Muss das Internet vergessen?

Verfassungsgericht schafft ein Recht aufs Vergessen

Das Bundesverfassungsgericht gab einer Verfassungsbeschwerde eines 1982 wegen Mordes verurteilten Mannes statt. Er wollte, dass sein Name aus dem Internet gelöscht wird.

Wikicommons / CC BY-SA 4.0
Veröffentlicht:
von

Der Erste Senat des Verfassungsgerichts gab einer Verfassungsbeschwerde eines 1982 wegen Mordes verurteilten Mannes statt. Er hatte gegen ein Urteil des Bundesgerichtshofs geklagt, das ihm kein Recht auf Löschung seines Namens im Internet zugesprochen hatte.

Bei der Internetsuche war sein Name, wie die SZ schreibt, auf der Seite des Nachrichtenmagazins »Der Spiegel« weiterhin angezeigt worden. Dagegen wehrte sich der Mann unter Hinweis, dass die Tat lange her sei und er seine Strafe verbüßt habe. Vor dem Bundesgerichtshof war er mit einer Unterlassungsklage zunächst gescheitert.

Das Verfassungsgericht argumentierte, dass zumutbare Vorkehrungen gegen die Auffindbarkeit des Namens in Betracht gezogen werden müssen. Dabei sei das Grundrecht der Meinungs- und Pressefreiheit gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht abzuwägen. Die aktuelle Berichterstattung über rechtskräftig verurteilte Straftäter bleibt von dem Urteil unberührt. Das berechtigte Interesse an einer identifizierenden Berichterstattung nehme aber mit zunehmendem zeitlichen Abstand zur Tat ab.

Mit diesem Urteil schafft das Verfassungsgericht ein Recht aufs Vergessen. Davon profitiert zunächst ein bestrafter Mörder. Sein Name muss aus dem Internet verschwinden. Wie das technisch geschieht, dazu hat sich das Gericht selbstverständlich nicht geäußert. Hier sind die Informatiker gefragt. Sie werden bei den Suchmaschinen ansetzen, aber auch bei den Servern, die den Inhalt bewahren. Deren Betreiber werden womöglich zur Löschung verpflichtet. Andernfalls bleiben die Daten im Netz und sind lediglich nicht leicht zu finden.

An der Unsitte, sich Äußerungen aus Vergangenheit zu bewahren, um sie bei passender Gelegenheit gegen den politischen Gegner verwenden zu können, wird sich dagegen wahrscheinlich nichts ändern. Das Persönlichkeitsrecht dürfte hier nicht berührt sein. Das deutet eine andere Entscheidung des Ersten Senats an, der die Verfassungsbeschwerde gegen ein Urteil des Oberlandesgerichts Celle abwies. Eine Frau hatte von einem Suchmaschinenbetreiber verlangt, dass ihr Name nicht mehr mit einem Interview einer Rundfunkanstalt aus dem Jahr 2010 verbunden werden dürfe, das sie dort gegeben hatte.

Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte
unterstützen Sie mit einer Spende unsere
unabhängige Berichterstattung.

Abonnieren Sie jetzt hier unseren Newsletter: Newsletter

Kommentare zum Artikel

Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.

Gravatar: pol. Hans Emik-Wurst

Selbst wenn Quelleninhalte modifiziert werden, bleiben die Kopien bei archive.org/web in den USA und bei vergleichbaren Dienstleistern erhalten. Auch gibt es zahllose Zitate. Im Ausland hostende Betreiber werden sich einen feuchten Kehricht um das Urteil scheren.

Es ist ein mühsames Unterfangen, hunderte Betreiber anzuschreiben und diese kostenfrei um Anonymisierung eines Namens zu bitten. Viele wollen für den Arbeitsaufwand honoriert werden! Viel Vergnügen!

Gravatar: Unmensch

Das Internet speichert so viel Information, wie das Stromnetz Strom speichert: so gut wie nichts. Auch die Suchmaschinen bilden nur ab, was sie vorfinden. Es geht also um die Informationsserver der sozialen Netze und sonstiger Medien.
Wenn die sich nicht die Arbeit antun wollen, sämtliche Berichte der Vergangenheit mühsam zu überarbetien, dann werden alte Artikel einfach automatisch gelöscht, oder zumindest hinter einer Bezahlschranke verschwinden.

Gravatar: Ekkehardt Fritz Beyer

... „Verfassungsgericht schafft ein Recht aufs Vergessen“ ...

Wozu brauchen wir dann noch den „Europäischen Gerichtshofs“???

... „Eine vergleichbare Konstellation lag dem EuGH im Jahr 2014 gegenüber Google Spain ("Right to be forgotten") zugrunde. Damals wurde nur der Suchmaschinenbetreiber datenschutzrechtlich verurteilt, dafür Sorge zu tragen, dass der Beitrag über den Kläger bei einer namensbezogenen Suche nicht in den Trefferlisten zu finden ist. Den Beitrag selbst könne der Kläger, so der EuGH, nicht entsprechend angreifen“!!! ...
https://www.spiegel.de/netzwelt/web/bundesverfassungsgericht-recht-auf-vergessen-muss-neu-ausgehandelt-werden-a-1298457.html

Gravatar: Gerd Müller

Prüfen diese Richter auch die Ausführbarkeit ihrer Urteile ab, oder ist das nur ein Alibiurteil, wie so manches andere in diesem Lande.

Ich glaube, das wissen sogar Viertklässler, daß das nicht möglich ist.
(sollten sich auch Politiker an den Spiegel heften, daß deren Lügen, anders als früher, noch in 50 Jahren abrufbar sein werden )

Gravatar: mah

Es geht hier nicht um ein Recht auf Vergessen, sondern um ein Recht auf das "Nicht mehr drüber Reden".
Die Angehörigen der Opfer können und wollen oft nicht vergessen. Man kann denen ja wohl nicht ernsthaft dieses streitig machen wollen.

Die technische Seite ist ein Brüller für sich.
Staatlich / gerichtlich durchsetzbar?
Wohl kaum wenn die Server woanders stehen.
Das ist etwa so sinnvoll, wie ein Verbot des weltweiten Magnetismus durch das Amtsgericht von Limbach-Oberfrohna in Sachsen.
Zugunsten des Amtsgerichts dort muss man allerdings sagen, daß die dort keinen derartigen Blödsinn von sich gegeben haben.
Das Verfassungsgericht laut Artikel aber doch.

Gravatar: Querulantino

>>Hier sind die Informatiker gefragt. Sie werden bei den Suchmaschinen ansetzen, aber auch bei den Servern, die den Inhalt bewahren.<<
Nein, hier sind Leute mit übernatürlichen Fähigkeiten gefragt, die in der Lage sind Informationen zu verarbeiten, die sie selbst gar nicht besitzen (dürfen).

Schreiben Sie einen Kommentar


(erforderlich)

Zum Anfang