Das bisschen Haushalt kann so schlimm nicht sein

Dr. Georg Alfes untersucht die Haushaltspolitik der Regierung Merkel. Ergebnis: Zu echten Ausgabenkürzungen scheint sie nicht bereit zu sein.

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CDU-Programm unter der Lupe: Haushaltspolitik (Teil 6)

Der Verein „Spiel des Jahres e. V.“ hat laut Satzung nur einen Zweck: Er kürt das „Spiel des Jahres“. Dabei fließen neben inhaltlichen Kriterien auch Aspekte wie zum Beispiel die Vermarktungschancen in die Bewertung ein. Wichtig erscheint ein prägnanter Name, der eine hohe Wiedererkennung sicherstellt. So hieß das Gewinnerspiel 2010 „Level X“, im Folgejahr siegte „Geistesblitz“, und zuletzt setzte sich „Drecksau“ durch (hier lohnt es sich übrigens, die Kurzbeschreibung zu googeln). 2013 könnte „Kassensturz“ zum „Spiel des Jahres“ werden – wie immer, wenn eine Wahl ansteht. Die Regeln sind schnell erklärt: Der Spieler, der die Rolle der Opposition übernimmt, verspricht seinen Wählern Wohltaten aller Art, um die nächste Runde zu gewinnen. Klugerweise macht er einen „Finanzierungsvorbehalt“ geltend. Nach der Wahl erfolgt dann der „Kassensturz“. Dabei kommt heraus, dass viel weniger Geld da ist, als man zuvor erwartet hatte. Deshalb müssen alle Planungen komplett umgeworfen werden, und der nächste Spieler bekommt den Würfel. Dieses Spiel wird in der Politik alle vier Jahre wieder hervorgeholt, obwohl es völlig unsinnig ist. Denn während das private Sparschwein bis zur Schlachtung zu verbergen weiß, wie prall es wirklich gefüllt ist, sind die staatlichen Haushaltsdaten für jeden einsehbar. Dies erschwert der Opposition das „Tricksen nach Zahlen“, aber ebenso auch der Regierung. Versucht wird es dennoch gerne.

Zu den beliebtesten Finten gehört dabei der Vergleich zweier Extremwerte. Man greift sich zum Beispiel die Jahre mit dem höchsten und dem niedrigsten Volumen öffentlicher Ausgaben heraus, und schon lässt sich die gewünschte Aussage generieren: „Wir werden 2014 im Bundeshaushalt weniger Geld ausgeben als 2010", schreiben CDU und CSU in ihrem Wahlprogramm stolz. Und in der Tat: Für 2014 sind Ausgaben von 295,4 Mrd. Euro geplant, während die Ministerien 2010 über 303,7 Mrd. Euro verfügen konnten. Aber auch das Gegenteil lässt sich darstellen: Wurden im ersten Jahr von Schwarz-Gelb, also 2009, nur 292,3 Mrd. Euro ausgegeben, sind für das laufende Jahr 310,0 Mrd. Euro vorgesehen – ein absolutes Allzeithoch. Zugleich hat der Bund während Angela Merkels Kanzlerschaft zusätzliche Schulden im Nettoumfang von 228,3 Mrd. Euro aufgenommen. Dass dieser Betrag nicht noch höher ausfällt, verdankt die Regierung in erster Linie dem historisch niedrigen Zinsniveau, das auch die Schuldendienstleistungen abmildert. Außerdem schlägt ein starker Anstieg der Steuereinnahmen zu Buche, der sich ausschließlich aus konjunkturellen Effekten speist. Zugleich ist das Gesamtvolumen der öffentlichen Verschuldung in Deutschland seit Merkels Amtsantritt von 1,52 auf mittlerweile 2,16 Billionen Euro hochgeschnellt. Die Verschuldungsgrenze des EU-Vertrages, vom Bundesfinanzministerium nonchalant als „Maastricht-Referenzwert“ bezeichnet, konnte seit 2005 in keinem Jahr auch nur annähernd eingehalten werden.

Dabei wäre es sicher nicht gerecht, die von der Kanzlerin verantwortete Politik pauschal als Ursache aller Haushaltsprobleme zu brandmarken. Die Folgen der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise und die Verwerfungen im Euro-Raum gehen weit über alles hinaus, was sich durch eine Bundesregierung autonom steuern lässt. Dennoch erscheint eine sachliche Kritik gerechtfertigt, die an vier Punkten anknüpft.

Solider geht immer

Erstens hat sich in der Amtszeit der Bundeskanzlerin eine Neigung zum Opportunismus bei der Bereitstellung öffentlicher Gelder gezeigt, der in dieser Form befremdet. Drei Beispiele sollen dies verdeutlichen. Da ist zunächst die flächendeckende Anschaffung von Impfstoff gegen die Schweinegrippe im Wahljahr 2009. Die Entscheidung über diese von Bund und Ländern getragene Maßnahme platzte vielerorts mitten in den Abschluss von Haushaltsverhandlungen hinein. Während die Fraktionen über Tausenderbeträge oft stundenlang diskutiert hatten, wurde der Impfmittelkauf innerhalb von Minuten durchgewunken. Die Bevölkerung erwies sich jedoch als weitgehend immun gegen die medial geschürte Hysterie, und so mussten Impfportionen im Wert von 130 Mio. Euro ungenutzt vernichtet werden. Ein zweites Beispiel ist die Freigabe von 5 Mrd. Euro für die Verschrottung von Altautos, die ebenfalls im Wahljahr 2009 erfolgte. Durch die Abwrackprämie wurden keine bleibenden Werte geschaffen. Vielmehr handelte es sich um eine reine Subventionszahlung für die Autoindustrie, die zum Teil sogar an ausländische Konzerne floss. Die Prämie hat fast ausschließlich Mitnahmeeffekte produziert, und Gebrauchtwagenhändler wurden nachhaltig geschädigt. Schließlich ist der Nachtragshaushalt des Wahljahres 2013 zur Beseitigung von Hochwasserschäden anzuführen. Dieser Sonderetat umfasst rund 8 Mrd. Euro und wird zu hundert Prozent über zusätzliche Neuverschuldung finanziert. Wenn selbst die sozialdemokratische Opposition moniert, dass alternative Finanzierungsmöglichkeiten nicht einmal erörtert wurden, sollte dies CDU und CSU zu denken geben.

Zweitens ist offensichtlich, dass die unionsgeführte Regierung vorhandene Einsparpotentiale kaum genutzt hat. Das Bundesfinanzministerium verdunkelt diesen Sachverhalt als „wachstumsfreundliche Konsolidierung“, so als sei es aus konservativer Sicht vertretbar, ausgerechnet die Staatsausgaben als Konjunkturmotor zu betrachten. Zwar behauptet Minister Schäuble, die Subventionen auf zuletzt 21,3 Mrd. Euro reduziert zu haben. Doch das Kieler Institut für Weltwirtschaft geht von einem Betrag von über 40 Mrd. Euro aus, wenn man denn den Subventionsbegriff sauber definiert. Zwischenzeitlich hat der Bund der Steuerzahler Einsparvorschläge im Umfang von 20 Mrd. Euro vorgelegt. Zu echten Ausgabenkürzungen scheint die Merkel-Regierung jedoch nicht bereit zu sein.

Dies geht drittens auch aus dem Wahlprogramm der Union für die kommende Legislaturperiode hervor. Zwar plakatieren CDU und CSU „Solide Finanzen“, aber eben auch „Mehr für Familien“. Dabei hat Ministerin Schröder gerade erst einen Evaluationsbericht vorgelegt, nach dem bereits jetzt ein Großteil der familienpolitischen Leistungen ins Leere läuft. Doch die Union will „für alle Mütter oder Väter, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, die Erziehungsleistung mit einem zusätzlichen Rentenpunkt in der Alterssicherung berücksichtigen“. Außerdem sollen langjährig Versicherte „einen Zuschuss zur Rente auf 850 Euro erhalten". Ferner ist eine Erhöhung des Kindergeldes geplant, der mit einer Aufstockung des Kinderfreibetrages auf Erwachsenenniveau einhergehen soll. Insgesamt belaufen sich die „Wahlversprechen“ der Union auf 21 Mrd. Euro, was die Ernsthaftigkeit echter Konsolidierungspolitik in Frage stellt.

Rot steht für Freiheit

Der vierte Kritikpunkt schließlich ist ein grundlegender: Warum hat die Union nicht den Mut, die Kürzung von Staatsausgaben als nicht nur politisch unausweichlich, sondern zuvorderst auch als höchst wünschenswert zu vertreten? Oft sind die Bürger klüger, als die Politiker vermuten. Sie wissen, dass Staatsgeld Steuergeld ist und Steuergeld einmal Privatgeld war. Warum muss man jenen das Feld überlassen, die es als Ideal verkaufen, wenn der Staat den Menschen ihr Geld wegnimmt, ihnen dafür Dinge kauft, die sie nicht haben wollen, und von ihnen schließlich auch noch Dankbarkeit erwartet? Die Union lässt sich oft auf eine Debatte ein, die Haushaltskonsolidierung und andere Staatsziele als konfliktbelastet darstellt. Dabei ist es wahrlich kein Gegensatz, öffentliche Etats zu sanieren und „etwas für Soziales zu tun“. Denn gerade die schwächsten Glieder sind auf solide Staatsfinanzen angewiesen, damit zumindest Pflichtaufgaben auch künftig noch wahrnehmbar sind. Der größte und womöglich einzige Erfolg der Großen Koalition ist die Föderalismusreform, verbunden mit der Verankerung einer Schuldenbremse im Grundgesetz. Man müsste sie nun ergänzen durch leidenschaftliche Malerei mit dem Rotstift auf der Leinwand eines Haushaltsplans. Soviel Poesie muss einfach sein.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Joachim Datko

Die Regierung wirtschaftet gut!

Wir fahren einen sehr erfolgreichen wirtschaftlichen Kurs, vielen anderen Ländern geht es nicht so gut.

Zitat aus dem Artikel: "Ein zweites Beispiel ist die Freigabe von 5 Mrd. Euro für die Verschrottung von Altautos, die ebenfalls im Wahljahr 2009 erfolgte."

Meiner Ansicht nach war es eine richtige Entscheidung. Es war in der damaligen Situation angebracht, Umsatz zu generieren.

Joachim Datko - Physiker, Philosoph
Forum für eine faire, soziale Marktwirtschaft
http://www.monopole.de

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