Ukraine, Krim und Russland

Außer Kontrolle oder alles nach Plan?

In den Medien wird die Sorge um Menschenrechte und Frieden in den Vordergrund gerückt. Doch hinter den Kulissen geht es um langfristige ökonomische und geostrategische Ziele. Ist die Westbindung der Ukraine ein Schachzug zur Einkreisung Russlands?

Veröffentlicht:
von

Als Mitt Romney Russland als geopolitischen Feind Nummer eins bezeichnete, konterte Dimitrij Medwedjew, das rieche nach Hollywood. Doch vermutlich steckt mehr Ernst in solchen Aussagen, als allen lieb ist. Denn die Rhetorik aus Washington lässt mittlerweile den deeskalierenden Ton vermissen.

Wladimir Putin ist sicher kein „lupenreiner Demokrat“. Aber kann man ihn mit Hitler vergleichen, wie Hillary Clinton es getan hat und John McCain ihr beipflichtete? Auch John Kerry lässt keine Chance aus, eine wortreiche Drohkulisse aufzubauen. Das US-Außenministerium versucht mittlerweile, Putin öffentlich als Lügner zu diskreditieren. Kann man so die Krise entschärfen? Oder braucht Amerika ein neues Feindbild?

Selbst der polnisch-amerikanische Politikwissenschaftler Zbigniew Brzezinski und die Ex-US-Außenministerin Madeleine Albright betonten auf CNN die Notwendigkeit, konsequent der Ukraine-Krim-Politik Putins entgegenzutreten. Sie erinnerten an das Münchener Abkommen von 1938, als die Westmächte dem Anschluss des Sudetenlandes ans Deutsche Reich zustimmten. Russland dürfe auf keinen Fall die Ukraine destabilisieren. Brzezinski und Albright sind als Hardliner gegen Moskau bekannt.

Doch unausgesprochen bleibt die Frage, inwieweit die USA und einige westeuropäische Regierungen Interesse daran haben, Russland dauerhaft zu schwächen und zu isolieren.

Wie weit kann Russland zurückweichen?

Es war ein Gentlemen’s Agreement. George Bush hatte Michail Gorbatschow versprochen, dass im Falle einer deutschen Wiedervereinigung die NATO nicht weiter nach Osten vorrücken würde. Doch was gilt schon ein mündliches Versprechen?

1999 wurden Polen, Tschechien und Ungarn NATO-Mitglieder. 2004 traten Litauen, Lettland und Estland bei. Damit wurden erstmals Staaten der ehemaligen UdSSR Vollmitglieder des Bündnisses. 2009 schlossen sich Kroatien und Albanien an. Dann kam die Stationierung von Patriot-Raketenabwehrsystemen in Polen und die leidige Diskussion um ein Raketenabwehrschild im Orbit. Angeblich sei dies alles gegen Schurkenstaaten wie Iran gerichtet.

Die USA unterhalten Militärstützpunkte in verschiedenen ehemaligen Sowjetrepubliken: Dazu gehören die Manas Air Base in Kirgisien sowie Stützpunkte in Tadschikistan, Usbekistan und Georgien.

In Finnland und Schweden wird der NATO-Beitritt diskutiert. Damit wäre fast der gesamte Ostseeraum unter Kontrolle der NATO, ausgenommen die Küstenabschnitte um Kaliningrad und Sankt Petersburg.

Wie steht es um den Beitritt der Ukraine in die NATO?

1997 wurde die NATO-Ukraine-Charta verabschiedet, mit der die Ukraine näher ans transatlantische Bündnis rückte. Dies war von Anfang an mit Schwierigkeiten verbunden, da Russland auf der Krim nicht auf seinen Marinestützpunkt der Schwarzmeerflotte verzichten kann.

Seitdem ist der endgültige Beitritt der Ukraine zur NATO ein heißes Eisen. Für Russland ist es eine Albtraumvorstellung. In der Ukraine ist dieses Thema politischer Sprengstoff. Leonid Kutschma, Wiktor Juschtschenko und Julija Timoschenko streben einen Beitritt sowohl in die EU als auch in die NATO an. Deshalb sind sie in Moskau nicht beliebt, zumal sich Ex-Präsident Juschtschenko im Georgienkonflikt 2008 gegen Russland stellte.

Der 2010 gewählte und 2014 gestürzte ukrainische Präsident Wiktor Janukowytsch lehnte einen Beitritt der Ukraine in die NATO ab. Seiner Meinung nach fährt sein Land besser als blockfreies Land durch die Fahrwasser der internationalen Politik. Unter Janukowytsch wurden auch die EU-Beitrittsbemühungen auf Eis gelegt, woraufhin die Demonstrationen auf dem Maidan Nesaleschnosti in Kiew folgten.

Deutschland im Dilemma

Angela Merkel und Joachim Gauck sind schnell bei der Sache, wenn es darum geht, Amerika zu loben und Russland zu kritisieren. Für die amerikanischen Freunde hat man immer Verständnis. Dieses Verhältnis kann auch nicht durch Guantanamo, Irakkrieg, „Weapons of Mass Destruction“-Lüge vor der UNO, NSA-Affäre und vieles mehr beschädigt werden. Der Öffentlichkeit ist schon lange aufgefallen, dass mit zweierlei Maß gemessen wird.

In der Ukraine-Krise bemüht sich Deutschland um den diplomatischen Dialog mit Putin. Schließlich braucht man russisches Erdgas. Doch wird die deutsche Initiative überhaupt gebraucht? Und welche Rolle spielt Vitali Klitschko? Der Weltklasseboxer ist sicherlich ein sehr sympathischer Mensch. Aber hat ihn irgendjemand außerhalb Deutschlands als politische Größe wahrgenommen? Ist er ein Held des Maidan oder nur eine Marionette, um den westlichen Fernsehzuschauern eine Identifikationsfigur zu bieten, damit die Sympathien von vornherein festgelegt sind? Jedenfalls ist klar, dass bestimmte Kräfte in der EU ein großes Interesse an einer Anbindung der Ukraine haben. Würden sie sonst ein schnell geschnürtes Hilfspaket in Höhe von 11 Milliarden Euro in Aussicht stellen?

Lettland, Estland und Litauen sind schon in der EU. Weißrussland, Ukraine und Moldawien sowie Georgien, Aserbeidschan und Armenien gelten als Mitgliedsländer der „Östlichen Partnerschaft“ im Rahmen der „Europäischen Nachbarschaftspolitik“ (ENP). Somit ist Russland in Europa eingekreist und isoliert. Treibende Kraft bei dieser Bindung der ehemaligen Sowjetrepubliken an die EU war der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski.

Warschau ist strategischer Partner der USA

Sikorski war Direktor der „New Atlantic Initiative“ am „American Enterprise Institute“ in Washington. Wichtige Themen dieser neokonservativen Denkfabrik waren Pläne zur Transatlantischen Freihandelszone und zur Einkreisung Russlands durch NATO-Erweiterungen auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion.

Die Ukraine ist direkter Nachbar Polens. Moskau wirft Polen vor, an der Eskalation der Unruhen in Kiew mitgewirkt zu haben. Polen weist diesen Vorwurf von sich. In Warschau sind sich Regierung und Opposition einig, dass man auf keinen Fall eine Spaltung oder russische Besetzung des Nachbarlandes wolle.

Für die USA ist Polen ein wichtiger Bündnispartner. Man erinnere sich an Donald Rumsfelds Unterscheidung vom alten und neuen Europa. Polen ist weniger zögerlich den USA beizuspringen als beispielsweise Deutschland. Und in der Ukrainefrage ist Polen entschlossener, denn Russland ist Polens traditioneller Angstgegner.

Ein Riesengeschäft für die Rüstungsindustrie

Bereits 1961 warnte US-Präsident Eisenhower vor dem Einfluss des militärisch-industriellen Sektors. Das Pentagon hat seit dem Zusammenbruch des Warschauer Paktes nicht weniger, sondern mehr Finanzmittel für den Verteidigungshaushalt bekommen. Kein anderes Land hat ein annähernd großes Verteidigungsbudget wie die USA.

Angesichts der Ukrainekrise versprechen die USA den osteuropäischen Ländern wie Polen eine Aufstockung der Militärhilfe. Warschau ist begeistert. Für die US-Waffenindustrie wird das wieder ein Riesengeschäft.

Einkreisung Russlands durch NATO und TTIP als strategisches Ziel?

Als man in den 1990er Jahren die Transatlantische Freihandelszone diskutierte, sprach man von einer Wirtschafts-NATO. Tatsächlich sind aktuell alle NATO-Staaten an den umstrittenen Verhandlungen des Freihandelsabkommens (Transatlantic Trade and Investment Partnership, TTIP) beteiligt. Man liegt wohl nicht falsch, wenn man schlussfolgert, dass langfristig die Ukraine in dieses System eingebunden werden soll. Dann fehlt nur noch der Raketen-Abwehrschirm gegen Russland, und der Masterplan für einen nordamerikanisch-europäischen Militär- und Wirtschaftsblock wäre vollendet. Erst dann wäre der Kalte Krieg von einst endgültig gewonnen.

Putin steht mit dem Rücken zur Wand. Doch bei aller berechtigten Kritik an seinem Vorgehen auf der Krim: Es wäre gefährlich, Russland weiter zu provozieren und in die Ecke zu drängen.

Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte
unterstützen Sie mit einer Spende unsere
unabhängige Berichterstattung.

Abonnieren Sie jetzt hier unseren Newsletter: Newsletter

Kommentare zum Artikel

Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.

Gravatar: Pierre Dumont

Ich bin in allen Punkten Ihrer Meinung. Eine Frage steht immer noch im Raum ; Was führt
der größte Agressor bei uns in Europa im Schilde ? Man kann diese Frage mit etwas Denkver-
mögen und gesundem Hirn auch selbst beantworten, Reine Machterweiterung und den Drang Unfrieden zu schaffen.. Der Amerikaner hat in Europa nichts und überhaupt zu suchen, Vasallen der USA , nicht fähig Entscheidungen zu treffen und in der Lage sein einen friedlichen Konsens mit den Krisenstaaten herbei zu führen. Der amerikanische Außenminister erinnert an den legandären Frankenstein. Mit der Statur und dem Ungelenk mit Drohungen und Sanktionen im Hinterkopf kann er nichts bewirken außer mit Hilfe der USA-Schafe einen Krieg gegen Rußland zu führen, was nicht zu wünschen wär. Ich bewundere immer wieder die Ruhe und Überlegenheit von Putin , der ein realer Politiker und Präsident ist. Die Nato mit
Manövern vor rußlands Haustür zu präsentieren, ist dümmer als dumm.

Gravatar: Dumont

Putin ist zu bewundern durch seinen Ruhe und Überlegenheit gegenüber westlichen Politikern,
diese sind unfähig auf diplomatische Weg einen Konsens zu finden. Diese Krise ist aud europä-
ischer Ebene zu lösen ohne die USA . Was hat hier der Amerikaner sich einzumischen ?
Die Antwort ist die USA -Machterweiterung gen Osten. Amerika möchte den Nebenbuhler
Rußland demontieren. Der USA-Außenminister (an Frankenstein erinnert) ungelenk und nichts "auf dem Kasten" mit Drohungen und Sanktionen im Hirn, spielt mit dem Feuer.
Will die USA einen Krieg auf europäischen Boden provozieren und führen ?
Stützpunkte sind mit Hilfe der politischen Kleinkinder und durch Manipulationen und Gehirn
wäschen in Europa geschaffen worden. Die Nato ins Spiel zu bringen mit Sanktionen von
Kriegsgerät mit Manöwern vor rußlands Tür ist die einzige Alternative der EU ich sage offen,
den größten Agressor USA

Gravatar: Waldgänger aus Schwaben

Die EU / NATO wollte um neue Absatzmärkte zu erschliessen und um neue billige Arbeitskräfte zu bekommen sich die Ukraine einverleiben.
Putin hat das erst mal verhindert.

Ich wollte wir hätten in Deutschland Staatsmänner wie Putin, die so klug und entschieden die Interessen ihres Landes vertreten.

Dass Putin bei diesem Konflikt über Leichen ging und russische Agenten auf Demonstranten schiessen liess, glaube ich nicht. Er hatte kein Interesse an der Eskalation.

Wer denn nun der Auftgageber der Scharfschützen auf dem Maidan war, wird wohl nie geklärt werden.

Gravatar: Gastschreiber

Der ganzer Konflikt in der Ukraine ist provoziert, es ist nicht das Volk das dort aufgestanden ist um die Regierung zu stürzen sondern es sind klar kalkulierte und geplante Aktionen durchgeführt worden die bestimmtem Zweck dienen.
Leute, seit wachsam, so-was passiert nicht das erste Mal, es sind ganz klar Muster zu erkennen die die Welt wo anders schon gesehen hat. Es sind Leute geschult worden wie man Regierungs-Umsturz plant und durchführt. Es sind Materialien verbreitet worden die mitunter auch in Ägypten eingesetzt worden sind. Menschen wurden bezahlt um die Straßenkämpfe anzufachen. Es wurden Leute von beiden Seiten umgebracht und selbst Leichen eingekauft um dieser Strategisch einzusetzen. Europäische Medien berichten einseitig und strickt nach Plan. Informiert euch selbst.

Gravatar: Michael Leh

Das ist ein völlig einseitiger Pro-Putin-Artikel. Putin will schon seit langem die Ukraine möglichst wieder "eingemeinden", für ihn war der Zusammenbruch de Sowjetunion die "größte geopolitische Katastrophe" des 20. Jahrhunderts. Wo er nur kann, versucht er seit langem, die Ukraine zu erpressen, um sie gefügig zu machen, sei es bei den Gaslieferungen oder mit allem anderem, was ihm zu Gebote steht. Vermutlich weiß der Kreml auch sehr gut über das Giftattentat auf den früheren ukrainischen Präsidenten Juschtschenko Bescheid. Die mutmaßlichen Täter sind auf russischem Gebiet und werden dort geschützt, weder werden sie an die Ukraine ausgeliefert noch durften sie m.W. von ukrainischen Justizvertretern in Russland befragt bzw. verhört werden. Der Westen, und zwar auch die EU und Deutschland hätten sich viel früher und intensiver um die Stärkung der demokratischen Kräfte in der Ukraine kümmern müssen. Das hätte in unserem Interesse gelegen und das nicht nur, weil die Ukraine ein strategisch wichtiges Land ist, sondern es ist auch der größte europäische Flächenstaat, dessen Gebiet ausschließlich in Europa liegt. Doch sowohl bei uns als auch in Brüssel haben die allermeisten, die so gern "Europa" im Munde führen, kaum je an die Ukraine gedacht. Es ist völlig verfehlt, übermäßiges Verständnis ausgerechnet für Putin aufbringen zu wollen.

Gravatar: HBS

Man braucht nur die geopolitische Karte von 1989 und 2013 vergleichen, um zu erkennen was gespielt wird.

Die Russen haben schon soviel Kröten geschluckt in den letzten Jahren, das ich mit einer Konfration schon viel früher gerechnet habe. Das regelmäßige Zurückweichen Russlands wurde als Schwäche angesehen.

Aber mit der Absicht, auf der Krim ebenfalls eine NATO-Basis zu erichten, hat in meinen Augen, der Westen eindeutig die rote Linie überschritten.

Was mich aber verärgert, ist das Spiel der "gesteuerten" deutschen Medien. Die betreiben eine Propaganda, die an Goebbels erinnert und hat mit neutraler Berichterstattung überhaubt nichts mehr zu tun.

Gravatar: H.R. Vogt

Putin im Vorteil
Man sollte nicht vergessen, dass das Schachspiel noch nicht entschieden ist.
Putin ist sicherlich kein schlechter Schachspieler und bisher erscheint mir ist seine Strategie sehr logisch und konsequent.
Dass er nicht jeden Zug zuvor mit Leuten, die ihm intellektuell nicht das Wasser reichen können, diskutieren muß, ist wohl ebenfalls ein Vorteil für ihn.

Gravatar: Kalfaktor

Könnte es nicht so sein, dass die westliche Politik in der Sackgasse angelangt ist, weil die Währungssysteme offenbar ihr Endstadium erreichen und sämtliche damit verbundenen Probleme ungelöst sind. Die Politik wird handlungsunfähig und sucht nach Auswegen.

Es war schon immer so, dass in solchen Zeiten Irrationalitäten die Oberhand gewinnen, um Verantwortung nicht tragen zu müssen. Die Geschichte zeigt das.

Hans-Werner Sinn: „Der Versuch, Länder wie die Ukraine aus dem russischen Einflussbereich herauszulösen und an den Westen binden zu wollen, ist naiv.“

Mit dem EU-Assoziierungsabkommen für die Ukraine hat man aber dennoch eine solche irrationale Politik eingeleitet, die nun zum Konflikt-Selbstläufer wurde. Wir sollten auf der Hut sein, auch was die Rolle unserer und der EU- Volksvertreter anbetrifft! Statt blindem Vertrauen sollte man wieder selbst denken lernen und Lehren aus der Geschichte ziehen.

Schreiben Sie einen Kommentar


(erforderlich)

Zum Anfang