Deutschland-Duell: Schuldenschnitt gegen Rettungsschirm

Foto: Sandra Redlich
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 Bernd Lucke (AfD) im Deutschland-Duell gegen Ralph Brinkhaus (CDU)

Die Zeit rennt, die Bundestagswahl ist nur noch vier Wochen entfernt. Im Zuge des Wahlkampfes gibt es diverse Diskussionsrunden, an denen die Spitzenpolitiker der verschiedenen Parteien teilnehmen. So auch geschehen gestern Abend in den Redaktionsräumen der ZEIT Online in Berlin. Im Rahmen des sogenannten Deutschland-Duells stehen sich zu insgesamt vier verschiedenen Terminen jeweils zwei Politiker gegenüber, die dem Moderator sowie dem Publikum zu einem bestimmten, den Wahlkampf dominierenden Thema Rede und Antwort stehen müssen. Genau einen Monat vor der Bundestagswahl trafen sich nun Bernd Lucke, Chef der Alternative für Deutschland (AfD) und Ralph Brinkhaus, CDU-Abgeordneter und Mitglied im Bundesfinanzausschuss, um über den Euro zu sprechen. Unter dem Titel „Der Euro - Europas Meisterstück oder Europas Verderben“ konnte der diesmalige Moderator Oliver Stock, seines Zeichens Chefredakteur des Handelsblatts Online, ein volles Haus zur Diskussionsrunde begrüßen.

Hitzig sollte die Diskussion werden, auch wenn von der nachmittäglichen Sonne nicht mehr viel zu sehen war in dem verglasten Newsroom der ZEIT Online Redaktion. Schon die anfängliche Frage des Moderators, was Lucke denn als erstes machen würde, wäre er deutscher Bundeskanzler, ließ die Flammen zwischen den beiden Kontrahenten lodern. Er würde die Euro-Rettungspolitik der bisherigen Bundesregierung beenden und ein Programm zur Belebung der südeuropäischen Krisenstaaten initiieren. Damit einher ginge die Rückkehr zu einer eigenen oder vorerst auch vorübergehenden Währung sowie ein anteiliger Schuldenerlass. Auch soll die Bevölkerung des betroffenen Krisenstaates selbst über die nationale Wirtschaftspolitik entscheiden können.

Die Griechen würden doch gar nicht aus dem Euro wollen, konterte Brinkhaus, der das Konzept des ehemaligen Partei-Kollegen ökonomisch nicht stringent fand. Ökonomisch, so blieb es das Gespräch über. Die Frage nach konkreten Zahlen fiel mehr als einmal. 40 bis 50 Milliarden würde der Ausstieg aus dem Euro die Bundesrepublik kosten, allerdings spare man dabei die weitaus höheren Kosten eines dritten Rettungsschirms, argumentierte Lucke. Brinkhaus hingegen warf die Zahl von 310 Milliarden in den Raum, würde das „Projekt Euro“ am Ende scheitern. Allerdings sieht er die finanzielle Unterstützung von Krisenstaaten nicht als Verlust, sondern als Investition. Griechenland würde uns sicher noch die nächsten zehn bis 20 Jahre beschäftigen.

„Die Hand, die einen füttert, beißt man nicht“

Genau aus dem Grund müsse Griechenland aus dem Euro austreten, ein sofortiger Schuldenschnitt vollzogen werden, so der Chef der AfD. Die Griechen würden die Hand, die sie füttert, schließlich nicht beißen. Eine neue oder auch vorerst nur vorübergehende Währung würde dauerhaft den nationalen Wirtschaftskreislauf ankurbeln, wenn von außen keine Nachfrage käme, wachse sie intern. Mehr Nachfrage steigere die Schuldtragfähigkeit des Landes und würde letztendlich in einer stabilen Wirtschaft und auch Währung resultieren.

Das müsse Lucke erst einmal der griechischen Bevölkerung erklären, meinte hingegen Brinkhaus. Dieser Lösungsansatz sei zu komplex, um die Griechen davon zu überzeugen. Zusätzlich würde daran das eh schon schwierige Verhältnis der Nehmerländer zu Deutschland noch mehr leiden. Darüber hinaus sei der Euro für andere europäische Länder weiterhin sehr attraktiv, Lettland wolle die Währung bei sich einführen. Nach wie vor bestehe nur eine geringe Inflation und der Euro sei die zweitgrößte Leitwährung der Welt hinter dem amerikanischen Dollar.

Europäisches Roulette

Trotzdem würden bestehende Schulden nicht zurückgezahlt, sondern lediglich durch neue ersetzt. Das wäre so auch prinzipiell in Ordnung, würde das Bruttoinlandsprodukt im gleichen Tempo wachsen. Das tut es aber nicht, wohingegen die deutsche Staatsverschuldung mittlerweile bei 80% liege, so Lucke. Er verglich die Euro-Rettungspolitik mit einem europäischen Roulette-Tisch. Die Politiker verspielten das Geld der Europäischen Union eher nach willkürlichen als verständlichen Kriterien. Die wirklich armen europäischen Länder wie Rumänien oder auch die baltischen Staaten, denen es an Infrastruktur und einem stabilen, wachsenden BIP mangelt, würden vergessen. Hingegen scheint das Ausmaß der Schulden eines jeweiligen Staates ausschlaggebend dafür zu sein, ob ihm auf europäischer Ebene geholfen werde oder nicht. Auch das eigene Land käme dabei zu kurz. Im letzten Jahr wurde eine Rentenerhöhung von 0,25% beschlossen, was in etwa 0,5 Milliarden Euro entspricht. Dafür aber würden dreistellige Milliardenbeträge in marode südeuropäische Staaten gesteckt.

Im Endeffekt vertrete die Bundesregierung bei ihrem europäischen Kurs deutsche Interessen, antwortete Brinkhaus auf die angebrachten Vorwürfe. Am Ende des Tages profitiere Deutschland von einer stabilen wirtschaftlichen Lage des Euro. Die nationale Wirtschaftslage und auch das wirtschaftliche Wachstum des Landes sei nun einmal in gewisser Weise von der Lage in südeuropäischen Krisenstaaten wie Griechenland, Spanien, Italien und Portugal abhängig. Man müsse Vertrauen haben in das jeweilige nationale Geschäftsmodell.

AfD alternativlos?

Brinkhaus sah in dem Kurs seines Podiumskollegen genau das, was der wiederum der CDU und Kanzlerin Merkel vorwirft: Alternativlosigkeit. Er könne ihm kein überzeugendes Programm für einen Austritt aus dem Euro vorlegen, zumal er die genaue Rechnung noch nicht gemacht habe, wie Lucke zu Anfang des Gesprächs zugab. Die Bevölkerung würde dem Kurs der Bundesregierung vertrauen, deswegen sei das Thema Euro auch bisher im Wahlkampf kaum aufgekommen.

Dies sah Lucke, der neben seiner Parteitätigkeit Professor der Volkswirtschaftslehre an der Universität Hamburg ist, anders. Die Bevölkerung würde die Thematik nicht vollends verstehen. Die bisherige Politik würde lediglich die Symptome bekämpfen, nicht aber an die Wurzel des Problems vordringen. Auch ließ er verlauten, dass er sehr wohl für einen Diskurs offen wäre und auch andere Lösungsansätze gern diskutieren würde. So hätte er sich bereits über eine Aufteilung in einen Süd- und Nord-Euro Gedanken gemacht oder darüber, dass nur bestimmte Staaten aus der Währungsgemeinschaft austreten sollten.

Ein Austritt sei jedoch fast unvermeidbar, würde doch das Schrumpfen des BIP in den Krisenstaaten nach wie vor weitergehen.

Diplom-Ökonom Brinkhaus sah darin jedoch eine positive Entwicklung. Das Schrumpfen ginge weitaus langsamer voran als bisher, es flache dauerhaft ab. Außerdem müsse man für solch weitreichende Entscheidungen, wie die Einführung von zwei verschiedenen Währungen innerhalb der Euro-Zone erst die anderen Mitgliedsstaaten von den Vorteilen überzeugen und gegebenenfalls auf einen Kompromiss gefasst sein. Es sei schließlich die Europäische Union und nicht die Vereinigten Staaten Europas.

Nach fast anderthalb Stunden Gespräch, das durch teilweise klatschendes, teilweise empörtes Publikum und stellenweises Ausfallen der Mikrofone begleitet war, konnte der Moderator Stock nur ein mäßiges Fazit erkennen. Der eine wolle den sofortigen Schuldenschnitt, der andere ein Verfahren wie bisher, wenn nötig mit einem dritten Rettungsschirm. Was davon wirklich umgesetzt wird, muss die Wahl im September zeigen. Nur eins scheint sicher: Eine Koalition zwischen CDU und AfD wird es wohl nicht geben.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Schöniger

Den PDF Chef Bernd Lucke stimme ich vollkommen zu !

Vor dem Euro ging es den EU Länder wie Griechenland ect. noch viel besser !
Die EU Länder sollte ihre Währung wieder zurück bekommen,damit kommen sie bessere zurecht°!

Mir währe die Deutsche Mark auch viel lieber,das ging es uns Deutschen auch noch viel besser!

Das Volk wurde gar nicht erst gefragt, weil wir Deutschen gegen den Euro gewesen währen!

Die Schweizer hatten eine Abstimmung gemacht und wahren so schlau ,dass sie den EU erst einmal nicht haben wollten, die Schweizer wollten erst einmal abwarten wie es mit dem Euro läuft!

Gravatar: Wolfgang Heller

Habe mir die Mühe gemacht, den Bericht über die Diskussionsveranstaltung zu lesen:
Dabei ist mir aufgefallen, dass Wachstum immernoch ein beherschendes Thema ist.
Genau aber das ist der wirtschaftspolitische Webfehler, der das politische Handeln leider bestimmt.
Konjunkturelle Abschwünge sind in den kurzfristigen Planungen nicht vorgesehen.
Es muss ja immer aufwärts gehen!
Auch ist bei der Diskussion nicht behandelt worden, wer genau die Gläubiger sind und wer immer noch Staatsanleihen kauft.
Solche Diskussionsveranstaltungen sind leider viel zu viel Theorie und zu wenig Praxis.

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