Österreichs Bundeskanzler vor der Ablösung durch Misstrauensantrag

SPÖ und FPÖ wollen Sebastian Kurz Misstrauen aussprechen

Einen Tag nach dem Wahlerfolg seiner ÖVP bei der EU-Wahl in Österreich dürfte diesen Montag die Kanzlerschaft Kurz vorerst enden. SPÖ und FPÖ einigten sich darauf, dem 32-jährigen im Nationalrat das Misstrauen auszusprechen. Rot und Blau haben eine Mehrheit.

Foto: Georges Schneider (photonews.at)/ flickr.com / CC BY 2.0
Veröffentlicht:
von

Am Sonntag konnte Bundeskanzler Sebastian Kurz und seine ÖVP bei den Wahlen zum EU-Parlament über deutliche Zugewinne von acht Prozentpunkten jubeln. Mit 34,9 Prozent fuhr man das historisch beste Ergebnis überhaupt bei den erst seit 1996 dort stattfindenden EU-Wahlen ein. Tags darauf dürfte die ÖVP in Wien aber erstmal ihre Kanzlerschaft verlieren.

Die Freiheitlichen von der FPÖ und die Sozialdemokraten von der SPÖ wollen im Rahmen eines Misstrauensantrags den 32-jährigen Kanzler Kurz stürzen. Beide Parteien einigten sich darauf, einen im Nationalrat eingebrachten Antrag der linkspopulistischen »Liste Jetzt« zu unterstützen und der gesamten Regierung das Misstrauen auszusprechen.

Die Abstimmung in der SPÖ-Fraktion dazu sei einstimmig ausgefallen, gab SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner bekannt. Gleiche Einstimmigkeit teilte auch die FPÖ-Fraktion mit, die bisher in einer Koalition mit der ÖVP verbunden war, bis diese trotz einer recht erfolgreichen Arbeit über 18 Monate hinweg durch die sogenannte Ibiza-Affäre zerbrach. Allerdings betonte die FPÖ, dass jeder Abgeordnete in seiner Entscheidung am Montag frei sei.

SPÖ und FPÖ verfügen im Nationalrat über eine gemeinsame Mehrheit. Spricht das österreichische Parlament dem Bundeskanzler das Misstrauen aus, muss der Bundespräsident diesen entlassen. Anders als in Deutschland hat der Bundespräsident die Macht, auch ohne Parlamentsmehrheit einen Übergangskanzler einzusetzen.

SPÖ und FPÖ möchten die aktuelle Regierung durch ein Expertenkabinett bis zu den für September geplanten Neuwahlen ersetzt sehen. Das Unterfangen der Regierungsabwahl gilt als politisch heikel, da sich zuletzt viele öffentliche Stimmen hinter dem im Land die Beliebtheitsskalen deutlich anführenden Sebastian Kurz gestellt haben.

Die SPÖ begründet ihre Zustimmung für den Misstrauensantrag damit, der Kanzler habe in seiner 18-monatigen Regierungszeit und in der aktuellen Krise jegliches Vertrauen verspielt, weil er die Opposition praktisch völlig ignoriert habe.

Die FPÖ wirft Kurz vor, dass man trotz des raschen Rückzugs von Heinz Christian Strache als Parteichef und Vizekanzler ihnen selber mit Misstrauen begegnet sei, die ganze Situation eskalieren ließ anstatt Wege zur Fortsetzung der Koalition zu suchen, so dass man das entsprechende Misstrauen nun zurückgebe.

Eine Abwahl wäre für den jungen politischen Senkrechtstarter Kurz ein Dämpfer. Mit 32 Jahren wäre er so jung wie kein anderer nur annähernd Bundeskanzer a.D. Bisher wurde auch noch nie ein Regierungschef in Österreich auf diese Art gestürzt. Es wäre das erste erfolgreiche Misstrauensvotum in der Geschichte der Alpenrepublik.

Kurz erklärte am Wochenende mehrmals, dass er ziemlich fest mit seiner Abwahl rechne. »Am Ende des Tages entscheidet in Österreich das Volk - und zwar im September«, sagte dieser am Sonntag nach dem Wahlerfolg seiner ÖVP bei der Europawahl.

Neben den 34,9 Prozent für die ÖVP kam die SPÖ mit fast einem Punkt Verlust auf 23,4 Prozent, gefolgt von der FPÖ, die mit zweieinhalb Punkte weniger 17,4 Prozent einfuhr. Mit einem Minus von 0,6 Punkte landeten die Grünen auf Rang vier. Die liberale NEOS gewann 0,6 Punkte dazu und bekam 8,7 Prozent. Die NEOS kündigten im Vorfeld der gestrigen Wahl an, am Montag gegen eine Abwahl von Kurz zu stimmen.

Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte
unterstützen Sie mit einer Spende unsere
unabhängige Berichterstattung.

Abonnieren Sie jetzt hier unseren Newsletter: Newsletter

Kommentare zum Artikel

Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.

Gravatar: Wolfram

Zu blauäugig - zu naiv !!!

Die Strippenzieher hinter dem Skandalvideo kommen hundert pro aus der linken und oder islamophilen Ecke !!!

Ein Riesenfehler, nicht sofort den Vizekanzler zu ersetzen !!!

Da kann er etwas von den deutschen Fake-News- und Vertuschungsmethoden unserer Regierungskreise wie im Fall der durch einen fingierten Selbstmord 'entsorgten' unbequemen Richterin Kirsten Heisig (Sommer 2010) - ebenfalls eine Kämpferin hgegen Migrantenkriminalität - lernen:

Sofortige Nachrichtensperre. Alle Zeugen des fingierten Tatortes zum Stilleschweigen verpflichtet usw. - german Gründlichkeit eben !!!

Gravatar: karlheinz gampe

Kurz hat Misstrauensantrag nicht überstanden !

Gravatar: Stephan Achner

Heute gegen 16.15 Uhr ist im österreichischen Nationalrat in Wien durch parlamentarische Mehrheit der SPÖ und der FPÖ nicht nur Bundeskanzler Kurz das Vertrauen entzogen, sprich abgewählt worden, sondern die gesamte österreichische ÖVP-Bundesregierung.

Gravatar: Querulantino

Sebastian Kurz ist ein gewiefter Taktiker. Er nutzt geschickt eine Situation, die er selbst nicht herbeigeführt hat.
Es ist relativ egal wen der BP als Übergangskanzler einsetzt. In rund 6 Wochen beginnen in Österreich die Parlamentsferien und wenn die vorbei sind haben die Österreicher bereits ihre Wahlbenachrichtigung. In der Kürze der Zeit ist es völlig unmöglich irgendwelche Gesetzentwürfe zu erarbeiten oder gar durchs Parlament zu bringen. Wer immer Übergangskanzler wird, er kann nur auf der Grundlage der zur Zeit geltenden Rechtslage handeln. Ein Bruch geltenden Rechts, so wie in Deutschland durch die Merkelin, mitten im Wahlkampf? So doof ist nicht mal ein Grüner.

Gravatar: Rita Kubier

Es wäre schon erst einmal gut und richtig, wenn sich die konservativen Freiheitlichen mit den Sozialisten zu einem Misstrauensantrag gegen Kurz zusammenschließen, damit dieser sein Amt verlassen muss. Wen allerdings der BP als vorübergehenden BK einsetzt, wird wahrscheinlich kaum zur Freude der FPÖ ausfallen. Außerdem ist Kurz möglicherweise nach den Neuwahlen im September schneller wieder ins Bundeskanzler-Amt zurückgekehrt, als er jetzt als BK versucht wird zu verhindern. Das Ergebnis der EU-Wahl zeigt das für Österreich.

Schreiben Sie einen Kommentar


(erforderlich)

Zum Anfang