Druck auf Steueroasen nimmt zu

Der zähe Kampf gegen das große schwarze Loch der Weltwirtschaft

Lange Zeit konnten Gelder ungehindert in die globalen Steueroasen fließen. Die globalen Großbanken förderten das Geschäft, über dessen Ausmaß nur Vermutungen existierten. Erst jetzt brachte ein Datenleck Bewegung in den Kampf gegen Steueroasen und der Druck nimmt zu.

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Lange Zeit konnten Gelder ungehindert in die globalen Steueroasen fließen. Die globalen Großbanken förderten das Geschäft, über dessen Ausmaß nur Vermutungen existierten. Erst jetzt brachte ein Datenleck Bewegung in den Kampf gegen Steueroasen und der Druck nimmt zu.

Jeder weiß, dass sie existieren, aber niemand hat exakte Informationen darüber: Die weltweiten Offshore-Steueroasen. Umfangreiche Geldströme fließen in die wenig regulierten exotischen Steuerparadiese und enorme Summen lagern bereits dort – außerhalb des Zugriffs der Steuerbehörden. Denn: Die Geheimhaltung ist immer noch oberstes Gebot der Steueroasen und zugleich der Kern ihrer Dienstleistung. Dort wird privates Kapital verwaltet, ohne dass Fragen nach der Herkunft gestellt werden. Auch wenn die Informationen vage sind. Dass „da draußen“ ein System zur Verwaltung von Vermögen besteht, ist zweifelsfrei.

Und das Ausmaß ist enorm: Das Tax Justice Network (Netzwerk für Steuergerechtigkeit), eine Nicht-Regierungsorganisation, hat 2012 eine neue Schätzung vorgenommen. Die selbst als konservativ bezeichnete Hochrechnung beziffert das ungemeldete Offshore-Vermögen auf 7,3 bis 9,3 Billionen US-Dollar. Zum Vergleich: Das gesamte weltweite private Finanzvermögen wird auf 21 bis 32 Billionen US-Dollar geschätzt. Dem Fiskus entgehen dabei nicht nur die Steuern auf das Geld, das in die Steueroasen fließt, sondern auch die Steuern auf die Erträge, die das nicht gemeldete Vermögen Jahr für Jahr erwirtschaftet. Insgesamt schätzt das Tax Justice Network die Einnahmeausfälle der Staaten auf 189 Milliarden US-Dollar im Jahr.

Von Inselparadiesen und EU-Staaten

Insgesamt existieren global mehr als 80 Offshore-Gerichtsbarkeiten. Darunter fallen zahlreiche kleine und Kleinststaaten, deren exotische Namen teilweise sehr bekannt sind. Beispiele sind die britischen Jungferninseln, die Kaimaninseln, die Cookinseln, Liechtenstein, die Marshallinseln, Mauritius, die Niederländischen Antillen oder die Bahamas. Daneben werden zu den Steueroasen auch relativ solide Staaten wie die Schweiz, Singapur oder das EU-Mitglied Luxemburg gezählt. Allerdings bezeichnet „offshore“ weniger den physischen Ort, an dem Vermögen gelagert wird, sondern vielmehr eine Struktur. Ein typisches Beispiel sieht folgendermaßen aus: Ein Vermögenswert gehört einem anonymen Offshore-Unternehmen in einer Steueroase. Dieses Unternehmen wird von einem Trust in einem anderen Land gehalten, während der Treuhänder des Trusts wiederum in einem anderen Land sitzt. Dies ist – wohlgemerkt – noch eine einfache Struktur. Wichtigstes Ziel dieser Struktur ist die Geheimhaltung der wahren Besitzverhältnisse. Neben der Geheimhaltung ist der jederzeitige Zugriff auf das Vermögen und die Sicherheit von größter Bedeutung für die Klientel. Alle diese Anforderungen werden vom „modernen Offshore-System“ erfüllt.

Die „Nutzer“ des Systems sind vor allem vermögende Privatpersonen, die ihr Vermögen oder Teile davon der Steuer entziehen wollen, aber auch Kriminelle oder Diktatoren. So wurde beispielsweise Mitte 2013 publik, dass Simbabwes Diktator Robert Mugabe und die Familie des verstorbenen indonesischen Diktators Haji Mohamed Suharto Gelder in Steueroasen versteckt hatten. Die Nachteile des Offshore-Systems haben nicht nur die entwickelten Staaten zu tragen. Auch die Schwellen- und Entwicklungsländer haben unter dem Abfluss von Geldern der privaten Eliten zu leiden.

Multinationale Banken fördern Offshore-Geschäft

Die Strukturen zur Offshore-Verwaltung von Vermögen sind höchst komplex und erfordern Spezialwissen. Dies rief internationale Banken, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte auf den Plan. Diese Unternehmen spielten eine wichtige und wenig rühmliche Rolle bei der Etablierung des Offshore-Systems. Die Gruppe dieser Dienstleister ist relativ klein. Bei den Banken beherrschen weniger als 50 multinationale Banken das „Global Private Banking“. Diese verwalteten dem Tax Justice Network zufolge im Jahr 2010 grenzüberschreitende Privatvermögen von 12,06 Billionen US-Dollar. An der Spitze stehen die Schweizer Banken UBS und Credit Suisse. Vor allem die Spitzengruppe der zehn größten Banken konnte im Private Banking sogar noch Marktanteile hinzugewinnen. Ironie des Schicksals: Alle Banken der Top-Ten-Gruppe (außer der Genfer Bank Pictet) wurden von den jeweiligen Regierungen als „to big to fail“, also „zu groß zum Scheitern“, eingestuft. Darüber hinaus profitierten sie alle direkt oder indirekt von den Rettungsmaßnahmen während der Finanzkrise. Bei den Wirtschaftsprüfern, die im Offshore-Bereich aktiv sind, ist die Situation ähnlich. Das Geschäft konzentriert sich auf die so genannten „großen Vier“ also Ernst & Young, Deloitte, KPMG und PricewaterHouseCoopers.

Maßnahmen der G20-Gruppe wirkungslos

Lange Zeit konnte sich die Offshore-Wirtschaft relativ ungehindert entwickeln. Die internationalen Banken verdienten gut daran und die Politik war nicht im Stande oder Willens, etwas Grundlegendes am status quo zu ändern. Der Druck nahm erst während der Finanzkrise zu, als die Staaten bisher unvorstellbare Summen in die Hand nehmen mussten, um ihre Großbanken zu retten. Noch unter dem Eindruck der Krise beschlossen die G20-Staaten auf einem Gipfel in London schärfere Maßnahmen. Im Abschlusskommuniqué finden sich die dramatischen Worte: „Die Ära des Bankgeheimnisses ist vorbei“. Alle unkooperativen Staaten sollten auf einer Liste bei der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) gelistet werden. Die Regierungen drohten mit weiteren Sanktionen. Die wenigen Steueroasen, die auf der Liste standen wurden jedoch bereits einen Monat später wieder gestrichen – mit der Begründung, sie würden die Vorgaben erfüllen. Seitdem sind keine großen Fortschritte erzielt worden.

Datenleck bringt Bewegung in den Kampf

Der nächste Akt des Dramas wurde von einem oder mehreren anonymen Informanten 2012 angestoßen: Vertrauliche Daten wurden dem Internationalen Konsortium für investigative Journalisten (ICIJ) in Washington zugespielt. Darin sind 130.000 Personen und Unternehmen aus mehr als 170 Ländern gelistet, die Geschäfte mit Steueroasen machten. Darunter Unternehmer, Waffenhändler, Kriminelle, Oligarchen, Politiker, Immobilien-Spekulanten und viele mehr. Auch hunderte deutsche Namen waren auf der Liste. Die Daten, immerhin 2,5 Mio. Dokumente, wurden weltweit von Medien ausgewertet – darunter der Guardian, die Washington Post, die französische Le Monde sowie die Süddeutsche Zeitung und der NDR. Die Behörden in allen Ländern haben mittlerweile mit der Analyse der Daten begonnen.

Das Tauziehen um die Steueroasen geht weiter. Einiges ist seit der anonymen Datenlieferung in Bewegung gekommen. So hat Luxemburg mittlerweile Lockerungen des Bankgeheimnisses zugestimmt. Im Fall der Schweiz übt die internationale Staatengemeinschaft weiterhin Druck aus. Der britische Premier Cameron rief 2013 die Überseegebiete seines Landes auf, Maßnahmen gegen Steuerhinterziehung zu ergreifen. Der britische Kronbesitz – darunter viele wichtige Steueroasen wie die Kanalinseln Jersey und Guernsey haben einen rechtlichen Sonderstatus und sind nicht Teil des Vereinigten Königreichs. Insgesamt hat sich der Wind gegen die Steueroasen gedreht – vor allem seit dem unerwarteten Datenleck. Ob die Steueroasen wirklich ausgetrocknet werden können, dürfte in starkem Maß davon abhängen, ob die Politik Willens und Imstande ist, den Druck aufrecht zu erhalten und in einem internationalen Rahmen wirksame Maßnahmen durchzusetzen. Denn ohne Druck werden sich die Steueroasen sicher nicht bewegen.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: FDominicus

" Denn ohne Druck werden sich die Steueroasen sicher nicht bewegen."

Ich kann nur hoffen Sie bewegen sich auch unter Druck nicht. Was soll mir dieser Artikel sagen? Das alle Einnahmen meinem Staat gehören? Das Steuern das Gerechteste auf der Welt sind oder daß im Elend alle gleich behandelt werden sollen.

Wirklich Freiheit und dieser Artikel passen absolut nicht zusammen. Oder muß ich heute davo ausgehen, nur wer Steuern zahlt ist frei? Was irgendwie eine Pervertierung von Freiheit bedeutet, man ist nur frei wenn man Frondienste weltweit leisten muß?

Pervers wie hier Diebstahl glorifiziert wird.

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