krieg stellt. Aber lesen Sie weiter bei Friede und bewerfen sich mit BILD-Dung. Lesen Sie lieber mal hier und verfolgen Sie die Links.

http://donbassfront.livejournal.com/#post-donbassfront-19556

Gravatar: herb

Seit einigen Jahren besteht der Wunsch der Ukraine der NATO beizutreten. Kleines Gedankenspiel: Mexiko möchte gerne der Russischen Föderation beitreten, wie würden die USA reagieren?

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