Deutsche Außenpolitik unter Otto von Bismarck

Bismarck – der Diplomat

Nach der Proklamation des Kaiserreiches war es Bismarck gelungen, mit Hilfe seiner geschickten Bündnispolitik Deutschland vor der Isolation zu bewahren und Frankreich von seiner Revanche abzuhalten.

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Der Sieg über Frankreich und die Proklamation des Deutschen Reiches im Spiegelsaal von Versailles im Jahre 1871 war der Beginn einer neuen Ära. Deutschland war mit einem Ruck zu einem führenden Staat Europas geworden.

Das preußische Militär erwies sich als modern, diszipliniert, gut ausgerüstet und hoch effizient. In den folgenden vier Jahrzehnten wuchs Deutschlands Industrieproduktion und Wirtschaftskraft überproportional. Lediglich Großbritannien konnte mit diesem Tempo Schritt halten. Frankreich war weit abgeschlagen.

Zudem wuchs die deutsche Bevölkerung. 1871 hatte Deutschland rund 41 Millionen Einwohner. 1910 waren es knapp 65 Millionen. Zum Vergleich: Frankreich hatte 1871 eine Bevölkerung von etwa 38 Millionen, die bis 1910 lediglich auf rund 41 Millionen angestiegen war. Auch Großbritannien hatte – ohne Kolonien – um 1910 lediglich 42 Millionen Einwohner. Deutschland hatte schon allein durch die Geburtenrate die konkurrierenden Länder abgehängt.

Otto Fürst von Bismarck war bereits bei der Reichsproklamation und Annexion Elsass-Lothringens klar, dass die anderen europäischen Mächte die weitere Entwicklung Deutschland genauestens beäugen würden. Daher betonte er deutlich, dass Deutschland keinerlei weitere territoriale Ansprüche habe. Deutschland sei „satuiert“ und mit dem Status quo zufrieden, wie er immer wieder betonte.

Doch der Sieg über Frankreich und der Aufstieg Deutschlands zur europäischen Macht trugen den Keim zukünftiger Konflikte bereits in sich. In Frankreich erwachte der Revanchismus. Und in Großbritannien sorgte man sich um die britische Vorherrschaft in der globalen Kolonialpolitik, um die britische Ausnahmestellung im internationalen Handel und um die „Balance of Power“ auf dem europäischen Kontinent. Bismarck war sich diesen Problemen bewusst. Deutschland konnte nur bestehen, wenn es in seiner Diplomatie sorgfältig und vorsichtig agierte und starke Bündnispartner an seiner Seite wusste.

Erster Schritt war das Dreikaiserabkommen zwischen dem Deutschen Reich, Österreich-Ungarn und dem russischen Zarenreich. Dieser Dreibund, der komplett Mittel- und Osteuropa zu einem monolithischen Machtblock werden ließ, entsprach nicht den Interessen Frankreichs und Großbritanniens. Sie versuchten, den Dreibund aufzulösen, indem man auf Russland einwirkte.

Im Zuge einer außenpolitischen Krise im Jahre 1875 war dies schließlich gelungen. Russland löste sich vom Dreikaiserabkommen. Daraufhin einigten sich Deutschland und Österreich-Ungarn 1879 auf den sogenannten Zweibund. 1881 konnte das Vertrauen Russlands zurück gewonnen und der Dreikaiserbund erneuert werden.

Weitere Bemühungen drehten sich um die Einbindung Italiens und Rumäniens. 1882 schlossen Italien, Österreich-Ungarn und das Deutsche Reich ein Verteidigungsbündnis. Italiens Motivation war die Absicherung gegen Frankreich, denn in Paris argwöhnte man gegen die italienische Kolonialpolitik in Libyen – war doch Nordafrika das Ziel französischer Ambitionen. Rumänien trat 1883 diesem Bund bei.

Defensivpolitik: Sicherheit statt Expansion

Bismarcks Bemühungen auf dem diplomatischen Parkett waren defensiver Natur. Ihm war klar, dass jedes expansive Bestreben Deutschlands zur Isolation führen würde. Den kolonialen Großmachtambitionen vieler Landsleute stand er skeptisch gegenüber. Die Gründung der deutschen Kolonien erfolgte stets unter vorsichtiger Rücksichtnahme britischer Interessen.

Problematisch waren die Bemühungen um diplomatische Beziehungen zur Türkei, dem damaligen Osmanischen Reich. Einerseits war es den Briten ein Dorn im Auge, dass Deutschland sich der Hohen Pforte diplomatisch annäherte. Andererseits waren die Russen enttäuscht. Denn Russland strebte nach dem offenen Weg zum Mittelmeer. Das Osmanische Reich war der natürliche Gegner.

Doch das Hauptproblem für Deutschland blieb Frankreich. Das Bismarcksche Spiel kannte zwei Hauptstoßrichtungen: Deutschland durch Bündnissysteme aus der Isolation herauszuholen und Frankreich in die Isolation zu treiben. Um dieses Ziel zu erreichen, musste man seinen jeweiligen Bündnispartnern Konzessionen zugestehen.

Berlin – Stadt der internationalen Kongresse

Die Anerkennung Deutschlands und der diplomatischen Bemühungen Bismarcks zeigte sich an den wichtigen Konferenzen, die in Berlin stattfanden. So fand beispielsweise im Sommer 1878 in der deutschen Hauptstadt der Berliner Kongress zu Beendigung der Balkankrise statt. Es kamen die Vertreter Großbritanniens, Österreich-Ungarns, Russlands, des Osmanischen Reiches, Frankreichs und Italiens an die Spree.

Bei den Verhandlungen ging es unter anderem um die Selbständigkeit und Zukunft von Rumänien, Serbien und Montenegro. Russland konnte sich Bessarabien (heutiges Moldawien) und Teilgebiete Armeniens aneignen. Großbritannien sicherte sich die Kontrolle über Zypern. Und Österreich-Ungarn bekam freie Hand für Bosnien-Herzegowina. Für Deutschland und Bismarck persönlich war der Berliner Kongress ein Erfolg, der er zeigte, dass das Reich als außenpolitisch bedeutende Großmacht anerkannt war. Bismarck verzichtete demonstrativ auf deutsche Ansprüche und spielte den Vermittler zwischen den anderen Großmächten.

Ein weiterer Erfolg für die Anerkennung Deutschlands als diplomatisch bedeutender Staat war die Berliner Kongo-Konferenz. Hier trafen sich die Vertreter fast aller europäischen Kolonialmächte, um ihre jeweiligen Interessen in Afrika abzusprechen und die Gestalt des neutralen Kongo-Staates zu regeln, der schließlich dem belgischen König Leopold II. anvertraut wurde. Für die afrikanische Bevölkerung – und aus heutiger moralischer Perspektive – war die Kongo-Konferenz eine menschliche Katastrophe, die zur weiteren Ausbeutung des Kontinents und zum Desaster im Kongo führte.

Ende der Diplomatiekultur – Bismarcks Rückzug aus der Politik

1890 ging der „Lotse von Bord“. Bismarck wurde aus seinem Amt entlassen. Kaiser Wilhelm II. griff persönlich in die Außenpolitik ein. Er verspielte schnell die Vorteile, die Bismarck dem Deutschen Reich erarbeitet hatte. Unter Wilhelm II. kam es nicht zu einer Erneuerung des Dreikaiserbundes mit Russland. Prompt bildete sich ein Bündnis zwischen Russland und Frankreich. Deutschland war beidseitig isoliert.

Noch schlimmer war das offensichtliche Bestreben des Kaisers nach kolonialer Expansion, dem Streben nach dem deutschen „Platz an der Sonne“. Hinzu kam die massive Aufrüstung und Aufstockung der deutschen Hochseeflotte. Es war abzusehen, dass Großbritannien diese Entwicklung nicht dulden konnte.

Und so kam es, wie es kommen musste: Frankreich, Großbritannien und das Russische Reich stellten sich mit der „Triple Entente“ gegen das Deutsche Reich. Deutschland war isoliert. Der Albtraum Bismarcks war wahr geworden – allen Warnungen zum Trotz.

Am 1. April 2015 jährt sich Bismarcks Geburtsdatum zum 200sten Mal. Er starb 1898. Ihm blieb das Schicksal erspart, den unglücklichen Verlauf der deutschen Geschichte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts miterleben zu müssen.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Stephan Achner

"Bismarck - der Diplomat." - ja, sicher, aber nur in der Funktion eines Diplomaten. Ein Diplomat im Sinne von "Gespräche und Verhandlungen sind besser als Kriege" war Bismarck ganz bestimmt nicht. Auch ist seine "geschickte Bündnispolitik" eher eine heutige Sichtweise als damalige Realität.

Bismarck hat stets auf Konfrontation gesetzt. So hat er innenpolitisch die erste deutsche Demokratiebewegung 1848 in der Paulskirche mit all seinen Möglichkeiten bekämpft, genauso wie danach die Katholiken und die Sozialdemokraten. Außenpolitisch hat Bismarck mit dem üblen und unanständigen Trick der sog. Emser Depesche Frankreich 1870 zur Kriegserklärung gegen Deutschland provoziert, was alles andere als diplomatisch war. Und auch bei den vorherigen Kriegen Preußens gegen Dänemark und Österreich hat Bismarck ähnliche völlig undiplomatische Mittel eingesetzt. Für Bismarck war Krieg ein Mittel der Politik, was dem Wesen der Diplomatie völlig widerspricht. Und seine "geschickte Bündnispolitik" war nur erforderlich, weil er sich Frankreich vorsätzlich zum Feind machte und diese Feindschaft auch nie überwinden wollte. Ohne diese von Bismarck gewollte Feindschaft hätte es auch dieser "geschickten Bündnispolitik" nicht gebraucht. Die Gründung des Deutschen Reiches im Spiegelsaal von Versailles, also auf französischem Boden, hat ebenfalls mit Diplomatie überhaupt nichts zu tun. Das war nur eine gewollte totale Demütigung der Franzosen. Dies waren letztendlich die Wurzeln des 1. Weltkrieges - von Bismarck gelegt. Es ist immer die Frage, von welchem Zeitpunkt an man Geschichte beurteilt. Dabei sollte man nie Ursache und Wirkung verwechseln.

Gravatar: Martin Möller

Dieser Aufsatz ist faslch, dumm und antideutsch. Denn er schiebt Deutschland in Person seines Kaisers irgendeine Schuld in die Schuhe, die es nicht einmal nähreungsweise gehabt hat. Wenn die Politik des Kaisers teils problematisch war, dann weil sein Vater und Großvater ihm ein praktisch unertäglich schweres Erbe hinterlassen haben. Weder die Kolonialpolitik noch die Flottenpolitik des Kaisers richteten sich gegen irgend jemanden, schon gar nicht gegen Birtannien, dem Wilhelm fast sklavisch sergeben war. Warum "konnte" Britannien den maßvollen Flottenaufbau deutschlands nicht dulden? Das ist glatte Hetze. Britannien spielte nach außen den edlen Freund, baute aber sehr geheim die antideutsche Koalition auf, und zwar nicht mit dem dem Ziel der Stärke, sondern mit dem Ziel der möglichst totalen Zerstörung Deutschlands, wie es ja dann auch kam. Dies perfide und amoralische Politik hier auch noch als zwangsläufig hinzustellen, ist pervers. Bismarcks Politik gegenüber Frankreich kann man nur als tragisch gescheitert betrachten, Schon 5 (fünf) Jahre nach dem Frankfurter Frieden war Frankreich wieder so stark, daß es in Deutschland die "Krieg in Sicht"-Krise auslösen konnte. Weder BIsmarck, noch einer seiner Nachfolger war in der Lage, dieses Problem zu lösen. Das dann dem Kaiser in die Schuhe zu schieben, der leider durchgängig eine Friedenspolitik betrieb (1913: 25 jähriges Friedensjubiläum!!!) ist pervers und abartig.

Gravatar: P.Feldmann

Danke für diesen kurzen Abruss europäischer und deuts. Geschichte!
In Zeiten wie diesen (euro u. EU) wohl ein besonderes Lehrstück. Bismarck wäre ein Wegweiser dafür, dass man durch Politik Probleme verhindert und nicht dauernd schafft. Bismarck wäre damit ein histor. Konterpart zu Merkel o. anderen deutsch und EU Politikern.

Ich habe für diesen Mann und sein Werk hohe Achtung seit ich im Geschichtsunterricht durch späte Lektüre die Zusammenhänge sah. Mehr Bismarck und es hätte keinen A.Hitler gegeben.

Gravatar: P.Feldmann

dem Fresser ist alles Frass.

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