Gastbeitrag von Rudi Rennsteig

Warum Wahlumfragen verboten gehören

Welche Art von Demokratie wollen wir? Die Manipulation der Massen im Meinungskampf oder einen nüchterneren Politikstil, bei dem die Bürger ihre Wahlentscheidung ihren ureigenen Intuitionen und langfristigen Einstellungen gemäß abgeben?

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Es war jener Wahlabend des 14. März 2021, der Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, an dem sich ARD und ZDF in das Projekt der Ampel verliebten. Die Union war in beiden Bundesländern auf Platz zwei gelandet, SPD und Grüne hatten als jeweilige Lokalmatadore die ersten Ränge belegt. In Rheinland-Pfalz regierte bereits eine Ampelkoalition, die bestätigt wurde, für Baden-Württemberg versuchte man allzu offenkundig, eine solche herbei zu kommentieren und die nur um Merkels willen geduldete Union medial endgültig aus der Regierung heraus zu drängen.

Mit politischer Richtungsentscheidung hatte das Wahlergebnis indes sehr wenig zu tun – vielmehr war eine biedere, ebenso entpolitisierte wie verantwortungsscheue Mittelschicht einfach dem jeweils regierenden Leitwolf – pardon dem jeweils regierenden Landesvater, der jeweils regierenden Landesmutter – gefolgt, ohne sich groß Rechenschaft über die politischen Langzeitfolgen für ihr Land abzulegen. Der Herr, die Dame kamen doch so nett rüber. Oder wenigstens sagte doch der nette Moderator im Fernsehen, dass sie nett rüberkämen. Welche Ideologen in ihrem Windschatten segelten, um das Leben der Menschen möglichst irreversibel umzukrempeln, das wollten die davon potenziell Betroffenen lieber nicht so genau wissen.

Es herrschte also Aufbruchstimmung im linken Lager. Oder herrschte sie nur bei den Medien? Letztlich kommt es nicht darauf an, weil beide ohnehin nicht mehr voneinander zu unterscheiden sind. Prompt jedenfalls lieferte das Meinungsforschungsinstitut Forsa im April das erste Umfrageergebnis, das den neuen Trend bestätigte. Die Grünen machten der letzten Umfrage desselben Instituts gegenüber einen mächtigen Sprung nach vorne und plötzlich lagen sie vor der Union, die zeitgleich nachgab.

Und da war sie, die demoskopische Mehrheit für die Ampel. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Zwar wurde das Institut für diese allzu überraschenden und plötzlichen Zahlen kritisiert, aber nun waren sie halt da, blieben in der Welt und konnten ihre Wirkung entfalten.

Zweifellos hatte die ebenfalls im März hochgeköchelte Maskenaffäre der Union ihren Anteil an der sich für die Partei nach den Höhen des Jahres 2020 massiv verschlechternde Stimmung. Es dauerte noch ein bisschen, bis auch andere Institute die Union vom ersten auf den zweiten Platz verdrängt sahen, doch mit Verzögerung folgten sie alle: Emnid schon im April (INSA glaubte die Grünen mit der Union immerhin gleich auf), Forschungsgruppe Wahlen und Infratest dimap im Mai. Nur Allensbach wollte sich der Einschätzung noch nicht anschließen.

Was folgte war der Sommer der Entzauberung der Annalena Baerbock. So ungeschickt wusste sich die Kanzlerkandidatin der Grünen medial zu präsentieren, dass alle Schützenhilfe eines grünrot tickenden Medienbetriebs nichts mehr helfen konnte. Der Grünenhype brach in sich zusammen, an der Korruptionsfront der Union schwiegen plötzlich die Geschütze und die Partei der Kanzlerin vermochte es, sich zu erholen und wieder den ersten Platz in den Meinungsumfragen zu belegen.

Nachdem aber die Urlaubssaison sich dem Ende näherte, änderte sich das Bild plötzlich wieder. Wir erlebten ein ganz neues Schauspiel: Die Auferstehung der SPD. Sah man sie seit Ende 2018 in den Umfragen um die 15 Prozent herumkrebsen – wohlgemerkt auch gerne mal unterhalb dieser Marke, so dass niemand auf die Zukunft dieser Partei noch einen Pfifferling gegeben hätte – so stiegen ihre Umfragewerte im August plötzlich sprunghaft an, um Ende des Monats jene der Union zu überflügeln und zwar bei allen Instituten.

Nicht wenigen Kommentatoren drängte sich da der Eindruck auf, dass man schlicht der Auswechslung des Spielmachers bei fortgeschrittenem Match beiwohnte. Frei nach dem Motto: „Die Baerbock kann es nicht, Scholz, Du musst es machen“.

Am Ende, und da stehen wir nun, keine zwei Wochen vor der Bundestagswahl, ist die Union in den Umfragen von neuem auf den zweiten Platz verwiesen, eine Regierung unter ihrem Ausschluss scheint zum Greifen nah, nur eben nicht unter grüner, sondern unter roter Führung. Und dass diese Regierung eine Ampel sein soll, darin dürften sich die Meinungsmacher der Republik einig sein. Sie scheinen diese Kombination der reinen Farbenlehre von Rot-grün-rot noch vorzuziehen, sähe man die FDP doch gerne als bürgerliches Feigenblatt in (und die unnötig zu Widerspruch herausfordernde Linke außerhalb) der Regierung.

Doch ist es eben jene spielerische Herangehensweise an Politik, die dazu führen könnte, dass man sich am Ende doch verrechnet. Denn am Ende wird sich die FDP das Abnicken der von rot-grün gewünschten Steuererhöhungen, inklusive Vermögenssteuer, um ihres Überlebens willen nicht leisten können. Dann würde eine Bundesregierung unter Ausschluss der Union doch rot-grün-rot bedeuten müssen. Was das für unser Land hieße, mag man sich ausmalen.

Doch welche Rolle spielen die Umfrageinstitute in dieser Schmierenkomödie? Eine zentrale und auch unselige. Denn die Institute, die die Stimmung nur messen sollten, machen sie zugleich auch. Sie fungieren, wie der taz mit Blick auf Forsa bereits vor Jahren aufgefallen ist, als Verstärker jener Trends, die in den Redaktionsstuben das Licht der Welt erblicken, um dann über die medialen Kanäle in den Köpfen des Publikums verankert zu werden. Ohne sie würde den Trendsettern die Rückmeldung fehlen, die – auch sie Menschen – zur Selbstvergewisserung brauchen. Und ohne sie würde die von Noelle-Neumann beschriebene Schweigespirale bei weitem nicht so gut funktionieren. Denn das sog. Meinungsbild, dass die Institute liefern, ist notwendigerweise ein verzerrtes. Welcher unvorbereitet Angerufene traut sich schon ad hoc, seine Zustimmung zu einer medial verfemten Partei zu Protokoll zu geben? Er weiß ja nicht einmal, ob der vorgebliche Anrufer auch der tatsächliche ist.

Also wird die gemessene Zustimmung zu den Außenseitern, zu jenen also, denen der mediale Wind gerade ins Gesicht bläst, sei es eine Union in der Maskenaffäre oder eine AfD aus Prinzip, immer schlechter ausfallen, als die tatsächliche. Schlechte Umfragewerte, auch wenn sie das Meinungsbild nicht akkurat wiedergeben, können gleichwohl zu selbsterfüllenden Prophezeiungen werden, eben weil der Mensch in der Massengesellschaft dem Herdentrieb unterliegt und viele nicht den Mut haben, ihren eigentlichen Intuitionen und Einsichten zu folgen. Oder sie fordern eine Trotzreaktion heraus und beeinflussen das Wahlergebnis auf diese Weise.

Hier stellt sich die grundsätzliche Frage, welche Art von Demokratie wir wollen. Ob wir die Manipulation der Massen im Meinungskampf für unvermeidlich und die durch sie erzeugten Stimmungen als politisch maßgeblich ansehen, oder, ob wir einen nüchterneren Politikstil bevorzugen und darauf hinwirken wollen, dass die Bürger ihre Wahlentscheidung ihren ureigenen Intuitionen und langfristigen Einstellungen gemäß abgeben.

Das letztere Modell von Meinungsbildung dürfte unter den Bürgern auf Dauer einen höheren Grad an Zufriedenheit produzieren und dazu führen, dass man sich am Ende weniger hinters Licht geführt und betrogen fühlt. Geben wir ihm den Vorzug, dann sollten wir darüber nachdenken, Wahlumfragen in Deutschland grundsätzlich zu verbieten.

Ein Verbot würde übrigens auch bewirken, dass es Politikern nicht mehr so einfach gemacht würde, ihre Politik in opportunistischer und populistischer Art und Weise nach der Schimäre der Umfrageergebnisse auszurichten. Auch unter diesem Gesichtspunkt würde es zu einer Versachlichung beitragen. Der Politik und den Wahlen in Deutschland würde ein Stück ihrer verloren gegangenen Würde zurückgegeben.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: <Frank>

Warum Wahlumfragen verboten gehören

Weil sie manipulierend wirken.

Folgend gehört alles hergerichtet:

1. Die Anzahl der Sitze wird festgeschrieben.
2. Bevölkerungszahlgeteilt durch Sitzzahl ist die Zahl der Stimmen die für einen Einzelnen reichen.
3. Jeder der einen Sitz erringt kommt unabhänging von irgendwelchen % in den Bundestag. Das heißt jeder, egal von welcher Partei.
4. Die Sitze der Nichtwähler bleiben im Bundestag UNBESETZT!!!

Nun haben wir ein demokratisches Abbild der Gesellschaft. Ales andere ist im Grunde einem Putsch oder gewaltsamen Machtübernahmen gleichzusetzen und führt dazu das Minderheiten wie die GRÜNINNEN über die Mehrheit bestimmen können! Das hat rein garnichts mit Demokratie zu tun weshalb ich und alle meine Bekannten zum Lager der Nichtwähler übergetreten sind.

Diese Form von Demokratie war eh tot seit die erste Wahl "Rückgänging" gemacht wurde. Mein Vertrauen hat weder dieser Staat noch seine Vertreter und mit dem Coronairrsinn haben sie wirklich alles andere verloren was da noch gewesen sein könnte in mir.

Ich habe mich noch nie so sehr in Luftleerem Raum gefühlt -als wäre garkein Staat mehr vorhanden!- und genau das werde ich zum Ausdruck bringen indem ich das Wahllokal zum luftleeren Raum mache.

Es ist auch egal wen man wählt. Das Ergebniss ist durch "Umfragen" Medien und Erziehung manipuliert und wird notfalls wenn die Fälschungen auffliegen einfach "RÜCKGÄNGIG" gemacht. Es wird also nichts besser wenn ich hingehe und niemand wird Politik für mich oder irgendwen machen den ich kenne oder liebe, soviel ist klar, demzufolge entziehe ich dieser Wahl ihre rechtliche Legitimation und bin danach auch nicht mehr genötigt dem luftleeren Raum folge zu leisten. Auch kann mir keiner vorwerfen das ich "DIE" durch mine Stimmabgabe legiotimiert habe mich zu regieren. Das habe ich dann eben nicht getan!

Ich habe keinen von diesen unqualifizierten, arbeitsfaulen, gewissenlosen und unterbelichteten Spinnern an die Macht gewählt. Und es sollte mir besser keiner von denen unter die Augen treten.

Ich werde nur noch das allernötigste tun um nicht eingesperrt oder verhaftet zu werden. Und das mit gehörigem Widerwillen den auch jeder zu spüren bekommt vom angeblichen Staat.

Auf Wiedersehen Wahnsinn! Verwalte dich selbst!

Gravatar: Cobra

Durch "Umfragen" KANN MAN DOCH SO SCHÖN --
die Meinung der Wähler lenken.
Wenn man die die Presse im Moment beobachtet
muss man das doch erkennen.

Gravatar: Falk

Werter Karl Napp,
Sie schrieben:
"Auch die Springerpresse verschweigt die Existenz der AfD. Heute wieder ganz übel "Bild": Es wird fett und mit Bildern ausführlich und gut über die Steuerpläne von CDU/CSU, SPD, FDP und den Grünen berichtet. Die Existenz der AfD wird verschwiegen."

Das mag wohl sein. ist aber im Interesse der AfD auch besser so. Denn die Steuerpläne unserer Partei sind nicht populär. wollen doch die anderen Parteien eine Umverteilung von Oben nach unten.
Die Steuerpläne der AfD dagegen zielen klar und vernünftig darauf, den Leistungsträgern unseres Landes steuerliche Belastung zu ersparen.
Merke: Geht es den Wohlhabenden gut, profitiert der Pöbel auch davon.
Einfach mal das Wahlprogramm unserer Partei lesen!

Gravatar: Ekkehardt Fritz Beyer

... „Warum Wahlumfragen verboten gehören“ ...

Weil Wahlumfragen auch m. E. „ein Problem für die Demokratie“ sind!

„Durch Dauerumfragen wird der Unterschied zwischen Umfrage und Wahl verwischt. Das ist eine Entwertung der Wahl“!!!
https://www.sueddeutsche.de/politik/demoskopie-bitter-im-abgang-1.3669942

Ist es da nicht schon ganz ´obergrauslich` merkelwürdig, wenn mich die Kanzlerschaft unserer Heißgeliebten(?) auch insofern an die Ära Kohl erinnert, dass sie auch m. E. nicht erst während der Corona-Krise zum Versagen der deutschen Politik führte!?
https://www.ipg-journal.de/rubriken/demokratie-und-gesellschaft/artikel/nicht-weit-vom-stamm-5090/

Gravatar: Papa Schlumpf

Umfragen und Schönrederei interessiert mich nicht

AFD und nichts anderes wähle ich

Gravatar: E. Ludwig

Soweit ich mich erinnere, gab es schon vor einigen Jahren einmal eine Regelung, das 6 Wochen vor der Wahl keine Umfrageergebnisse in den ÖR Medien publiziert werden durften. Durch wen veranlaßt und mit welche Begründung ist diese Regel außer Kraft gesetzt worden?

Gravatar: karlheinz gampe

Wahlumfragen dienen der Agitation und Propaganda! Denn man kann gezielt befragen. Nie sollst Du mich befragen! Das Befragen(die weibliche Neugier) brachte ja schon der Elsa von Brabant das Unglück.

Gravatar: Big Brother

In Bayern wird an der linken oberen Ecke des Wahlscheines Altersgruppe und Geschlecht aufgedruckt.
Das ist ein weiteres Thema. Was soll das.
Demnächst wird man auch noch Fingerabdrücke mit einem Wahlscheinscanner suchen können oder die DNA anhand des abgeschleckten Briefwahlkuverts in Millisekunden analysieren können.

Gravatar: Werner Hill

Die Massen werden von den fremdbestimmten Medien schon lange massiv manipuliert. Durch Verschweigen der Wahrheiten noch mehr als durch Lügen und Schönfärberei.

Wenn Umfrageergebnisse publiziert werden, wo Frau Merkel "beliebteste Politikerin" ist, kommt es auf manipulierte Wahlumfragen auch schon nicht mehr an.

Einzige Hoffnung: die linken Medien überspannen den Bogen und ein zunehmender Teil der "Masse" fängt wieder an, selber zu denken.

Gravatar: Karl Napp

Das Staatsfernsehen ARD/ZDF und die Merkelaffine Springerpresse (Bild, Welt, lokale Zeitungen) haben bei ******* gelernt:

ARD/ZDF verschweigen beharrlich die Existenz der AfD. Die AfD ist, wie ich aus anderen Quellen weiß, im derzeitigen Bundestag die drittgrößte Partei, nach CDU/CSU und SPD.

Auch die Springerpresse verschweigt die Existenz der AfD. Heute wieder ganz übel "Bild": Es wird fett und mit Bildern ausführlich und gut über die Steuerpläne von CDU/CSU, SPD, FDP und den Grünen berichtet. Die Existenz der AfD wird verschwiegen. Und das, obwohl diese Partei im derzeitigen BT zahlreicher repräsentiert ist als die Grünen und die FDP. Und obwohl jedenfalls die Abgeordneten der Grünen und der SPD in Finanz- und Steuerpolitischen Dingen den Abgeordneten der AfD nicht das Wasser reichen können.

Die schon länger anhaltende Desinformationskampagne der deutschen Hauptmedien im Hinblick auf die AfD ist ein demokratischer Skandal. Deshalb habe ich schon seit langem die Internet-Ausgabe der NZZ (Neue Zürcher Zeitung) abonniert. Sie informiert fachlich ausreichend und sachlich korrekt über die Innenpolitik in Deutschland. Mir geht es inzwischen so wie meinen Eltern im Dritten Reich: Sie mussten nach 1936 heimlich Radio London hören, um über die deutsche Politik ausreichend und objektiv unterrichtet zu bleiben. ARD/ZDF stehen in ihrer Parteilichkeit (im wesentlichen durch Weglassen) dem Reichsender Berlin-Adlerhorst nicht mehr nach.

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