Der fast vergessene Liberale

50. Todestag von Theodor Heuss

Heute vor 50 Jahren starb der erste Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland, Theodor Heuss. Und das sogar ziemlich genau am 15. Gründungstag der von ihm mitbegründeten Partei. Für fast alle Medien in diesem Land kein Thema.

Foto: Rolf Unterberg/Bundesarchiv B145/CC-BY-SA
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In kaum einer deutschen Zeitung findet er dieser Tage Erwähnung oder Würdigung, obwohl doch quer durch Deutschland seinen Namen überall Straßen, Plätze, Schulen, Bibliotheken und anderes tragen. Heute vor 50 Jahren starb einer der Väter des Grundgesetzes, der Gründungsvorsitzende der Freien Demokratischen Partei (FDP) und erste deutsche Bundespräsident Prof. Theodor Heuss.

Was würde ein großer Liberaler wie Heuss sagen zu seinen politischen Erben, die viele liberale Positionen aufgegeben haben, liberal oft mit beliebig verwechseln, und die von ihm mitbegründete Partei nach 64 Jahren Bundestagszugehörigkeit bis auf weiteres in den Sand gesetzt haben, als sie nur noch 4,8 Prozent der Stimmen errang? Als Heuss an ihrer Spitze stand, waren es 1949 fast 12 Prozent.

Heuss zählte damals schon zu den liberalen Urgesteinen, als es darum ging aus den Trümmern des Zweiten Weltkrieges wieder Deutschland neu aufzubauen. Der 1884 geborene Sohn eines württembergischen Regierungsbaumeisters, der Nationalökonomie, Literatur, Geschichte, Philosophie, Kunstgeschichte und Staatswissenschaften studierte, war 1902 Delegierte auf dem letzten Parteitag des Nationalsozialen Vereins, jener liberalen Partei von Friedrich Naumann, nach dem heute die parteinahe Stiftung heißt. Nach der Auflösung der Nationalsozialen ging er wie die meisten 1903 zur Freisinnigen Vereinigung über, aus der letztlich 1918 die Deutsche Demokratische Partei (DDP) wurde. 1930 benannte sich diese nach einer Fusion in Deutsche Staatspartei (DStP) um.

Von 1924 bis 1928 und von 1930 bis 1933 war Heuss Abgeordneter des Deutschen Reichstags. Aus dieser Zeit heraus wurde ihm später öfters zur Last gelegt, daß er am 23. März 1933 mit vier den anderen Abgeordneten (darunter auch der spätere CDU-Bundesminister Ernst Lemmer) seiner DStP-Fraktion für das Ermächtigungsgesetz Hitlers stimmte - obwohl er sich zuvor lange dagegen aussprach und schon eine entsprechende Parlamentsrede ausgearbeitet hatte.

Nach 1945 gründete er in Württtemberg die Demokratische Volkspartei (DVP) mit, wurde 1946 bis 1949 Landtagsabgeordneter und Kultusminister. Am 17. März 1948 wurde Heuss zusammen mit dem Sachsen Wilhelm Külz zum Vorsitzenden der gesamtdeutschen Demokratischen Partei Deutschlands (DDP) gewählt, da jedoch Külz sich zunehmend in der Sojetischen Besatzungszone arrangieren mußte und auch wenige Wochen später starb, versandete das Projekt einer gesamtdeutschen liberalen Partei. Zeitweise bemühte er sich auch in Gesprächen mit der CDU zu einer gemeinsamen bürgerlichen Partei zu kommen, kamen doch viele Gründungsmitglieder beider Parteien aus der Deutschen Demokratischen Partei der Weimarer Republik, doch scheiterte dieses an Fragen der konfessionellen Ausrichtung wie auch damals in Kreisen der CDU unter dem Stichwort »christlicher Sozialismus« noch stark verbreiteten planwirtschaftlichen Vorstellungen.

Am 12. Dezember 1948 wurde Heuss auf dem Gründungsparteitag der Freien Demokratischen Partei (FDP) zu deren Vorsitzendem in Westdeutschland und Berlin gewählt. Er setzte sich für den Zusammenschluss aller liberalen Parteien der westlichen Besatzungszonen ein. 1948 war Heuss Mitglied des Parlamentarischen Rates, der das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland ausarbeitete und beschloss.

Das bei der Bundestagswahl 1949 erworbene Mandat im ersten Deutschen Bundestag legte Heuss nieder, als er am 12. September 1949 gegen Kurt Schumacher (SPD) von der Bundesversammlung ins höchste Staatsamt der Bundesrepublik Deutschland gewählt wurde. Von 1949 bis 1959 wirkte er überparteilich anerkannt als erster Bundespräsident. Eine ihm angebotene Grundgesetzänderung für eine dritte Amtszeit lehnte Heuss ab. Er hätte sie aber auch nicht überlebt.

Am 12. Dezember 1963 starb Heuss kurz vor seinem 80. Geburtstag in Stuttgart - zufällig am 15. Gründungstag der von ihm mitbegründeten FDP. Schon zuvor kränkelte er lange, mußte sich Frühjahr 1963 sogar ein Bein amputieren lassen.

Sein Tod löste tiefe Trauer im Land, vor allem natürlich bei den Liberalen aus, auch wenn das Verhältnis zu seiner FDP in den letzten Jahren nicht immer spannungsfrei war, führte er doch lange hinter den Kulissen einen kleinen Kampf gegen einen seiner Nachfolger als FDP-Parteivorsitzenden, den Justizminister Thomas Dehler. Vorgeworfen wurde Heuss auch immer innerhalb der FDP eine allzu große Nähe zu CDU-Kanzler Adenauer, von dem sich viele in der Partei stärker emanzipieren wollten. Doch klar war allen gemeinsam, daß mit Theodor Heuss ein großer Staatsmann gestorben war, der sich Verdienste um die junge deutsche Demokratie und die politische Kultur in der Bundesrepublik erworben hatte.

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