Der Einmarsch der Türkei in Syrien und seine Folgen

Trumps Kalkül könnte Erdogans Ruin sein

Trump meint es ernst: Die US-Truppen ziehen sich aus Syrien zurück. Wer glaubt, damit wäre der Bürgerkrieg zu Ende, der irrt. - Ein Kommentar

Bürgerkrieg Syrien / Wikicommons / CC BY-SA 2.0
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Wie zu jedem Kriegsbeginn jubeln die Angreifer, hier die Türken. Ihre Medien loben den Mut der türkischen Truppen bei ihrem Vormarsch. Umgekehrt hält die Kritik an Trump an. Dabei birgt die Invasion für den türkischen Herrscher Erdogan extrem hohe Risiken, während der Truppenabzug die Aussichten der Amerikaner deutlich verbessert.

Mit ihrem Einmarsch ist die Türkei am syrischen Bürgerkrieg direkt beteiligt. Und der ist noch lange nicht an seinem Ende. Die IS-Kämpfer sind nach wie vor agil und nach allen Erfahrungen sehr viel motivierter als die Jungs aus Anatolien. Schon bei den Kämpfen um Kobane fehlte den türkischen Panzern der Schutz durch Infanterie, weil die türkischen Soldaten das Risiko, im offenen Gelände zu marschieren, nicht eingehen wollten. Mit den ersten Toten wird die Begeisterung für den Krieg im Süden in der Türkei sehr schnell verklingen.

Überdies riskiert die Türkei die Ausweitung des Krieges auf die Türkei durch die kurdischen Milizen. In einem offenen Gefecht mit der besser ausgerüsteten türkischen Armee sind sie zwar chancenlos – aber in den Bergen können sie jahrelang Unfrieden stiften. Erdogan hat es nicht in der Hand, den Krieg auf den schmalen Streifen in Nordsyrien zu beschränken. Ein Übergreifen auf die touristischen Zentren wird auch dem letzten Türken seine Freude an den vorrückenden Truppen verderben.

Die enorme Kosten treiben die türkische Wirtschaft in kürzester Zeit noch tiefer in eine Krise, die schon jetzt seit Jahren anhält. Da Ankara keine Unterstützung der EU oder USA erwarten kann, muss es sich entweder anderweitig refinanzieren oder den Preis für das militärische Abenteuer bezahlen.

Darüber hinaus droht eine Konfrontation mit Russland. Denn Assad hat sehr deutlich gemacht, dass er den Einmarsch nicht duldet. Syrische Truppen sind schon auf dem Weg in die Region. Damit aber kann auch Putin den Vormarsch Erdogans nicht akzeptieren. Er wird sich der Kritik an dem Einmarsch, die gerade aus aller Welt auf Ankara prasselt, anschließen müssen – oder er wird als unglaubwürdig eingestuft. Fallen die Russen als Vetomacht im UN–Sicherheitsrat aber aus, dann steht Erdogan auch eine Verurteilung durch die UNO ins Haus. Ob Peking sich für die Türkei stark machen will, wird man sehen. Mit dem Sicherheitsrat gegen sich, riskiert die Türkei Sanktionen.

Umgekehrt haben die USA und insbesondere Trump Vorteile aus dem Rückzug. Innenpolitisch kann der Präsident zu den nächsten Wahlen verkünden, er stünde zu seinem Wort. Er hatte versprochen, die US-Soldaten nach Möglichkeit in die Heimat zu holen. Das bringt ihm Punkte. Barak Obama hatte dagegen immer nur von Frieden geredet. Und kritisieren die Demokraten ihn jetzt, stehen sie als Kriegspartei da. Dabei haben die US-Bürger nach 18 Jahren Kriegen im Mittleren Osten genug.

Jetzt können sie den Bürgerkrieg in Syrien von außen betrachten. Kriegsverbrechen gehen ausnahmslos auf das Konto einer der anderen am Bürgerkrieg beteiligten Seiten, während die US-Army außer jedem Verdacht steht – die ersten Meldungen über Kriegsverbrechen der türkischen Armee machen seit gestern die Runde.

Trotz ihres Rückzugs verlieren die Amerikaner nicht an Einfluss. Den nehmen sie wirtschaftlich wahr. Diese veränderte Strategie bekommt auch der Iran schon zu spüren. Jeder Versuch Teherans, Washington in einen Krieg am Golf zu verwickeln, sind bisher gescheitert. Es sind der Iran und jetzt die Türkei, die in Syrien ihre Mannen für einen Krieg, der nicht ihrer ist, bluten lassen.

Der Unterschied zwischen USA und Türkei könnte kaum größer sein: In Washington regiert die Vernunft eines Präsidenten, der ein ganz bestimmtes Konzept hat. In Ankara regiert dagegen ein Heißsporn, der aus innenpolitischer Schwäche in den Krieg ziehen will. Beide, Trump und Erdogan, sind Nationalisten. Aber nur einer, nämlich Trump, tut seinem Land einen Gefallen. Denn der Einmarsch stärkt die USA und schwächt die Türkei. Und mit Sicherheit hat Trump das gewusst, als er mit Erdogan telefonisch den Rückzug besprach. Das nennt man Realpolitik zum Nutzen des eigenen Volkes.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Cantacuzene

Die Kritik aus den sogenannten westlichen Staaten an der Türkei kann nicht überzeugen: Wer selbst in Syrien durch militärische Einmischung in einem souveränen Staat das Völkerrecht ständig gebrochen hat, kann dies umgekehrt der Türkei nicht vorwerfen.

Allein die russische Stellungnahme hierzu hat Raison: Alle nicht von der syrischen Regierung ins Land geholten Truppen sollen es verlassen: USA, Frankreich, Großbritannien, Deutschland - und die Türkei.

Gravatar: Fritz der Witz

Die Türken werden sich eine blutige Nase holen, die türkische Währung wird bald wieder ins Bodenlose abschmieren, und der Osmanen-Großkotz ErdoWAHN wird bald - unrühmliche - Geschichte sein.

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