Hoffnungen der Exportwirtschaft

Die Tücken des chinesischen Absatzmarktes

Als Produktionsland hat China die Welt verändert. Doch die westlichen Hoffnungen, dort neue Absatzmärkte zu erschließen, wurden oft enttäuscht, weil für Chinesen ausländische Produkte zu teuer sind.

Foto: Gohnarch / Wikimedia Commons / CC BY-SA 3.0 (Ausschnitt)
Veröffentlicht:
von

Weihnachten steht vor der Tür. Viele Kinder werden unter dem Tannenbaum ihre Geschenke auspacken und sich über neue Spielsachen freuen. Auf den meisten Spielzeugartikeln wird „Made in China“ stehen. Diese Herkunftsangabe steht gleichermaßen für Hoffnungen und Enttäuschungen der westlichen Industrie. Denn Chinas wirtschaftliche Öffnung hat sich als Einbahnstraße herausgestellt. Gerade am Beispiel der Spielzeugindustrie lässt sich das hervorragend erläutern.

Hoffnungen und Enttäuschungen

Die Öffnung Chinas für den westlichen Absatzmarkt hatte zwei große Hoffnungen geweckt. Die eine Hoffnung war, die weltweit vertriebenen Produkte noch billiger herstellen zu können, als es bereits in Korea, Taiwan und Hongkong möglich war. Diese Hoffnung wurde erfüllt. Tausende Unternehmen aus aller Welt verlagerten ihre Fabriken in die Volksrepublik China. Das Reich der Mitte wurde zur Werkbank der Welt.

Die andere Hoffnung war, einen neuen Absatzmarkt zu gewinnen. 1,4 Milliarden Chinesen, die hungrig auf westlichen Lebensstandard sind: Was für eine Chance für den Verkauf westlicher Waren! Diese Hoffnung wurde größtenteils nicht erfüllt. Für viele Unternehmen, die ihre Produkte in Asien auf den Markt bringen wollten, war die Öffnung eine Enttäuschung.

Wie kam es dazu, dass China zur globalen Werkbank wurde?

Um die Situation zu verstehen, ist es wichtig, zu den Ursprüngen zurückzugehen. In den 1970er Jahren hatte sich Hongkong mit der Herstellung von billigen Plastikprodukten einen Namen gemacht. Die geringen Steuern, Zölle und niedrigen Arbeitskosten hatten die britische Kronkolonie zur industriellen Massenindustriestätte werden lassen, in der günstige Produkte für den europäischen und amerikanischen Markt produziert wurden. Die Herstellungskosten waren so gering, dass sich sogar der weite Transport über den Ozean noch rechnete.

1978 begann unter dem chinesischen Paramount-Leader Deng Xiaoping die Öffnung zum Westen. In kleinen Schritten sollten kapitalistische Enklaven im kommunistischen China entstehen. Ziel war es, wie in einem Versuchslabor in speziellen Sonderwirtschaftszonen die Möglichkeiten eines kontrollierten Kapitalismus auszutesten. Vorbild hierbei war Hongkong.

Die wichtigsten Sonderwirtschaftszonen entstanden daher nicht weit entfernt von Hongkong. Beispielsweise Shenzhen: Die Stadt liegt direkt gegenüber der ehemaligen Kronkolonie am Perlflussdelta. 1978 hatte Shenzhen so viel Einwohner wie Mannheim. Heute sind es 13 Millionen.

Wie ging der Übergang vonstatten? Die Produktion wurde von Hongkong nach Shenzhen und anderen chinesischen Sonderwirtschaftszonen ausgelagert. Hongkong – und später auch Taiwan, Korea und Japan – machten mit China das, was der Westen zuvor mit Hongkong gemacht hatte. Man suchte einen möglichst billigen Produktionsstandort. Hongkong selbst entwickelte sich dadurch von einer Industrie- und Handelsstadt zu einer reinen Handels- und Finanzmetropole. China fungierte als Hinterland.

Dem Vorbild Hongkongs folgten schnell zahlreiche europäische, japanische und amerikanische Unternehmen. Amerikanische Mode-Turnschuhe, Spielsachen, Computer, Mobiltelefone, Küchengeräte – kaum eine Branche blieb von der Entwicklung unberührt.

Chinas Wirtschaftsdynamik am Paradebeispiel Spielzeug

Warum ist es so schwer, auf dem chinesischen Markt Fuß zu fassen? Die Problematik lässt sich hervorragend am Beispiel der Spielzeugindustrie beschreiben. Kaum eine andere Sparte ist so stark von den Verschiebungen der Produktionsstätten betroffen.

Noch in den 1950er Jahren war Spielzeug in Europa rar. Kinder bekamen selbst zu Zeiten des Wirtschaftswunders weitaus weniger Spielsachen, als ihre Altersgenossen heutzutage. Ein echter Fußball war in Deutschland nach dem WM-Sieg von 1954 ein begehrtes Weihnachtsgeschenk. Dazu kamen Karl-May-Bücher, Zinnsoldaten und Metallautos. Doch unterm Strich war von 1945 bis 1960 der Gabentisch bescheiden.

In den 1960er und 1970er Jahren änderte sich dieser Umstand rasant. Grund hierfür war ein tiefgreifender Wandel in der Petrochemie. Es wurden immer neue Verfahren entwickelt, um aus Erdölprodukten Kunststoffe wie Plastik herzustellen. Und billiges Plastik war der Grundstoff der Spielzeuginflation. Seit den 1960er Jahren überfluteten Plastikprodukte den Spielzeugmarkt. Sie waren billiger und somit für jedermann bezahlbar. Für die Kinder war das ein Grund zur Freude. Der Gabentisch wurde von Jahr zu Jahr immer reicher.

Besonders günstiges Plastik- und Gummispielzeug kam aus Asien. Damals war „Made in Hong Kong“ auf vielen günstigen Spielsachen zu lesen. Die Spielzeugindustrie war eine der ersten, die in den 1980er Jahren von Hongkong auf das chinesische Festland ausgelagert wurde. Von da an stand „Made in China“ auf den Spielsachen.

Für europäische Spielzeughersteller taten sich Chancen und Gefahren auf. Nach und nach verlagerten Spielzeughersteller ihre Produktion nach China. So konnten sie auf dem westlichen Markt besser konkurrieren, weil ihre Produkte billiger waren.

Doch mit der Produktionsverschiebung war eine Tücke verbunden. Geradezu alles, was man in China produzieren ließ, wurde dort gnadenlos kopiert. Wer seine Produkte in China herstellen ließ, um billiger zu sein, schuf sich früher oder später noch billigere Konkurrenz aus China selbst.

Damit hatte man sich gleich doppelt ins eigene Knie geschossen. Einerseits war es unmöglich, auf dem chinesischen Markt westliche Spielzeugprodukte zu verkaufen, weil sie dort zu teuer sind. Andererseits hatte man aber chinesische Produkte auf dem europäischen und amerikanischen Markt gelockt, wo es ebenfalls zu Preiskämpfen gekommen ist.

Dies ist der Grund, weshalb sich Spielzeughersteller in Europa vor die Wahl gestellt sehen: Entweder man wagt es, am Preisrennen teilzunehmen, und ist somit gezwungen, sich an chinesischen Produktionsverhältnissen zu orientieren. Oder man setzt auf Qualität.

Diese Entwicklung kann heutzutage jeder selbst beobachten. Alles, was man tun muss, ist die Spielzeugangebote in chinesischen und europäischen Kaufhäusern zu vergleichen. In Deutschland beispielsweise gibt es zwei Kategorien: zum einen die teuren Qualitätsspielzeuge, die größtenteils in Europa produziert sind, wie etwa Playmobil, zum anderen die wesentlich billigeren No-Name-Produkte aus Asien, die oftmals von wesentlich schlechterer Qualität sind.

Europäische Expats in China können dies bestätigen: Es ist extrem schwierig, in chinesischen Kaufhäusern, Supermärten oder Shopping-Malls westliches Spielzeug „Made in Germany“ zu bekommen. Stattdessen gibt es allerlei Kopien. Statt Lego gibt es dort beispielsweise die Bauklötze von Ban Bao, die es mittlerweile auch in Deutschland zu kaufen gibt. Originales Lego in China zu kaufen, ist nach wie vor schwierig.

Lego will nun allerdings etwas versuchen, was bisher kein Spielzeughersteller geschafft hat, nämlich die billigen Kopien im Land der Kopierer zu überrunden. Dafür wird ein Teil der Produktion nach China ausgelagert – und im Gegenzug ein Teil der Arbeitsplätze in Dänemark reduziert. Doch noch ist der Weg lang und die chinesische Konkurrenz unschlagbar billig. Problematisch ist nicht nur, dass es unzählige Lego-ähnliche Marken und Produkte gibt, sondern auch, dass manche Fabriken sich auf tatsächliche Fälschungen spezialisieren und gefälschte Lego-Produkte auf den europäischen Markt bringen. Erst im November wurden im Hamburger Hafen durch den Zoll chinesische Lego-Fälschungen im Wert von mehr als 300.000 Euro sichergestellt. Immer wieder muss sich Lego gegen Produktpiraterie wehren und sich gegen billigere Konkurrenzprodukte durchzusetzen. Sicherlich wird es für Lego möglich sein, sich in Europa zu behaupten und in China die Kinder der Oberschicht mit Original-Lego zu beglücken. Doch Abermillionen chinesische Kinder der unteren Einkommensschichten werden mit den billigen Kopien spielen.

Playmobil lässt dagegen ausschließlich in Europa produzieren, insbesondere auf Malta und in Deutschland. In China ist Playmobil ein teurer Importartikel und nur für die Kinder der Oberschicht ein erfüllbarer Traum. Denn noch gibt es kein Playmobil „Made in China“. Doch vermutlich wird es nicht lange dauern, bis es auch von Playmobil Billig-Kopien gibt.

Das Problem mit der Hightech-Industrie

Problematischer und gefährlicher ist die Situation in der Hightech-Industrie. Unternehmen, die in China produzieren und auf den chinesischen Markt expandieren wollen, müssen in der Regel Joint Ventures eingehen. Damit übertragen sie automatisch Insiderinformationen und technische Details an chinesische Firmen. Eines der wichtigsten deutsch-chinesischen Joint Ventures war die Verbindung von „Shanghai Automotive Industry Company“ mit Volkswagen zu „First Automotive Works“ (FAW). Wichtige Produktionsstätten und Fabriken befinden sich in Shanghai und in Changchun.

Durch die Joint Ventures stellt China den Technologietransfer sicher. Das bedeutet im Klartext: Wer in China produziert, gibt sein Wissen preis. Da mittlerweile Fahrzeuge, Computer und andere Hochtechnologie in China produziert wird, bleibt es nur eine Frage der Zeit, bis rein chinesische Konkurrenzprodukte auf den Markt kommen.

Die Folge wird sein, dass jedweder Vorsprung unserer Technologie zeitlich begrenzt sein wird. Was Europas und Amerikas Industrie ausmacht, sind Kreativität und Erfindungsgeist. Daher reicht es nicht aus, dem Zeitgeist und den technologischen Trends zu folgen. Vielmehr wird Europa immer stärker gezwungen sein, die Trends selbst zu setzen.

( Schlagwort: GeoAußenPolitik )

 

 

Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte
unterstützen Sie mit einer Spende unsere
unabhängige Berichterstattung.

Abonnieren Sie jetzt hier unseren Newsletter: Newsletter

Kommentare zum Artikel

Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.

Gravatar: Karl Brenner

Gut zusammengefasst. Aber was tun?

Jedenfalls ist es kaum sinnvoll, diese Entwicklung noch zu beschleunigen, in dem man Kernkraftwerke abschaltet, die Unternehmer traktiert und unqualifizierte Personal ins Land holt.

Schreiben Sie einen Kommentar


(erforderlich)

Zum Anfang