Expertise zur »Schuldensteuer« (Teil III)

Darf nicht die Mittelschicht treffen

Bürger und Sparer sollten die Diskussion zur "Schuldensteuer" sehr wachsam verfolgen. Entscheidungen könnten bei einer erneuten Zuspitzung der Schuldenkrise sehr schnell fallen. Kann eine Vermögensabgabe nicht verhindert werden, ist entscheidend, dass der Freibetrag hoch genug angesetzt wird. Die breiten Mittelschichten – gemessen am Vermögen – dürfen nicht betroffen sein. Kinderfreibeträge sind in jedem Fall notwendig.

Foto: FuFuWolf / flickr.com / CC BY 2.0
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Eine Vermögensabgabe der Bürger zur Reduzierung der Staatsschulden ist aus verschiedenen Gründen problematisch: Die Maßnahme ist schwierig in der Umsetzung, sie ist rechtlich zweifelhaft und die Akzeptanz bei den Betroffenen ist sehr gering. Trotzdem wird die Vermögensabgabe derzeit von unterschiedlichen Institutionen – vor allem dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Bundesbank als Mittel zur Lösung des Schuldenproblems ins Spiel gebracht. Im Bundestag wurde eine mögliche Vermögensabgabe bereits im September 2012 diskutiert. Bündnis 90 / Die Grünen und die Linkspartei hatten Anträge eingebracht, die jedoch mit der Mehrheit der Schwarz-Gelben Regierungskoalition abgelehnt wurden.

Eine Vermögensabgabe könnte also in nicht allzu ferner Zukunft zur Realität werden – vor allem, wenn sich die europäische Schuldenkrise intensiviert. Der Fall Zypern – dort wurde auf Bankeinlagen, die größer als 100.000 Euro waren, hohe Abgaben erhoben – hat gezeigt, dass auch bislang nicht gekannte Wege eingeschlagen werden. Allerdings handelte es sich im Falle Zyperns um einen so genannten Bail-In, das heißt betroffen waren nur Personen, die Einlagen bei einer bestimmten Bank hatten – und nicht wie bei der Vermögensabgabe alle steuerpflichtigen Bürger eines Staates.

Die entscheidende Stellschraube bei der Ausgestaltung der Vermögensabgabe ist der Freibetrag – also die Vermögensgrenze, unterhalb derer die Bürger keine Vermögensabgabe leisten müssen. Davon hängt ab, welcher Teil der Bevölkerung betroffen ist. Wird der Freibetrag relativ niedrig angesetzt, wäre die breite Mittelschicht betroffen. Läge dieser beispielsweise bei 100.000 Euro, wären schon viele Eigentümer von Einfamilienhäusern – sofern diese schuldenfrei sind – betroffen, denn in der Vergangenheit bezogen sich Vermögensabgaben nicht nur auf das private Finanzvermögen, sondern auch auf Immobilien- und Betriebsvermögen.

Gretchenfrage Freibetrag

Einige Akteure der derzeitigen Debatte – wie beispielsweise das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sprechen sich dafür aus, so genannte „Normalbürger“ durch Freibeträge auszunehmen. Die Bundesbank spricht in ihrer Stellungnahme zwar von Freibeträgen. Sie geht jedoch nicht weiter ins Detail. In den anderen Diskussionsbeiträgen, wie dem des IWF, ist von einem Freibetrag keine Rede.

Einen Ansatzpunkt für einen Freibetrag bietet das Grundgesetz: Dort sieht Artikel 106 grundsätzlich die Möglichkeit einer Vermögensabgabe vor. Das Grundgesetz macht keine Angaben zur Ausgestaltung der Abgabe. Es bestimmt lediglich, dass künftige Vermögensabgaben, eine vergleichbare Struktur haben sollen wie die Vermögensabgaben der Vergangenheit. Bei den früheren Vermögensabgaben in Deutschland gab es jeweils Freibeträge. Diese betrugen oft ein Mehrfaches eines durchschnittlichen Jahresgehalts.

IWF-Papier sieht keinen Freibetrag vor

Im Rahmen der Diskussion werden aktuell unterschiedliche Untergrenzen diskutiert. Die Boston Consulting Group bringt in einem Papier einen Freibetrag von 100.000 Euro ins Spiel. Das DIW hat sehr detaillierte Berechnungen vorgenommen und verschiedene Szenarien durchgespielt: Wenn der Freibetrag bei 250.000 pro Person und 100.000 Euro pro Kind liegt, wären 4,4 Millionen Menschen in Deutschland betroffen, das sind 5,4 Prozent der bundesdeutschen Bevölkerung. Liegt der Freibetrag pro Person bei 500.000 Euro, schrumpft die Zahl der Betroffenen auf 1,2 Mio. Personen. Bei einem Freibetrag von einer Million Euro wären nur noch rund 0,3 Mio. Menschen abgabepflichtig. Deutsche Haushalte verfügen der Bundesbank zufolge über ein mittleres Nettovermögen von 51.400 Euro. Das Mittel liegt also deutlich unterhalb der vom DIW ins Spiel gebrachten Freibeträge von 250.000 oder 500.000 Euro.

Grundsätzlich führt ein höherer Freibetrag zu einer breiteren Akzeptanz in der Bevölkerung. Allerdings nehmen auch die Einnahmen des Staates mit steigendem Freibetrag ab– wenn auch nicht proportional, da die reichsten Personen ungleich größere Vermögen haben. Der Gesetzgeber muss also einen Kompromiss finden, der sich zwischen zwei Extremen bewegt – einerseits möglichst hohe Steuereinnahmen und andererseits möglichst wenig betroffene Bürger.

Bürger und Sparer sollten die Entwicklung auf jeden Fall sehr wachsam verfolgen. Entscheidungen könnten bei einer erneuten Zuspitzung der Schuldenkrise sehr schnell fallen. Kann eine Vermögensabgabe nicht verhindert werden, ist entscheidend, dass der Freibetrag hoch genug angesetzt wird. Die breiten Mittelschichten – gemessen am Vermögen – dürfen nicht betroffen sein. Kinderfreibeträge sind aus Familiensicht in jedem Fall notwendig.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Jungens-Mutter

Was habe ich erst gestern in unserer Zeitung gelesen ? Da unsere kleine Stadt vom "Not-Haushalt" bedroht ist, haben die Oberen nun beschlossen, die Grundsteuer der "Häusle"-Besitzer einfach mal eben um 100% hochzusetzen...
"Damit können wir die Verschuldung kurzfristig mildern" so der Kämmerer, und:
"Es trifft ja die Eigenheim-Besitzer - also keine Armen..."
- Vielen Dank !
Als Familie mit 4 Kindern hört man sowas ja immer wieder gern.

Gravatar: Karin Weber

Um die Ausplünderung der Mittelschicht geht es aber gerade. Es ist unwahrscheinlich, dass die Superreichen etwas abgeben und bei den H4-Betroffenen ist nichts zu holen. Bleibt also nur der Mittelstand.

Außerdem kann man die Lebensverhältnisse in Europa nur angleichen, nicht in dem man die Rumänen etc. reicher macht, sondern in dem man das Vermögen der Deutschen abschmilzt. So einfach ist das und da muss sich auch niemand einer Illusion hingeben.

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