»Dinner for One« im Kanzleramt

Verfassungsgericht: Richter verwerfen Antrag auf Befangenheit ihres Chefs

Das Bundesverfassungsgericht hat einen Antrag auf Befangenheit seines Präsidenten abgelehnt.

Bundesarchiv, B 145 Bild-F080597-0004 / Reineke, Engelbert / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 DE
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»Wes Brot ich ess, des Lied ich sing!« – Diese alte Weisheit scheint den Richtern des Bundesverfassungsgerichts entfallen zu sein. Sie sind jedenfalls der Meinung, dass ihr Präsident Stephan Harbarth im Kanzleramt mit Speisen kann, ohne dass seine Urteilsfähigkeit getrübt werden könne. Gestern lehnte der Erste Senat des Gerichts einen Befangenheitsantrag des Berliner Anwalts Niko Härting gegen den Präsidenten Harbarth und Richterin Baer ab.

Anwalt Härting vertritt die Freien Wähler vor dem Verfassungsgericht mit ihrer Klage gegen die Corona-Maßnahmen. Als Grund für den Antrag nannte er, dass beim Essen im Kanzleramt Justizministerin Christine Lambrecht, SPD, ausgiebig über die sogenannte ›Bundesnotbremse“ gesprochen habe, über die vor dem Verfassungsgericht verhandelt werden soll. Etwas, wozu die Ministerin bestenfalls vor Gericht berechtigt gewesen wäre und sicherlich nicht beim Stell-Dich-ein mit dem höchsten Richter und einer Kollegin. Doch genau zu dieser öffentlichen Verhandlung kommt es nun nicht. Das Gericht hat erklärt, schriftlich entscheiden zu wollen.

Die Begründung des Gerichts, die gestern veröffentlicht wurde, ist eine Farce. So wird die Behauptung des Gerichtspräsidenten, es handele sich beim Thema des Abends: »Entscheidung unter Unsicherheiten« um eine »abstrakte und zeitlose Fragestellungen« für bare Münze genommen. Es sei »ohne konkreten Bezug zu anhängigen Verfahren«. Zumindest die Justizministerin hat das wohl anders als die Richter verstanden und in einem Impulsvortrag beim besagten Dinner über ihr Handeln geredet, die sich lese »wie eine Handlungsempfehlung der Exekutive an das Bundesverfassungsgericht« – so der Staatsrechtler an der Universität Würzburg Kyrill-Alexander Schwarz laut Welt.

Zur Verteidigung führt das Gericht nun an, warum das Thema »Entscheidung unter Unsicherheiten« durchaus allgemein gemeint gewesen sei und mit dem anhängigen Verfahren nichts zu tun habe: »Die mit dem Thema verbundenen Rechtsfragen zu den Kontrollmaßstäben des Bundesverfassungsgerichts unter den Bedingungen tatsächlicher Unsicherheiten sind vielfältig und stellen beziehungsweise stellten sich in zahlreichen Verfahren, die das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden hat und noch zu entscheiden haben wird; der Senat weist insoweit unter anderem aus seiner jüngsten Rechtsprechung auf rechtliche Ausführungen zum Klimawandel und zur Zinsentwicklung hin.«

Überhaupt sind »Treffen zum Gedanken- und Erfahrungsaustausch zwischen dem Bundesverfassungsgericht und der Bundesregierung als solche, damit auch das hier fragliche Treffen vom 30. Juni 2021«, führen die Richter zur Verteidigung weiter aus, »ein zur Begründung der Besorgnis der Befangenheit gänzlich ungeeigneter Grund.« Sie sind in Deutschland offenbar Normalität – also eine Art »Dinner for One« unter den Mächten, die sich laut Grundgesetz eigentlich gegenseitig kontrollieren.

Das Urteil reiht sich ein in eine Folge von Urteilen, die sich alle auf den einen Satz bringen lassen, mit dem ein ähnlicher Antrag der AfD im Sommer 2021 abgelehnt worden war: Misstrauen gegen die Richter am Bundeverfassungsgereicht widerspreche »dem grundgesetzlich und einfachrechtlich vorausgesetzten Bild des Verfassungsrichters«.

Wenn also demnächst Richter sich in einer Clan-Villa zum Abendessen mit den Chefs des Clans treffen, um über »Entscheidung unter Unsicherheiten« zu plaudern, dann sage hinterher keiner, es wäre um Unsicherheiten beim Strafmaß nach einer kriminellen Handlung gegangen. Abstrakt und zeitlos waren die Themen; so wie das Böse im Menschen. Und was den Clan-Chef betrifft: Auch für ihn gilt die grundgesetzliche und einfachrechtliche Unschuldsvermutung.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: ropow

„Es ist ein üblicher Vorgang, dass sich Verfassungsorgane miteinander austauschen.“ - Christine Lambrecht (SPD), Bundesjustizministerin, am 15.10.2021

In einem Land, in dem schon die Kontrollierten nichts anrüchiges dabei finden, sich mit ihren Kontrolleuren auszutauschen, halten natürlich auch die die Kontrolleure kontrollierenden Kontrolleure das erst recht für einen üblichen Vorgang.

Gravatar: Trzebiatowski

Gab es jäh einen Zweifel daran das dieses „Gremium“ ein Urteil spricht das nicht bei einem guten Dinner mit den Regierungsfürsten abgesprochen wäre, siehe Doppelbesteuerung der Rentner zur Mitfinanzierung der fetten Beamtenpensionen. Diese Einrichtungen sind auch nur Erfüllungsgehilfen der regierenden Machthaber.

Gravatar: Jörg L.

Unser schönes Land ist nach 16 Jahren merkel nichtmal mehr einer Bananrepublik würdig. Es ist nicht mehr zum aushalten, was da für Klüngel fabriziert wird.

Nur weiter so, dummer Michel, mit dir kann man es ja machen.

Gravatar: Dienstleistungszeugnis

"Das Urteil reiht sich ein in eine Folge von Urteilen, die sich alle auf den einen Satz bringen lassen, mit dem ein ähnlicher Antrag der AfD im Sommer 2021 abgelehnt worden war: Misstrauen gegen die Richter am Bundesverfassungsgereicht widerspreche »dem grundgesetzlich und einfachrechtlich vorausgesetzten Bild des Verfassungsrichters«."


Von 1998 bis 2010 ganz ungestört von entsprechenden Verfassungsbeschwerden schon aus den Jahren 1999 und 2001 ...

https://menschundrecht.de/BVerfG%20derzeit.pdf

... hat das Bundesverfassungsgericht eine Rechtswirklichkeit und einen Zustand in Deutschland passiv beobachtet, der sich eingestellt hat auf die "Familienrechtsreform" des Jahres 1998, mit der alle staatliche Gewalt unter der Regierung der NASPD ...

https://app.box.com/s/39hdzu4lp1kk9xppnl9l4rufm8b2h1k2

... ohne Rücksicht auf Verluste Humanexperimente an und mit der Familie ins Recht setzt und durchführt, einen Zustand, der mithin "unvereinbar mit dem Grundgesetz" ist, so die Feststellung, zu der das Bundesverfassungsgericht sich 2010 dann schließlich und endlich bequemt hat und dies aber auch nur, um dem EuGHMR und seiner Entscheidung aus dem Jahre 2009 hinterherzudackeln.

Wie die BürgerInnen aber Richterinnen und Richter ernst nehmen und ihnen nicht "misstrauen" sollen, die offenkundig in erster Linie mit ihrer eigenen Dienstleistungsverweigerung, also mit der Bestätigung und Umsetzung der Regierungspolitik und mit der Sicherung und Pflege des Rechtsbeugungsprivilegs deutscher Fachgerichte - Kollegialgerichte ...

https://www.youtube.com/watch?v=muzpJt4Jef0&t=2067s

... beschäftigt sind, das wird wohl das Geheimnis der ...

https://menschundrecht.de/Papieristgeduldig.jpg

... in Karlsfriedhofsruhe bleiben.

Gravatar: herbert beckmann

Wer hätte denn etwas Anderes erwartet. Eine Krähe u.s.w.

Gravatar: fishman

Die Gewaltenteilung funktioniert in der BRD solange nicht wie die Richter an entscheidenden Stellen von politischen Parteien eingesetzt werden. Hier besteht akuter Handlungsbedarf. Nur so wurde grundgesetzwidriges Handeln, nicht nur während der Pandemie, möglich. Die verfassungswidrigen Vorgänge in der EU sind ebenfalls durch deutsche Gerichte nicht zu korrigieren, so lange sie die Unterstützung der jeweiligen deutschen Regierung finden. In diesem Zusammenhang ist erwähnenswert, daß die polnische Regierung durch EU Institutionen die deutsche Gerichtsbarkeit auf Unabhängigkeit prüfen lassen will. Als Antwort auf das deutsche Kritikgeschrei an der polnischen Gewaltenteilung.

Gravatar: Alter Schauckelstuhl

Und dann klagen die Staatsdiener, mit großem Geschrei in den "Leit"-Medien, daß sie nicht mehr von den Bürgern resektiert werden.
Selbstbeglücker, Bürgerbekämpfer, rückgratlose und charakterlose Deutschhasser, kann ich nicht achten.
Aber, wir hatten wieder mal eine Wahl. Ergebnis: weiter sooo!
Armes Deutschland!

Gravatar: Hajo

Wer hätte denn was anderes erwartet, denn eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus und die wurden doch alle von den Schwarzen und Roten hauptsächlich eingesetzt und sind ja bekanntlicherweise geprüft und für nützlich befunden worden und wer da einen anderen Glauben in sich trägt, der hat doch keine Chance und was sie den Polen vorwerfen praktizieren sie hierzulande ebenfalls, nur in umgekehrter Reihenfolge und sind somit verlogen bis ins Mark.

Gravatar: karlheinz gampe

Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus. Richter, welche mit Parteien dinieren sind grundsätzlich für ein Amt ungeeignet. Bei hohen Ämter darf nicht ein Hauch eines Verdachts bestehen. Sonst geht es den Richtern wie einst dem Robespierre, den man den Unbestechlichen nannte und der trotzdem dann auf der Guillotine endete.

28. Juli 1794: Maximilien de Robespierre wird hingerichtet

Gravatar: Fred

Total sinnlos, die Gerichte sind der verlängerte Arm der Politik nur hier wird es besonders deutlich. Kleine Zugeständnisse werden von den Gerichten an den Bürger gemacht, damit dieser sich in einem Rechtsstaat fühlt aber eigentlich ist das ganze eine Farce. In anderen Ländern ist es eben auch nicht besser. So funktionieren eben die Gesellschaften, die sich durch die Jahrtausende herausgebildet haben. Jeder muss sich für sich fragen, ob er mit seiner Lebenszeit (Seiner Arbeit und Steuern) dieses System unterstützen will und wenn nicht muss er eben die Konsequenzen ziehen (Hartz 4 oder auswandern). Da (Milgrams Experiment) immer etwa 65% der Menschen den Autoritäten ohne Einschränkungen folgen, (was das Naturell des Menschen ist) wird sich das auch nicht ändern. Man kann weiter machen, meckern und seine kostbare Lebenszeit opfern oder einfach seine Konsequenzen ziehen und sich für ein freies Leben entscheiden. Ich verstehe Menschen, die nicht mehr wählen und habe dieses Jahr das letzte mal gewählt.

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