Alte Routen werden wieder strategisch wichtig

Die Seidenstraße wird wieder zentraler Faktor in der Geopolitik

Chinas Projekt der Neuen Seidenstraße belebt ein uraltes Konzept. Xi Jinping will die Handelsrouten in Eurasien ausbauen. Europa ist eher passiver Teilnehmer. China hat die Regie übernommen.

Foto: The Russian Presidential Press and Information Office [CC BY 4.0], via Wikimedia Commons
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Die einen sehen sie als Bedrohung. Die anderen haben große Hoffnungen in sie. Die Seidenstraße ist Chinas größtes außenpolitisches Projekt. Sie soll dafür sorgen, dass die Ressourcen aus ganz Eurasien nach China gelangen und die Fertigwaren »Made in China« problemlos überall in Asien und vor allem in Europa abgesetzt werden können.

Chinas System ist längst eine eigentümliche Synthese aus Kommunismus, Staatskapitalismus und freier Marktwirtschaft geworden. Das Zentralkommittee der Kommunistischen Partei Chinas, die Regierung in Peking und an der Spitze der »Paramount Leader« Xi Jinping bestimmen, wo die Luft des freien Marktes wehen darf und wo der Staat regulierend eingreift. Alles folgt der Prämisse der praktischen Erfordernisse und nach Deng Xiaopings Motto: den Fluss durchschreiten, in dem man jeden Stein mit dem Fuß erfühlt. Man startet Versuchsballons, wie einst mit den freien Handelszonen an der Küste, und folgert dann den nächsten Schritt.

Xi Jinping selbst gilt als Initiator des neuesten, ambitioniertesten und größten Projektes: die Neue Seidenstraße. Sie soll Chinas Vormacht in Asien, ja in ganz Eurasien sichern. Damit durchquert China die wichtigsten geopolitischen Konzepte der Briten und Amerikaner.

Der britische Geograph Halford Mackinder verwies in seiner 1904 erschienenen Abhandlung »The Geographical Pivot of History« auf die angebliche Gefahr, dass die Entstehung einer großflächigen eurasischen Macht Großbritannien isolieren könnte. Damals steckte den Briten noch die Erinnerung an Napoleons Kontinentalsperre in den Knochen. Ein politisch-wirtschaftliches Zusammenwachsen Eurasiens über die Landwege würde die britische Rolle als Seehandelsmacht marginalisieren und das »Empire« gefährden. Ähnliche Bedenken hatten im 19. Jahrhundert auch zum britisch-russischen Interessenskonflikt in Asien geführt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Führung der angelsächsischen Welt den Vereinigten Staaten von Amerika anheim gefallen. Während der Frühphase des Kalten Krieges, als sich die Sowjetunion und die Volksrepublik China noch als Verbündete betrachteten, war der transatlantischen See-Allianz NATO ein eurasisches Bündnis als Gegner entstanden. 

Heute hat sich dieses eurasische Bündnis erneuert. Zum einen sind Russland und China, Wladimir Putin und Xi Jinping, politisch und wirtschaftliche wieder näher zueinander gerückt. Zum anderen gibt es Projekte wie die »Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ)«, die wegen der gemeinsamen Manöver zunehmend zu einem militärischen Quasi-Bündnis wird.

China und Russland binden die zentralasiatischen Staaten ein Konzept ein, das Europa und Ostasien zusammenwachsen lassen soll. China kontrolliert dabei zunehmend auch die Seerouten, die Ostasien über die Straße von Malakka, den Indischen Ozean, das Rote Meer und das Mittelmeer verbinden. Auf dem Landwege werden Straßen und Eisenbahnstrecken ausgebaut. In Europa haben sich die Chinesen in zahlreiche Häfen eingekauft.

Für die angelsächsische Geostrategie bedeutet dies, dass sich die uralten Befürchtungen nun bewahrheiten. Es wächst tatsächlich ein eurasisches Wirtschaftssystem zusammen. Und die Chinesen führen Regie. Die Europäer sind eher passive Teilnehmer. Ihnen geschieht etwas, das sie noch nicht begreifen. Doch früher oder später werden sie so eingebunden sein, dass eine Loslösung nicht mehr möglich ist. Schon heute kontrollieren die Chinesen viele Häfen, so zum Beispiel den Piräus bei Athen. Und schon heute ist der Container-Hafen von Duisburg von Zügen und Binnenschiffen geprägt, die Waren aus China umladen. Hier ist sozusagen der Endpunkt der Seidenstraße.

Die Seidenstraße ist Jahrtausende alt

Die Geschichte der Seidenstraße geht Jahrtausende zurück. Doch im Gegensatz zu heute gab es damals keine regieführende Macht. Die Seidenstraße war ein Netzwerk, das auf verschiedenen Routen Europa und den Mittelmeerraum mit Ostasien auf dem Landweg verband.

Schon im alten Rom gab es Waren »Made in China«. Die Römer wussten nur ungefähr, dass China ein Land im fernen Osten ist. Aber sie hatten keine genauere Vorstellung davon. Die Waren waren nicht von einzelnen Händlern geliefert worden, die vom Ursprungsland hätten berichten können, sondern über eine komplexe Kette von Zwischenhändlern.

Im Zwischenraum, in den weiten Zentralasiens, waren im Laufe der Jahrhunderte zahlreiche Staatsgebilde entstanden, die vom Handel über die Seidenstraßenwege profitierten. Städte wie Samarkand oder Taschkent blühten wegen des Handels zwischen West und Ost.

Mit den neuen Seehandelswegen der Europäer verlor die Seidenstraße seit dem 16. Jahrhundert an Bedeutung. Mit ihrem Verschwinden verarmte Zentralasien.

Das wird sich bald ändern. Die »Belt and Road Initiative« der Chinesen wird die alten Landwege wiederbeleben. Die Chinesen werden diese Tendenzen ausnutzen, um ihren Einfluss in Eurasien auszudehnen. Das wird die Amerikaner unweigerlich auf den Plan rufen. Donald Trump und Steve Bannon haben diese geopolitische Gefahr längst analysiert und angesprochen. Trumps aggressive Politik gegen China findet auch hier eine Ursache. Wenn China Eurasien kontrolliert und dominiert, sind die USA in die Peripherie gedrängt. Doch die Amerikaner werden versuchen, es nicht so weit kommen zu lassen.

 

 

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Catilina

"Mit den neuen Seehandelswegen der Europäer verlor die Seidenstraße seit dem 16. Jahrhundert an Bedeutung. Mit ihrem Verschwinden verarmte Zentralasien."
Warum war das so?

Im Jahr 1453 ging Ostrom unter: die Hauptstadt des byzantinischen Reiches wurde von den Türken erobert und das ganze Gebiet um das östliche Mittelmeer islamisiert, die alten Handelsrouten gekappt.
Nur deswegen suchten die Europäer den Seeweg nach Indien, nur deshalb stach Columbus in See und entdeckte "Westindien" (die karibischen Inseln). Der Portugiese Magellan umschiffte ganz Afrika und in seinem Gefolge gründeten die Holländer im südlichsten Afrika eine Kolonie. Ohne islamische Eroberung wäre die Gebiete entlang der alten Seidenstraße wohlhabend und weltoffen geblieben, anstatt für Jahrhunderte in Knechtschaft und Armut zu versinken. Deshalb sollten die Länder entlang der neuen Trasse einfach nur dankbar sein und vielleicht einmal darüber nachdenken, ob sie den Islam, der ihnen damals aufgezwungen wurde, nicht ganz gepflegt in die Tonne treten sollten.

Gravatar: Ekkehardt Fritz Beyer

„Alte Routen werden wieder strategisch wichtig
Die Seidenstraße wird wieder zentraler Faktor in der Geopolitik“ ...

Darf man dies als klaren Erfolg der Chinesen und Russen im Kampf anti der „Arroganz des Westens gegenüber dem Osten“ erkennen???
https://www.nzz.ch/article8ZN0N-1.283009

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