Demonstration in Berlin

50.000 gegen TTIP

In Berlin haben auf einer Großdemonstration Zehntausende gegen TTIP, CETA und TiSA, gegen die totale Industrialisierung der Land- und Lebensmittelwirtschaft und für eine Agrarwende demonstriert.

Veröffentlicht:
von

Sie kamen aus dem ganzen Bundesgebiet angereist, einige sogar aus Polen. In Berlin haben sich am vergangenen Samstag fast 50.000 Menschen zu einer Großdemonstration versammelt. Viele Landwirte sind hunderte Kilometer mit ihren Treckern und Nutzfahrzeugen nach Berlin gefahren, um an der Kundgebung teilzunehmen. Rund 80 Traktoren konnte man zählen.

Mehr als hundert Organisationen hatten zu dieser Großveranstaltung aufgerufen, darunter Landwirtschaftsverbände, Umweltschutz- und Tierschutzorganisationen, Verbraucherschutzorganisationen, Bürgerinitiativen, verschiedene Parteien und Aktionsbündnisse. Ihr diesjähriges Motto: „Wir haben es satt!“

Menschen unterschiedlicher Interessen gingen Seite an Seite: Vegetarier trafen auf Tierzüchter, Bio-Bauern auf konventionelle Landwirte. Imker erklärten die Probleme ihres Berufsstandes. Sogar einige christliche Gruppen konnte man ausmachen, die sich um die Schöpfung Gottes sorgen. Doch diesmal wollten sie nicht spalten lassen nach dem Motto „teile und herrsche“, sondern Einigkeit demonstrieren für ihre gemeinsamen Ziele.

Gegen Mittag startete die Demonstration mit einer Massenkundgebung auf dem Potsdamer Platz in Berlin Mitte. Dabei zeigten die Menschen allerlei Kreativität bei der Artikulation ihres Protestes, sei es bei der Gestaltung der Umzugswagen oder anhand ihrer zahlreichen Kostüme, mit denen sich einige Demonstranten als Hühner, Kühe, Bienen oder Bäume verkleideten. Dann zog der mehrere Kilometer lange Demonstrationszug durch die Innenstadt vor das Bundeskanzleramt von Angela Merkel. Von dort gab es keine Reaktion. Das graue Zentrum der Macht strahlte auf die Menschen kühle Arroganz aus.

Für die Agrarwende – gegen TTIP, CETA und TiSA

Die Hauptsorgen der Demonstrierenden gelten der fortschreitenden Industrialisierung der Landwirtschaft und dem wachsenden Einfluss der internationalen Lebensmittel- und Agrargroßkonzerne. Sie befürchten eine weitere Ausbreitung der Massentierhaltung in industriellen Megaställen, den Aufkauf großer Landflächen durch Agrarkonzerne, die Verbreitung des genetisch modifizierten Saatgutes und den Verlust der Saatgutvielfalt.

Viele landwirtschaftliche Familienbetriebe und Bauernhöfe mussten in den letzten Jahren aufgeben, weil sie mit den Produkten aus Monokulturen und dem von Antibiotika durchseuchten Billigfleischangebot nicht mehr konkurrieren können. Manche fürchten um ihre nackte Existenz. Die Einschränkung der Kennzeichnungspflichten würde diesen Prozess beschleunigen, weil heimische Qualitätsprodukte immer schwieriger von billigen Massenimportwaren zu unterscheiden seien.

Auf abertausenden Schildern, Transparenten, Fahnen und Spruchbändern äußerten sich die Demonstrierenden gegen die großen transatlantischen Handels- und Investorenschutzabkommen TTIP, CETA und TiSA. Kaum ein Thema bewegte die Gemüter mehr. Man ist empört über die Arroganz der Regierungen und Industrielobby, wenn es um die rücksichtslose Durchsetzung elitärer Interessen geht. Zahlreiche Redner forderten mehr Rücksicht auf die Sorgen und Bedürfnisse der Zivilgesellschaft. Die sogenannten Freihandelsabkommen würden die Rechte und den Schutz der Verbraucher ebenso wie die Existenz zahlreicher Landwirte gefährden.

Besonders zornig sind die Menschen auf die Geheimhaltung der Verhandlungen. TTIP, CETA und TiSA werden hinter verschlossenen Türen verhandelt, ohne dass die Öffentlichkeit in den Diskurs darüber eingebunden ist. Das empfinden viele Menschen als bewusstes Unterwandern demokratischer Grundwerte.

Landwirte fürchten um die bäuerliche Lebenskultur

Bundesweit leben die Dörfer und ländlichen Gemeinden von der Landwirtschaft. Der Niedergang der Bauernhöfe würde zu einer weiteren Landflucht führen. In zahlreichen Gemeinden blieben dann nur noch die alten Menschen zurück, weil die jüngeren Generationen in den Städten neue Arbeit suchen müssten. Traditionsreiche Familienbetriebe würden aufgeben müssen.

Um die ländlichen Strukturen in Deutschland zu erhalten und zu pflegen, müsse die regionale Erzeugung der Lebensmittel gefördert werden. Dies sei zudem ökologisch sinnvoller als Lebensmittel aus Übersee zu importieren. Doch auch für die aus Übersee gelieferten Produkte sollten Fair-Trade-Bedingungen herrschen. Für die Bauern und Verbraucher ist es eine Albtraumvorstellung, wenn Konzerne wie Monsanto sich weltweit um die Verteilung und Kontrolle des Saatgutes bemühen. In vielen Ländern dürfen die Bauern nicht mehr ihr eigenes Saatgut produzieren, weil genetisch modifiziertes Saatgut lizenziert ist. Durch die transatlantischen Handelsabkommen – so befürchten die Landwirte und Verbraucherschutzverbände – würden auch in Europa der Agrarindustrie Tür und Tor geöffnet.

Besonders alarmierend sehen die Menschen die Investitionsschutzklauseln in den Handelsabkommen. Denn sie beschneiden der Zivilgesellschaft die Möglichkeit, die Verträge zu revidieren oder nachträglich neue Gesetze zu erlassen, ohne immens hohe Schadensersatzforderungen der Konzern befürchten zu müssen. Außerdem können sich die meisten landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland ein Verfahren vor den geheimen Schiedsgerichten, wie sie für die Abkommen vorgesehen sind, ohnehin gar nicht leisten.

TTIP-Protest im Mainstream angekommen

Die große Teilnehmerzahl und das breite Medienecho haben aufgezeigt, dass das Thema rund um TTIP, CETA und TiSA nun auch im Mainstream angekommen ist. Damit ist das Kalkül der Lobbyisten nicht aufgegangen, die Abkommen ohne großes Aufheben durchbringen zu wollen. Nun wird man um eine öffentliche Auseinandersetzung mit der Zivilgesellschaft nicht herumkommen.

Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte
unterstützen Sie mit einer Spende unsere
unabhängige Berichterstattung.

Abonnieren Sie jetzt hier unseren Newsletter: Newsletter

Kommentare zum Artikel

Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.

Gravatar: Kolb

Leider nix kapiert!

Gravatar: Klimax

Die üblichen Öko-Demonstranten. Gegen Gentechnik und alles, was irgendwie den Geruch moderner Technik hat. Sie müssen es doch nicht essen! Aber mir vorschreiben wollen, was ich essen darf? Nee, nicht mit mir.

Schreiben Sie einen Kommentar


(erforderlich)

Zum Anfang