Das Milgram-Experiment und der autoritäre Staat

Wie Menschen ihre eigenes Gewissen verraten, um einer Autorität zu gefallen

Wer wissen will, wie ein autoritärer Staat funktioniert, wird beim sogenannten Milgram-Experiment erschreckende Erkenntnisse gewinnen: »Die extreme Bereitschaft von erwachsenen Menschen, einer Autorität fast beliebig weit zu folgen, ist das Hauptergebnis der Studie, und eine Tatsache, die dringendster Erklärung bedarf.«

Screenshot YouTube, Ausschnitt aus dem Film "I wie Ikarus"
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[Siehe zur Illustration auch Video auf YouTube HIER]

Was ist der psychologisch treibende Faktor in einer autoritären und totalitären Gesellschaft? [Oder, um ein modernes Beispiel zu nennen: Warum konnten Menschen unkritisch allen Corona-Restriktionen folgen und ihre Mitmenschen gegen deren Willen eine Maske, eine Impfung eine Quarantäne aufzwingen?]

Das Milgram-Experiment

Nach dem Zweiten Weltkrieg beschäftigte viele Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen die Frage, warum so viele Deutsche während der Diktatur des Nationalsozialismus gegen ihr eigenes Gewissen handelten und bereit waren, andere Menschen zu verletzen oder zu töten. 

Deutschland galt vor und nach dem Krieg als Land, das hinsichtlich seiner ethischen und moralischen Werte den anderen westlichen Ländern sehr ähnlich war. Der Lebensstandard war vergleichsweise hoch, die moralischen Werte fest etabliert. Und dennoch konnten viele Nazis grausame Verbrechen begehen, die heute unvorstellbar erscheinen. Dieses Thema beschäftigte beispielsweise Hannah Arendt in ihrer Abhandlung über die »Die Banalität des Bösen« in der Rückschau auf den Adolf-Eichmann-Prozess.

Diese Frage beschäftigte auch den Psychologen Stanley Milgram. Er entwickelte ein Experiment, das auf »Wikipedia« folgendermaßen beschrieben wird:

»Das Milgram-Experiment ist ein erstmals 1961 in New Haven durchgeführtes psychologisches Experiment, das von dem Psychologen Stanley Milgram entwickelt wurde, um die Bereitschaft durchschnittlicher Personen zu testen, autoritären Anweisungen auch dann Folge zu leisten, wenn sie in direktem Widerspruch zu ihrem Gewissen stehen. Der Versuch bestand darin, dass ein „Lehrer“ nach Anweisungen eines „Versuchsleiters“ einem „Schüler“ bei Fehlern elektrische Schläge versetzen und deren Intensität nach jedem weiteren Fehler erhöhen sollte. Sowohl die „Versuchsleiter“ als auch die „Schüler“ waren Schauspieler und die Stromschläge erfolgten nicht real. Dies blieb den eigentlichen Versuchspersonen, den „Lehrern“, jedoch verborgen, so dass sie davon ausgehen mussten, den „Schülern“ echte Schmerzen zuzufügen.«

Die Ergebnisse waren eindrücklich. Anscheinend scheinen viele Menschen bereit zu sein, gegen ihr eigenes Gewisse zu verstoßen und anderen Menschen Schmerz zuzufügen, wenn die Person, die ihnen den Auftrag dazu gibt, eine gewisse »Autorität« hat.

Milgram selbst kommentierte die Ergebnisse seines Experiments folgendermaßen:

»Die rechtlichen und philosophischen Aspekte von Gehorsam sind von enormer Bedeutung, sie sagen aber sehr wenig über das Verhalten der meisten Menschen in konkreten Situationen aus. Ich habe ein einfaches Experiment an der Yale-Universität durchgeführt, um herauszufinden, wie viel Schmerz ein gewöhnlicher Mitbürger einem anderen zufügen würde, einfach weil ihn ein Wissenschaftler dazu aufforderte. Starre Autorität stand gegen die stärksten moralischen Grundsätze der Teilnehmer, andere Menschen nicht zu verletzen, und obwohl den Testpersonen die Schmerzensschreie der Opfer in den Ohren klangen, gewann in der Mehrzahl der Fälle die Autorität. Die extreme Bereitschaft von erwachsenen Menschen, einer Autorität fast beliebig weit zu folgen, ist das Hauptergebnis der Studie, und eine Tatsache, die dringendster Erklärung bedarf.« [Zitiert nach Wikipedia. Originalquelle: Stanley Milgram: The Perils of Obedience. In: Harper’s Magazine, 1974]

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Ekkehardt Fritz Beyer

... »Die rechtlichen und philosophischen Aspekte von Gehorsam sind von enormer Bedeutung, sie sagen aber sehr wenig über das Verhalten der meisten Menschen in konkreten Situationen aus. Ich habe ein einfaches Experiment an der Yale-Universität durchgeführt, um herauszufinden, wie viel Schmerz ein gewöhnlicher Mitbürger einem anderen zufügen würde, einfach weil ihn ein Wissenschaftler dazu aufforderte. Starre Autorität stand gegen die stärksten moralischen Grundsätze der Teilnehmer, andere Menschen nicht zu verletzen, und obwohl den Testpersonen die Schmerzensschreie der Opfer in den Ohren klangen, gewann in der Mehrzahl der Fälle die Autorität. Die extreme Bereitschaft von erwachsenen Menschen, einer Autorität fast beliebig weit zu folgen, ist das Hauptergebnis der Studie, und eine Tatsache, die dringendster Erklärung bedarf.« [Zitiert nach Wikipedia. Originalquelle: Stanley Milgram: The Perils of Obedience. In: Harper’s Magazine, 1974]“

Ein Möglichkeit, welche schon dem Adolf bekannt war, ihm gewaltige Zustimmung beim Volk brachte und nun in Deutschland erneut zur Anwendung kommen soll???

Gravatar: Siegfried

Das politische Verbrecher- und Massenmördertum in Deutschland war stets Links oder jetzt in seiner noch gefährlicheren Form auch Grün. Dieses Potenzial fühlt sich nur dort wohl wo es sich ungehindert austoben kann.
Kein Verbrechen wozu es nicht fähig wäre. Der Versuch zeigt es.

Gravatar: Rasio Brelugi

Das Milgram-Experiment führte und führt in der öffentlichen und wissenschaftlichen Wahrnehmung ein Schattendasein. Der Grund ist: Mit diesem Experiment musste sich von der Annahme verabschiedet werden, dass die Konzentrationslager der Nazi-Diktatur nur mit deutschem Personal betrieben werden konnten. Das Ergebnis bzw. die Ergebnisse des Milgram-Experiments zeigten jedoch, dass dies auch mit US-Amerikanern möglich gewesen wäre. Die Ergebnisse waren überall, wo das Experiment durchgeführt wurde, vergleichbar: Etwa zwei Drittel der Versuchspersonen waren bereit, den Anweisungen der Autorität zu folgen und den (angeblichen) "Schülern" nicht nur Schmerzen zuzufügen, sondern auch deren Tod in Kauf zu nehmen (und dies, wo man doch hätte einfach aufstehen können und abbrechen, ohne irgendwelche persönlichen Konsequenzen befürchten zu müssen).
Die Erkenntnis aus diesem Experiment, dass die Deutschen sich nicht hervortaten beim Gehorsam gegenüber Autoritäten bzw. dass die US-Amerikaner hier gleichauf lagen, nagte doch sehr am moralischen Selbstverständnis derjenigen, die sich auf die Verachtung der Deutschen so gut eingeschossen hatten.
Daher auch die geringe Beachtung dieses Experiments von Milgram, schon seit über 60 Jahren.

Gravatar: Matthias Rahrbach

"»Die extreme Bereitschaft von erwachsenen Menschen, einer Autorität fast beliebig weit zu folgen, ist das Hauptergebnis der Studie, und eine Tatsache, die dringendster Erklärung bedarf.« "

An was sind wir Menschen denn evolutionsbiologisch gesehen angepasst? Nicht an diese moderne Welt und auch nicht an Demokratie, Menschenrechte usw. - das alles musste der Natur des Menschen durch harte und langwierige Kämpfe abgerungen werden.

Angepasst sind wir an prähistroische Clan-Gesellschaften. Also an Gesellschaften, in denen ein paar verbündete, ranghohe Haudegen die Macht innerhaben, die Frauen für sich monopolisieren und denen zu folgen ist, weil diese Despoten einen vor anderen Despoten anderer Clans recht gut schützen. Klappt besonders dann gut, wenn die Masse mit diesen Typen an der Spitze gemeinsame Sache macht, also sich von denen dominieren lässt und mitspielt, ihnen hilft, mit ihnen ums überleben kämpft.

Wer sich gegen die Anführer auflehnt, wird schnell umgebracht oder aus dem Rudel ausgeschlossen, was in der Natur oft einem Todesurteil gleichkommt.

Wer aber als Denunziant, Folterknecht usw. mitmacht, überlebt eher, rückt auch eher in der Hierarchie auf usw. - und gibt dann seine Gene mit höherer Wahrscheinlichkeit weiter.

Die Frauen, die von Natur aus ohnehin ihrer Gene weitergeben, kriegen aber mehr Ressourcen für sich und ihren Nachwuchs, wenn sie sich nicht auflehnen, sondern mitmachen. Dadurch haben ihre Kinder dann höhere Überlebenschancen.

Frauen haben bis heute nachweisbar eine Präferenz für statushohe Männer. Wo kommt das wohl her?

Wir sind an das barbarische System der Natur angepasst und haben deshalb auch barbarische Eigenschaften. Und nur, wenn man das weiß, kann man das innrere Tier zähmen und sich wie ein zivilisierter Menschen verhalten.

Geht aber besser, wenn einem nicht ständig widersprochen wird bei so Themen wie ob der Mensch auch nur ein Tier ist, ob es die Evolution gegeben hat, ob der Mensch instinktiv handelt, ob er einen freien Willen hat usw.

Hier mehr:

www.verlag-natur-und-gesellschaft.de

www.evolutionsbiologen.de

Gravatar: Croata

Ich denke, es ist Angst.

- Ich habe Angst, also tue ich dies und das.....
Das Prinzip funktioniert perfekt in China, warum denn (auch) nicht hier....
Z.B. Frau Laang tut es aus Angst von Hunger.

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