Der Fall Konstantinopels 1453 und die Vollendung der Reconquista (1492) markierten eine Zeitenwende

Wie die Handelszentren vom Mittelmeer zur Nordee- und Antlantikküste wanderten

Die Bedeutungsverschiebung vom Mittelmeerhandel zu den atlantischen Routen markierte das Ende einer Ära für Venedig und Genua. Flandern und Amsterdam wurden neue Handelszentren. Die Bedeutung des östlichen Mittelmeerraumes und Nahen Ostens nahm ab.

Seeschlacht von Lepanto. Quelle: Wikimedia Commons, Public domain
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Der Niedergang des Vorderen Orients begann mit dem Osmanischen Reich! — Eine steile These? Nicht, wenn man sich die globalen Zusammenhänge vor Augen führt.

Vor dem Osmanischen Reich konnte – über Konstantinopel und zeitweise die Kreuzfahrerstaaten – die Route der Seidenstraße im eurasischen Handel durch den Mittelmeerhandel bis nach Westeuropa verlängert werden.

Doch mit der Eroberung Konstantinopels durch die Türken und der Eröffnung neuer Seewege über die Ozeane war der Nahe und Mittlere Osten umgangen. Schiffe aus Westeuropa brachten die Waren direkt aus Asien (Vorderindien, Hinterindien, China) nach Europa.  

Aufstieg der oberitalienischen Handelsstädte

Blicken wir zurück: Im Mittelalter erblühten die oberitalienischen Städte Venedig und Genua durch den florierenden Mittelmeerhandel. Als Knotenpunkte zwischen Europa und dem Nahen Osten profitierten sie von den Handelsbeziehungen mit den Kreuzfahrerstaaten (11.–13. Jahrhundert) und mit Konstantinopel.

Ohne die Flotten und die Routen über das Meer wären die Kreuzfahrerstaaten gar nicht lebensfähig gewesen. Immer wieder waren es Genua und Venedig, die den Kreuzzügen neue Möglichkeiten eröffneten.

Wendepunkte: Fall der Kreuzfahrerstaaten (Akko 1291) und Konstantinopels (1453) sowie die Vollendung der Reconquista im Westen (1492)

Der Niedergang begann schon teilweise mit dem Fall der Kreuzfahrerstaaten im 13. Jahrhundert, als muslimische Mächte wie die Mamluken in Ägypten und Syrien die Kontrolle übernahmen.

Der entscheidende Schlag kam jedoch 1453, als die Osmanen Konstantinopel eroberten. Damit war quasi der gesamte östliche Mittelmeerraum vom Handel der Christenstaaten ausgeklammert. Denn die Gegensätze zwischen den christlich-katholischen Staaten des westlichen Mittelmeerraumes und den islamischen Regionen des östlichen Mittelmeerraumes begann sich zu verfestigen und zu militärischen Auseinandersetzungen zu führen, die den Zugang zum östlichen Mittelmeer einschränkten.

Ein Höhepunkt dieser Auseinandersetzungen war die Seeschlacht von Lepanto am 7. Oktober 1571. Diese endete mit einem entscheidenden Sieg der Heiligen Liga, angeführt von Spanien und Venedig, über die osmanische Flotte. Sie fand im Golf von Patras statt und stoppte die osmanische Expansion im Mittelmeer. Über 200 Schiffe und etwa 40.000 Mann waren an der blutigsten Seeschlacht des 16. Jahrhunderts beteiligt.

Im Westen dagegen hat die Vollendung der Reconquista 1492 die muslimische Herrschaft in Spanien beendet. Das veränderte die Handelsdynamik erheblich. Venedig und Genua verloren ihre Vormachtstellung, weil die alten Mittelmeer-Routen an Bedeutung verloren.

Wandel der Handelsrouten

Ab dem 15. Jahrhundert wandten sich die venezianischen Händler in der Folge neuen Märkten zu. Sie gingen nach Flandern, in die Niederlande, nach Spanien und Portugal.

Entdeckungen wie die des Genuesen Christoph Kolumbus (1492) und des Portugiesen Vasco da Gama (1498) eröffneten Seewege nach Amerika und Indien. Spanien und Portugal, aber auch Flandern und die Niederlande, dominierten nun den globalen Handel, während der Nahe Osten und mit ihm der Handel im östlichen Mittelmeer an wirtschaftlicher Relevanz verlor.

Rolle der Fugger und Welser

In dieser Übergangszeit stiegen die schwäbischen Familien der Fugger und Welser zu einflussreichen Handels- und Bankiers-Dynastien im Heiligen Römischen Reich auf. Die Fugger finanzierten Kaiser Maximilian I. und kontrollierten den Kupfer- und Silberhandel, während die Welser in den südamerikanischen Handel, etwa in Venezuela, einstiegen. Beide nutzten die Verschiebung der Handelsrouten, um ihre Netzwerke nach Flandern und Spanien auszudehnen.

Jakob Fugger war um 1500 der bedeutendste Kaufmann, Bergbauunternehmer und Bankier in Europa. Seine Ausbildung hatte er übrigens in Venedig begonnen, bevor er sein Familienunternehmen zu einem frühen Weltkonzern ausbaute. Fuggers Vermögen soll auf dem Höhepunkt seines Schaffens nach heutiger Kaufkraft hochgerechnet etwa 400 Milliarden Dollar oder gut zwei Prozent des europäischen Bruttoinlandsprodukts seiner Zeit entsprochen haben.

Dank der Habsburger, die zugleich als Kaiser das Heilige Römische Reich und als Könige Spanien beherrschten, und der Tatsache, dass Flandern unter die Herrschaft der Habsburger (»Spanische Niederlande«) geriet, konnten die deutschen Großhändler ein Netzwerk über Deutschland, Flandern, Spanien und schließlich bis nach Amerika ausbauen.

Bedeutung Flanderns und Amsterdams

Flandern, insbesondere Brügge und Antwerpen, wurde ein neues Zentrum für den Handel im Heiligen Römischen Reich. Später übernahm Amsterdam diese Rolle, als die Niederlande im 16. Jahrhundert durch den Seehandel mit Gewürzen und Kolonialwaren aufstiegen. Beide Regionen knüpften an die alten Handelsnetzwerke an und förderten den Übergang zur Atlantik-Wirtschaft.

Flandern und die Niederlande waren sozusagen die kolonialen Handelsknotenpunkte, von denen das gesamte Reich, quasi ganz Mitteleuropa profitierte. Die Waren wurden in den deutschen Städten weiterverarbeitet und dann über den Rhein und weitere Flüsse in ganz Europa verteilt.

Niedergang des Nahen und Mittleren Ostens

Die Parallelen sind unübersehbar: Während Europa durch den internationalen Handel aufblühte, verloren die alten Karawanen-Routen des Orients an Bedeutung. In Ägypten und Syrien ging die Einwohnerzahl zurück. Das Osmanische Reiche profitierte nur am Anfang, während seiner Expansionsphase, vom Handel. Dann war es zunehmend ins Abseits geraten und blieb auch in seiner industriellen Entwicklung zurück.

Die europäischen Länder stiegen dagegen zu Kolonialmächten auf. Das Osmanische Reich schrumpfte zum »kranken Mann vom Bosporus«. 

Wäre Konstantinopel byzantinisch und christlich geblieben, und wäre die Reconquista Spaniens nicht vollendet worden, wäre die Geschichte ganz anders verlaufen. Dann wäre der eurasische Binnenhandel in Kombination mit dem Mittelmeerhandel die dominanten Route geblieben. Doch die Neuausrichtung des Westens zu den Ozean und die Umschiffung des Vorderen Orients führte zu einer Verschiedbung der Zentren.

Geostrategisch spielen solche Konzepte noch heute eine Rolle im Widerstreit der westlichen Thalassokratie mit den chinesischen Bestrebungen nach einer neuen transkontinentalen Seidenstraße.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Heinrich

Die Grösse dieser Kriege/Seekriege waren keinerlei ein Vergleich, durch die Grösse, Anzahl Krieger und Dauer der Kriege, wie es später war. Viele Millionen im 20. Jahrhundert, kein Vergleich zu früher und auch im 21. Jahrhundert in dem wir sind, wäre es ein AtomFiasko, wie man es sich nicht vorstellen kann, und nur kalte Killer/ Menschentöter würden und wollen das verursachen.

Gravatar: Ekkehardt Fritz Beyer

... „Geostrategisch spielen solche Konzepte noch heute eine Rolle im Widerstreit der westlichen Thalassokratie mit den chinesischen Bestrebungen nach einer neuen transkontinentalen Seidenstraße.“

Ja mei: Dabei war selbst aus Sicht eines einstigen Holzfällers schon anno 2019 sehr viel mehr als deutlich:

„Ausverkauf in den USA: Das alles gehört China in den Vereinigten Staaten“:
https://www.finanzen.net/nachricht/aktien/chinas-us-investitionen-ausverkauf-in-den-usa-das-alles-gehoert-china-in-den-vereinigten-staaten-7025222

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