Nach den nationalen Wahlen 2024 steht Südafrika vor einem entscheidenden Moment auf seinem demokratischen Weg. Ernst Roets analysiert in seinem Kommentar für The European Conservative die Wahlergebnisse und ihre Auswirkungen, wobei er die seismischen Verschiebungen in der politischen Landschaft und die weitreichenden verfassungsrechtlichen Folgen hervorhebt.
Der Afrikanische Nationalkongress (ANC), der die südafrikanische Politik seit Nelson Mandelas Präsidentschaft dominiert hat, erlebt einen beispiellosen Niedergang. Von 69,7 % der Stimmen im Jahr 1999 auf nur noch 40,2 % im Jahr 2024 ist die Unterstützung für den ANC geschrumpft und damit zum ersten Mal unter 50 % gefallen. Dieser Rückgang macht eine Koalitionsregierung erforderlich, eine historische Premiere seit dem Ende der Apartheid.
Ein wichtiger Faktor für die schwindende Unterstützung des ANC ist das Aufkommen der vom ehemaligen Präsidenten Jacob Zuma gegründeten uMkhonto weSizwe Party (MK). Obwohl Zuma aufgrund seiner kürzlichen Inhaftierung nicht mehr für das Parlament kandidieren kann, hat die MK 14,6 % der Stimmen erhalten und zieht damit sowohl enttäuschte ANC-Wähler als auch frühere Nichtwähler an. Der Aufstieg der MK ist ein Zeichen für die interne Zerrissenheit des ANC und spiegelt die tief sitzenden Differenzen zwischen Zuma und dem derzeitigen Präsidenten Cyril Ramaphosa wider.
Die Demokratische Allianz (DA) konnte ihren Anteil leicht erhöhen und festigte ihre Position als zweitgrößte Partei mit 21,8 % der Stimmen. Die Economic Freedom Fighters (EFF) unter der Führung von Julius Malema mussten dagegen einen Rückgang von 11 % auf 9,5 % hinnehmen. Die EFF, die für ihre radikale und populistische Rhetorik bekannt ist, insbesondere für ihre gegen Weiße gerichtete Haltung, muss nun einen Rückschlag in ihrem politischen Einfluss hinnehmen.
Die Bildung einer neuen Regierung hängt von den Koalitionsverhandlungen ab. Ein Bündnis zwischen ANC, MK und EFF scheint zwar ideologisch übereinstimmend zu sein, birgt aber das Risiko einer umgekehrten Machtübernahme und der bitteren Rivalität zwischen Zuma und Ramaphosa. Umgekehrt wurde eine Koalition zwischen ANC und DA als pragmatische Lösung ins Gespräch gebracht, die von Marktbeobachtern bevorzugt wird, obwohl sie unwahrscheinlich erscheint. Die Parteien haben ein Zeitfenster von 14 Tagen, um ihre Koalitionsstrategien vor der ersten Sitzung der neuen Versammlung festzulegen.
Die Wahl verdeutlicht auch den dramatischen Rückgang der Wahlbeteiligung: Nur 58,8 % der Wahlberechtigten nahmen an den Wahlen teil - ein starker Kontrast zu den hohen Wahlbeteiligungsquoten in den 1990er Jahren. Dieser Rückzug signalisiert einen tiefgreifenden Vertrauensverlust in das politische System, denn nur ein Bruchteil der Bevölkerung unterstützt aktiv die führenden Parteien.
Südafrikas gefeierte Post-Apartheid-Verfassung wird derzeit de facto umgestaltet. Die gegenwärtige politische und soziale Dynamik formt die Verfassungswirklichkeit neu und entfernt sich von den Idealen der 1990er Jahre. Dieser Wandel schafft ein politisches Vakuum, das zunehmend von nichtstaatlichen Akteuren ausgefüllt wird, von der organisierten Kriminalität bis hin zu gemeinschaftsnahen Institutionen wie der Solidaritätsbewegung, die Aufgaben übernehmen, die traditionell von der Regierung wahrgenommen wurden.
Die sich entwickelnde politische Landschaft Südafrikas dient als Mikrokosmos für mögliche zukünftige Trends in anderen Demokratien. Der Rückgang der traditionellen Parteidominanz, der Aufstieg der Identitätspolitik und die zunehmende Rolle nichtstaatlicher Akteure sind Phänomene, die ähnliche Entwicklungen in westlichen Ländern vorwegnehmen könnten. Während Südafrika diese Veränderungen durchläuft, bietet es wertvolle Einblicke in die Widerstandsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit, die erforderlich sind, um eine demokratische Regierungsführung inmitten wachsender Desillusionierung und Fragmentierung aufrechtzuerhalten.
Kommentare zum Artikel
Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.
Südafrika ist das Land der Schwarzen.
Zuerst gab es durch die Eindringle, der holländischen Buren eine weiße Apartheit, mit Mandela kam die schwarze Apartheid.
In diesem Land wird es nie Ruhe geben.
Positiv ist, dass diese Rassisten-Partei endlich gerupft wird.
Diese Wahl in Südafrika interessiert mich genauso wenig wie z. B. Wahlen in Indien oder Präsidentenwahlen in Südamerika, mit denen wir in den sogenannten deutschen Fernsehnachrichten fast allabendlich zugemüllt werden, die alles bringen, nur nicht das, was für uns Deutsche wirklich wichtig ist.
... „Der Aufstieg der MK ist ein Zeichen für die interne Zerrissenheit des ANC und spiegelt die tief sitzenden Differenzen zwischen Zuma und dem derzeitigen Präsidenten Cyril Ramaphosa wider.“ ...
Was den US-geführten Westen völlig kalt lässt, weil auch in Ländern wie Südafrika die Eliten keine westlichen Marionetten sind und Staatsstreiche andere Ursachen haben, die durch westl. Entwicklungshilfe nach der Art einer internationaler Sozialhilfe aber wieder ausgeglichen werden?!
https://www.faz.net/aktuell/politik/putsche-in-afrika-welche-schuld-der-westen-traegt-19151967.html