Porträt Heiko Maas

Der Fließbandminister

In seiner Heimat, dem Saarland, ist der neue Justizminister nicht besonders aufgefallen. Sein neues, eher einflussarmes Amt bietet ihm nun die Möglichkeit, sich ein wenig mehr Profil zu erarbeiten.

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Hätte man beim traditionellen Kabinettstoto vor der Regierungsbildung auf Heiko Maas gesetzt, wäre einem eine gute Quote garantiert gewesen. Denn kaum jemand hatte den Saarländer auf der Rechnung, schon gar nicht als »Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz«. Schließlich war die kleine Region, die von Berlin aus gesehen irgendwo im Niemandsland zwischen Deutschland und Frankreich liegt, mit Peter Altmaier ja bereits gewichtig vertreten. Und so wurde über eine Rückkehr von Brigitte Zypries auf ihren alten Posten spekuliert oder auch über die Berufung von Thomas Oppermann. Doch Heiko Maas? Wer mag auf ihn gekommen sein – und vor allem warum?

Wenn ein Arzt nicht genau weiß, worin eine Erkrankung ihre Gründe findet, sagt er dem Patienten zumeist, das Ganze sei nur »multikausal« zu verstehen. Und so ist auch die Berufung des neuen Justizministers wohl einem »Ursachenbündel« geschuldet.

Da ist zum einen die relative Jugend des Mannes von der Saar. Das Durchschnittsalter deutscher Sozialdemokraten liegt inzwischen bei 59 Jahren. Und auch im politischen Führungspersonal finden sich bis heute zahlreiche Protagonisten aus der Schröder-Ära. Da eröffnet Maas, Jahrgang 1966, eine Option für die Zukunft.

Gleichwohl verfügt der neue Minister über eine lange und breit gestreute Politikerfahrung. Mit 28 Jahren wurde er Abgeordneter im saarländischen Landtag, mit 30 Staatssekretär, mit 32 Umweltminister. Heiko Maas hat dreizehn Jahre lang eine Landtagsfraktion geführt und er führt seit dreizehn Jahren einen Landesverband. Als Spitzenkandidat bei drei Wahlen, eingezwängt zwischen Peter Müller und Oskar Lafontaine, hat er drei Niederlagen weggesteckt – wenn man so will, ist auch das ein Ausweis von Durchhaltevermögen. Heiko Maas verfügt über ein gutes Netzwerk innerhalb der Partei, kommt von den Jusos, ist aber auch den Gewerkschaften eng verbunden.

Und er hat eine lange Geschichte sowohl mit der Linken, die im Saarland vor allem die Lafontaine-Partei ist, als auch mit der Union, mit der er schon in einer geräuschlosen »GroKo« gearbeitet hat. Maas gilt als Generalist und als vielseitig einsetzbar, und er hat in Saarbrücken zuletzt ein Ressort verantwortet, das die Bereiche Wirtschaft und Arbeit, Verkehr und Energie umfasst.

So erscheint Heiko Maas als eine vielleicht überraschende, aber doch gar nicht so abwegige Besetzung für das Bundesjustizministerium. Zumindest auf den ersten Blick. Auf den zweiten Blick wirkt seine politische Biographie erstaunlich blutleer.

In der Stromlinie der Saar

Jeder Satz von Maas über Maas vermittelt den Eindruck, als stamme er aus dem Beraterlabor. Dass ihn die »erste Freundin, Fußball und Musik« in der Jugend »manchmal mehr beschäftigt« haben »als die Schule«. Dass seine Mutter Schneiderin war und sein Vater Kraftfahrzeugmeister bei den Ford-Werken in Saarlouis. Dass er auch selbst dort am Fließband gestanden hat. Zwar nur für ein Jahr, vor der Laufbahn als Berufspolitiker. Aber lange genug, um »de Leut« zu verstehen. Dass er sich vom ersten Geld einen gebrauchten Ford Orion gekauft hat. Dass ihm als Familienvater das traute Glück daheim über alles geht – »Man bricht von dort auf und kehrt wieder dahin zurück«. Dass er sich für Sport begeistern kann, so wie der kleine Mann von nebenan. Und noch dazu für Triathlon – einer von den ganz Zähen also. Dass er auch total kritisch sein kann – bei den 68ern zum Beispiel sei »die Kluft zwischen dem, was sie damals vertreten haben und dem, was sie heute leben, doch sehr groß geworden«. Und dass er einst als Ex-Minister auf sein Übergangsgeld verzichtet hat – so etwas sei schließlich »nicht nachvollziehbar« nach »kurzer Amtszeit«. Und auch nicht nötig, wenn man sein Mandat noch hat.

Wer so geschmeidig mit dem Wähler umzugehen weiß, vermag sich auch in der Partei in die Verhältnisse zu fügen. Ursprünglich war Heiko Maas eine Entdeckung von Oskar Lafontaine. Durch ihn wurde er einst Staatssekretär. Heute nennt Maas seinen früheren Mentor »sehr laut, sehr unberechenbar und ebenso populistisch«. Nach der Wahl 2009 hätte es an der Saar für Rot-Rot-Grün gereicht, 2012 sogar für Rot und Rot alleine. Maas jedoch entscheidet sich für die Prinzipienfestigkeit, einen auf Ypsilanti macht er nicht. Bürgerliche Grüne und betonierte Linke erleichtern ihm diesen Weg. Doch er ist auch viel zu clever, um nicht stets das Ende zu bedenken.

Dabei versteht es Heiko Maas, die von inneren Kämpfen zermürbte Saar-SPD immer wieder hinter sich zu bringen. Seine Kritik an der Hartz-IV-Politik der Schröder-Partei fällt vernehmlich aus, und die Basis dankt es ihm. Zugleich sind seine Wortmeldungen nie so laut und polternd, dass er es sich mit anderen Spitzengenossen verdirbt. Die führenden Köpfe der Sozialdemokraten schätzen sein Balancegefühl. Wie sehr, hat sich im letzten Dezember erwiesen.

Erste Liga, Mittelfeld

Und so hat Maas nach zwanzig Jahren in der Landesliga nun den Aufstieg ins »Oberhaus« der deutschen Politik geschafft. Ob ihm ein vierter Anlauf als Ministerpräsident in Saarbrücken vergönnt worden wäre, wird man nun nie erfahren. Doch auch was in Berlin noch aus ihm werden könnte, steht in den Sternen. Ein Karrieresprungbrett war das Justizministerium bislang eher nicht. Und auch der politische Einfluss des Hauses gilt als begrenzt. Widerstandslos hat es die Union denn auch der SPD überlassen. Seit 1966 haben CDU und CSU keinen Justizminister mehr gestellt.

Das Ministerium prüft vor allem die Vorlagen, die die Fachressorts erarbeitet haben. Da genügt es dann wohl auch, wenn sich die juristischen Kenntnisse des Ministers aus zwei Staatsexamen speisen. Spielraum für eigene Akzente gibt es nämlich ohnehin nur wenig. Und Heiko Maas scheint bislang auch nicht gewillt, ihn übermäßig auszureizen: Bei der Vorratsdatenspeicherung will er erst ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs abwarten. Bei der Sterbehilfe setzt er den Kurs seiner liberalen Vorgängerin nahtlos fort. Und bei der Mietpreisbremse sind es wohl vor allem die Lobbyisten, die aufs Gastpedal drücken.

Doch vielleicht entpuppt sich mit der Zeit der Verbraucherschutz als ein spannenderes Spielfeld. Schließlich hat das Justizressort erstmals seit 1949 ein »Gestaltungsthema« jenseits der Juristerei hinzubekommen. Heiko Maas als Kämpfer gegen Bakterien und Viren, Hormone und Antibiotika, Dioxin und Pferdefleisch – das könnte passen. Klar, hier und da muss man auf Fallstricke achten. Aber wenn man es geschickt anstellt, kann man sich ganz gut in Szene setzen. Und dazu hat der neue Minister das Talent.

Aus der Reihe: "Merkels neue Minister"

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Gravatar: Roman Bodurka

Die Wahrheit die keiner hören will oder bis heute noch nicht kannte und die Redaktion der Zeitung FreieWelt muß das endlich mal zur Kenntnis nehmen und aushalten! Als Teil der Gewaltenteilung hat er sehr wohl Möglichkeiten Recht und Gesetz Geltung zu verschaffen, insbesondere wenn er sich selbst daran halten würde.

Der amtierende Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) nennt den Schutz der Bürger- und Freiheitsrechte eine “zentrale Aufgabe”. Die Grundrechtepartei weist inzwischen nach, daß die Grundrechte praktisch seit 64 Jahren klammheimlich leerlaufen.

Am Montag sagte Maas der “Leipziger Volkszeitung”, man werde “ein ganz großes Rad drehen müssen, um für wirklich mehr Schutz für die Bürger zu sorgen”. Er verstehe für sich den Schutz der Bürger- und Freiheitsrechte im digitalen Zeitalter „als zentrale Aufgabe“. (Quelle: Spiegel-Online, 30. Dezember 2013)

Mit Beginn des Jahres 2014 sind es 65 Jahre, in denen sowohl der verfassungsändernde Gesetzgeber als auch die drei Gewalten in Gestalt des Gesetzgebers, der vollziehenden Gewalt und Rechtsprechung alles getan und unterlassen haben, um die gegen sie gerichteten unveränderlichen Rechtsbefehle des Bonner Grundgesetzes als ranghöchste Rechtsnorm der Bundesrepublik Deutschland samt der gemäß Art. 1 Abs. 3 GG gegen den Staat und seine Institutionen unmittelbar geltendes Recht bildenden unverletzlichen Grundrechte systematisch zu beseitigen, außer Geltung zu setzen oder zu untergraben.

(Anm. d. Red.: gekürzt)

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