[Wir veröffentlichen einen Gastartikel von Robert Royal* mit freundlicher Erlaubnis in eigener Übersetzung. Das Original hier zu finden.]
Es ist nie einfach, unwillkommene Wahrheiten in die Öffentlichkeit zu bringen. Und seit dem Aufkommen des Internets - ganz zu schweigen von den tiefen Spaltungen zu Beginn dieses verrückten Wahljahres - ist dies aus offensichtlichen Gründen zunehmend schwierig geworden. Oder genauso tiefe Spaltungen in der Kirche. Was für ein Licht und welche Beständigkeit können wir also in einem Moment wie diesem in unserem unzeitgemäßen, alten katholischen Glauben finden?
Zunächst würde ich vorschlagen, etwas wirklich Giftiges zu widerstehen, das wenig beachtet wurde: die öffentliche und private Polarisierung - selbst bei so flüchtigen Angelegenheiten wie bloßen Meinungsverschiedenheiten in der Politik - in »Hass« verwandeln zu lassen. Wir haben gerade den Martin Luther King Day beobachtet, und es gibt viele Dinge über diesen entscheidenden Amerikaner, die es wert sind, in unserer Zeit erinnert zu werden, vielleicht jedoch nichts Dringenderes als seine Warnung: »Lass nicht zu, dass sie dich dazu bringen, sie zu hassen.«
Entscheidende geistliche Ratschläge. Viele Menschen, von denen Sie erwarten würden, dass sie Dr. King bewundern, behaupten, überall »Hass« zu finden: »Hassrede«, »Predigen von Hass«, »Hass gegen Frauen«, »Hass gegen Schwarze«, »Hass gegen LGBT«. Dies sind clevere rhetorische Tropen, die beabsichtigen, ihren eigenen dünn verschleierten »Hass« gegenüber Christentum, Lebensschützern, Gegnern der LGBT-Ideologie oder des »antirassistischen« Rassismus und vielem mehr zu verbergen.
Dennoch müssen wir ständig auf die Versuchung achten, selbst Hass zu umarmen, selbst wenn wir das Böse bekämpfen und das Gute und die Wahrheit fördern. Der Begriff Hass, wie er heutzutage allgemein verwendet wird, verbannt den anderen in die äußere Dunkelheit als verdammt böse. King wusste, dass selbst wenn Sie monströsen Übeln gegenüberstehen, solche Hassgefühle selbst tödliche Sünden werden könnten. Es besteht die Möglichkeit, sich selbst in genau die Art von Menschen zu verwandeln, die man hasst9, es sei denn, man hält sorgfältig Wache über die eigene Seele.
Es gibt - oder sollte zumindest unter Christen und anderen wohlwollenden Menschen - einen klaren Unterschied zwischen Hass und Ärger geben. Der hl. Thomas von Aquin, der einige Wahrheiten über die menschliche Seele kannte, schrieb: »Das Böse kann im Ärger gefunden werden, wenn nämlich jemand mehr oder weniger als die rechte Vernunft wütend wird. Aber wenn jemand im Einklang mit der rechten Vernunft wütend wird, verdient sein Zorn Lob.« (Summa Theologiae IIa IIae q.158 a.1)
Mit anderen Worten, es gibt »gerechten Zorn«, einen Zorn, der den Übeln entspricht, die wir zu korrigieren versuchen müssen, nicht verbergen oder ignorieren. Aber es gibt gute und schlechte Möglichkeiten, dies zu tun. Ein angemessener, gerechter Zorn ist auf seine Weise eine Form der Liebe.
Im Gegensatz dazu gibt es keinen »gerechten Hass« - wenn wir unter Hass im Wesentlichen verstehen, dass wir jemanden tot wünschen - und »verdammt in die Hölle«.
In unserer postchristlichen Gesellschaft gibt es leider viel davon, sogar in der Kirche. Und es ist das Ergebnis unserer Versäumnisse, unsere eigenen Sünden und Unvollkommenheiten zu erkennen, die Notwendigkeit der Vergebung und die unvermeidliche Aufgabe, einander Lasten aufzuerlegen. Mit anderen Worten, die Verfolgung einer irdischen Utopie, die es nie gab und nie geben wird. Eine christliche Häresie. Verdamme Seele von Gian Lorenzo Bernini, 1619 [Palazzo di Spagna, Rom]
Kardinal George Pell, der vor genau einem Jahr verstorben ist, schrieb - nach Monaten der ungerechten Inhaftierung - in seinen Gefängnistagebüchern:
Wenn Gefühle tief gehen, ist es besonders nützlich, ruhig und weise zu bleiben und den Versuchungen zur Böswilligkeit, zum Hass, zu widerstehen. Das Gebet des hl. Thomas More, der Versuchung zu widerstehen, ist hilfreich. »Allmächtiger Gott, unterstütze mich mit deiner gnädigen Hilfe, damit ich meine Ohren dem subtilen Einfluss der Schlange niemals so neige, dass meine Vernunft ihnen widersteht und meine Sinnlichkeit beherrscht und mich von ihnen fernhält.«
Viele Menschen, die keine sehr tiefe christliche Bildung erhalten haben, haben solche subtilen entscheidenden Unterscheidungen zwischen Ärger und Hass nicht gelernt. Diejenigen, die den Unterschied in der Theorie kennen, finden es schwierig, ihn in der Praxis umzusetzen. Aber es ist möglich. Als ich mein Buch über die modernen Märtyrer schrieb, hat mich immer wieder beeindruckt, wie sie oft - wie Jesus - nicht fluchend, sondern für ihre Henker betend starben. Eine solche Nächstenliebe kann nicht vorgetäuscht werden.
Außerhalb des Christentums bedeutet jedoch der Wunsch nach Ruhe und Weisheit - und der Vermeidung von Hass - oft etwas anderes als das, woran Pell, More und wir selbst als Seelenfrieden durch das Vertrauen auf Gott denken sollten.
Die antiken Philosophen (insbesondere die Stoiker, die unter den aufgeregten Nicht-Christen von heute eine Art Comeback erleben) sprachen oft von einem Zustand der Ataraxie, der darauf abzielt, von den um Sie herum stattfindenden Dingen ungestört zu bleiben - eine sehr kluge Gewohnheit, wenn die politische Welt sehr unruhig ist - sowohl damals als auch heute.
Aber eine solche Kultivierung von Gelassenheit ist lediglich ein psychologischer Zustand oder bestenfalls eine philosophische Entfremdung, die eher der passiven Ertragung als dem in der christlichen Lehre verankerten Leben des Guten und Wahren angepasst ist, ruhig wenn möglich, aber ohne auf die Kosten zu achten, wenn es notwendig ist.
Die allerbesten Heiden wussten, dass die Nachgiebigkeit gegenüber der falschen Art von Ärger nicht nur die Gesellschaft, sondern auch die eigene Seele zerstört. Die Stoiker pflegten zu sagen, dass Ärger eine Art »vorübergehender Wahnsinn« ist. Seneca, ein Stoiker von solcher Kraft, dass er selbst den hl. Paulus zu beeinflusst zu haben scheint, schrieb ein sehr populäres Stück namens »Der Wahnsinn des Herkules« Hercules furens, das zeigt, wie einer der großen Helden der antiken Mythologie - in einen wahnhaften Zorn verfiel und seine eigene Frau und Kinder tötete. (Unser Freund und gelegentlicher Beitragender, der Dichter Dana Gioia, hat das Stück übersetzt und einen aufschlussreichen Kommentar zum Stoizismus verfasst.)
Aber außerhalb des Christentums bedeutet die Vermeidung von Ärger oft eher die Suche nach Passivität als nach Nächstenliebe.
Im Jahr des Herrn 2024 stehen uns große Kämpfe bevor, sowohl in der Kirche als auch auf dem öffentlichen Platz. Wir können nicht anders, als uns in diese Kämpfe zu stürzen; es sind die Herausforderungen, die Gott uns gewählt hat, indem er uns zu dieser Zeit und an diesem Ort platziert hat.
Aber wir stehen vor einer doppelten Herausforderung, einem externen Kampf, um die Welt auf das zu gründen, was wahr und richtig ist. Und einem internen Kampf, um zu verhindern, dass Ärger zu Hass wird, vielleicht mehr denn je, eine subtile Versuchung und Sünde für sich.
*Robert Royal ist Chefredakteur von The Catholic Thing und Präsident des Faith & Reason Institute in Washington, D.C. Seine jüngsten Bücher sind Columbus and the Crisis of the West und A Deeper Vision: Die katholische intellektuelle Tradition im zwanzigsten Jahrhundert.
Kommentare zum Artikel
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Erklärt von Gunnar Kaiser. r.i.p
https://www.youtube.com/watch?v=iMCL4c7h_5Y
Dem anderen gutes zu wünschen, gutes zu tun, setzt voraus das man noch weiß was gut und richtig ist!
Wenn man z. B. ein Kind dem "Frühsexualsierungs Programm" aussetzt, oder dem Kind die wahl des Geschlechts selbst überläßt, dann zeigt diese Person damit das sie diesem Kind nicht wohlgesonnen gegenüber ist und nichts gutes im Schilde führt, denn gerade das zerstört die Seele des Kindes! Also, man muß sein Kind wohl sehr Hassen, wenn man so etwas zuläßt!
Es gibt auch nur zwei Geschlechter und die kann man sich nicht aussuchen, das ist die Wahrheit!!!
In meinen Augen haben wir uns das Geschwätz von sog "Hass und Hetze" viel zu lange gefallen lassen. Denn jeder Ärger über die seit Jahren betriebene Politik des Todes und der Zerstörung sind berechtigt. Und selbstverständlich ist auch der Hass gegen jeden legitim, der versucht unsere Lebensgrundlagen zu zerstören. Wobei wir unsere Lebensgrundlagen noch immer viel zu zaghaft verteidigen.
Bei Denjenigen, die sich über vorgeblichen Hass und Hetze beklagen, scheint mir eher ein psychologisches Problem vor zu liegen - sie sind offenbar nie erwachsen geworden und nicht in der Lage sich einer Ihnen unangenehmen Realität zu stellen. Der Ruf nach Verboten entspricht hier dem Schrei nach der Mama, die alles wieder gut machen soll...
Ich hatte immer Probleme damit, meine Feinde zu lieben und für sie zu beten. - Das geht nur dann, wenn wir anerkennen, dass uns als Christen (auch beim Kampf ums Überleben)Grenzen gesetzt sind und es das Vorrecht Gottes ist am Ende für Gerechtigkeit zu sorgen.
... „Es ist nie einfach, unwillkommene Wahrheiten in die Öffentlichkeit zu bringen.“ ...
Was von Ole, Nancy, Roby, Chrischan & Co etwa deshalb bewusst gemieden wird, weil sich auf Grund ihrer Politik immer mehr werdende Bürger kaum noch repräsentiert fühlen und den Eindruck haben, „zu den Entscheidungsträgern nicht mehr durchzudringen?
Ja mei: "Für die Demokratie ist das Gift“!!!
https://www.nzz.ch/meinung/der-andere-blick/krise-der-demokratie-in-deutschland-waehler-verzweifeln-an-der-ampel-ld.1743889?reduced=true
... „Was für ein Licht und welche Beständigkeit können wir also in einem Moment wie diesem in unserem unzeitgemäßen, alten katholischen Glauben finden?“ ...
Z. B., dass die kath. Kirche im Gegensatz zur sich göttlich(?) diktieren lassenden Bundesregierung schon mal Fehler einsah – wie z. B. im Falle „Galilei“?
https://www.planet-wissen.de/natur/weltall/universum/pwiekircheundwissenschaftimstreitvereint100.html#Galilei
Sah der Vatikan nicht sogar ein, dass die Erde „vermutlich doch" keine Scheibe ist
https://dietagespresse.com/vatikan-gesteht-ein-erde-vermutlich-doch-keine-scheibe/
und jüngst scheinbar sogar:
„Evolution statt Schöpfung
Im Anfang war der Affe“?!
https://www.deutschlandfunk.de/evolution-statt-schoepfung-im-anfang-war-der-affe-100.html
„All der Krieg Propaganda, all das Geschrei und die Lügen und der Hass kommt immer nur von den Leuten, die nicht kämpfen müssen.“ George Orwell
Das Gegenteil von Hass ist Liebe. Dazu fällt mir gleich ein Zitat ein "...ich liebe euch doch alle..."(Erich Mielke, 19190 vor der ersten freigewählten Volkskammer