Wenn man in diesen Tagen über die Weihnachtsmärkte streift, findet man zwar auch dort Tand und Nippes in den unterschiedlichsten Farben und Formen. Aber irgendwie hat man das alles schon einmal gesehen, schon einmal gekauft, schon einmal verschenkt und auch schon einmal umgetauscht. Wer daher noch auf der Suche ist nach der ultimativen Festtagsüberraschung, der wird wohl nicht umhinkommen, noch einmal die Kataloge zu wälzen bei der Fahndung nach dem besonderen Etwas.
Als Geheimtipp gilt dabei das Angebot des Bundespräsidialamtes. Leider geht die Bestellung nur hintenrum, und sie ist auch nicht frei von Risiken. Doch dazu später mehr. Zunächst ein kurzer Blick auf die Produktpalette: Unbestrittener Schlager ist zweifellos der »Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland«, im Volksmund auch »Bundesverdienstkreuz« genannt. Erhältlich ist er als Medaille und als Kreuz am Bande, Erster Klasse und als Großes Verdienstkreuz am Halsband, mit vierspitzigem Bruststern flach oder mit Schulterband und vierspitzigem Bruststern gewölbt, als Großkreuz am Schulterband mit sechsspitzigem Bruststern und Adler maschinengestickt, als Großkreuz in besonderer Ausführung am Schulterband, rot gefüttert, mit sechsspitzigem Bruststern und maschinengesticktem Adler, mit Lorbeerkranz rund um das Medaillon und schließlich als Sonderstufe des Großkreuzes am Schulterband mit Adler handgestickt und achtspitzigem Bruststern.
Dieser Klassiker befindet sich schon seit sechzig Jahren im Sortiment und wurde bereits rund eine Viertelmillion Mal abgesetzt – Zahlen, die QVC und den Channel21 vor Neid erblassen lassen. Gleichwohl ist der Verdienstorden streng limitiert, und ihn bekommt weiß Gott nicht jeder, zumindest nicht offiziell. Vielmehr werden in einem aufwändigen Verfahren besondere Leistungen der Nachfrager auf politischem, wirtschaftlichem, kulturellem oder gar geistigem Gebiet geprüft. Diese sind noch dazu »unter Zurückstellung der eigenen Interessen über einen längeren Zeitraum mit erheblichem Einsatz« zu erbringen. So steht es im »Gesetz über Titel, Orden und Ehrenzeichen«, das es tatsächlich gibt und das die Vergabe regelt.
Die einfache Version des Verdienstordens in Form einer Medaille kann man demnach bereits für mehrjährige Dienste an Obdachlosen in der Suppenküche erhalten. Wem das als Übermaß an Nähe erscheint, dem mag aber auch schon ein Dauerposten im Gemeinderat reichen. Höhere Ordensstufen zu erklimmen, ist dagegen auf regulärem Wege schwierig. Um an das einfache Großkreuz dranzukommen, muss man schon Verdienste vorweisen wie ein Hans Globke oder ein Hans Filbinger. Und die Großkreuzsonderstufe ist Staatenlenkern und gekrönten Häuptern vorbehalten – Persönlichkeiten wie General Juan Peron und Schah Reza Pahlavi, Kaiser Haile Selassie und Nicolae Ceaucescu.
Für jeden Geschmack ist etwas dabei
Daneben finden sich in den Offerten des Präsidialamts aber auch noch weitere, zumeist weniger bekannte Kostbarkeiten: Da ist zunächst die »Eichendorff-Plakette«, verliehen an Wander- und Gebirgsvereine, die sich besonders um Pflege und Förderung des Heimatgedankens und des Umweltbewusstseins verdient gemacht haben.
Des Weiteren gibt es das Grubenwehr-Ehrenzeichen, aufgeteilt in Silber und Gold, »für Mitglieder einer Grubenwehr, die wenigstens zwanzig Jahre in vorbildlicher Weise Dienst getan haben«. Personen »mit kürzerer, jedoch mindestens fünfzehnjähriger Dienstzeit« kommen nur dann in Betracht, wenn sie »wegen oder aufgrund eines Unfalles im Dienst der Grubenwehr aus dem Dienst ausscheiden mussten«. Dasselbe gilt für Bergleute, »die bereits mit dem Grubenwehr-Ehrenzeichen in Silber ausgezeichnet worden« und durch »wiederholtes mutiges und entschlossenes Verhalten« aufgefallen sind. Sie scheiden jedoch aus, wenn »für diese Tat die Verleihung mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik in Betracht kommt«.
Schließlich gibt es die Plakette Pro Musica »für instrumentales Musizieren«, die Silbermedaille für den Behindertensport, die über kurz oder lang in Medaille für den Sport von Menschen mit Behinderung umbenannt werden dürfte, sowie das »Silberne Lorbeerblatt« als »Auszeichnung für hervorragende Leistungen auf den Gebieten des sportlichen und musischen Lebens«. Musische Verdienste wurden in letzten sechzig Jahren allerdings erst zwei Mal gewürdigt, zuletzt durch Verleihung an das Mandolinenorchester Bad Vilbel.
Offenkundig ist die Beschaffung solcher Kleinode überaus reizvoll – aber auf offiziellem Wege bis Weihnachten kaum mehr möglich. Denn es ist klar, dass die Verleihung einer langwierigen Prüfung eingereichter Anträge durch Bürgermeister und Landräte, Regierungspräsidenten und Staatskanzleien, Ordenskommissionen und schließlich durch den Herrn Bundespräsidenten selbst bedarf. Zudem ist eine aufwändige Korrespondenz mit Referenzpersonen unerlässlich, bis schließlich eine Veröffentlichung der Preisträgernamen im Bundesanzeiger erfolgen kann. Außerdem erfolgt die Vergabe regelmäßig im Rahmen öffentlicher Feierstunden, und man sucht ja schließlich »was für unterm Baum«.
Doch wir haben Glück: Schließlich gibt es heutzutage ja Ebay, und hier kommt jeder Interessent ohne Umschweife zum Zuge. Allein aus der Familie der Bundesverdienstkreuze werden dort zurzeit ganze 117 zum Kauf angeboten, davon 103 in der Rubrik »Orden und Ehrenzeichen« und weitere vierzehn unter »Dekoratives, Kunst & Kurioses«. Allerdings, und das sei ausdrücklich hinzugefügt, ist der Einstieg in den Kreuzhandel nicht ohne Risiko. Denn zumindest ein öffentliches Tragen des ersteigerten Gegenstandes kann als Ordnungswidrigkeit geahndet und mit einer Geldbuße von bis zu 5.000 Euro belegt werden. Dies gilt nicht nur für die Verdienstorden selbst, sondern auch für die dazugehörigen Bänder und – der Vollständigkeit halber – auch für solche Buttons, »die ihnen zum Verwechseln ähnlich sind«. Zudem kann eine Einzugsverfügung gegen den Höchstbietenden erlassen werden, und auch die Ebay-Gebühr wird in einem solchen Fall vermutlich nicht erstattet.
Alles hat zwei Seiten
Einen Ausgleichsanreiz mag man gleichwohl im Hauch des Subversiven erkennen, den eine solche Aktion zweifellos umgibt. Schließlich würde man einen Staat zum Einschreiten zwingen, der auch im Jahre 2013 noch für sich in Anspruch nimmt, zu definieren, was als »Verdienst« zu gelten hat. Verglichen damit wirkt das hanseatische Prinzip eher spröde, »Auszeichnungen fremder Herren« generell abzulehnen – und sei es auch nur die Bundesrepublik Deutschland, die sich da als »Herr« geriert.
Und so hätten Happenings gegen die zeitgenössische Titelhuberei in der Tat einen gewissen Charme. Jedenfalls wären sie deutlich weniger spießig als das öffentliche Empörungswellchen im Gefolge eines Spiegel-Artikels. Das Nachrichtenmagazin hatte vor ein paar Jahren aufgedeckt, dass eine Vereinbarung zwischen Bundestagsfraktionen und Präsidialamt existiert, nach der pro Legislaturperiode dreißig Verdienstkreuze an Parlamentarier vergeben werden – aufgeteilt nach Parteiproporz. Und sie würden vielleicht dazu beitragen, einen gesellschaftlichen Konsens über das Bundesverdienstkreuz zu durchbrechen, der Veränderungen allenfalls an der Oberfläche und entlang der jeweiligen Tagesagenda zulässt. So erschöpfen sich »Reformen« bislang darin, die Flut der Ordensverleihungen zu reduzieren – doch nur, um die einzelne Auszeichnung aufzuwerten. Zudem bemüht man sich darum, das weibliche Geschlecht stärker zu berücksichtigen: Ab 1983 zunächst noch etwas ungelenk mit der Forderung, »Verdiensten bei Tätigkeiten, die nach der Lebenserfahrung vor allem von Frauen ausgeübt werden, besondere Beachtung zu schenken«. Und seit 2006 mit einer Pflichtquote von mindestens dreißig Prozent, womit man wohl der Tatsache Rechnung trägt, dass jeder dritte Deutsche eine Frau ist.
Doch wenn man ehrlich ist, führt an einer Grunderkenntnis kein Weg vorbei: Das Bundesverdienstkreuz braucht kein Mensch. Und so verschenkt man vielleicht doch lieber eine Schachtel Pralinen.
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