Politischer Kuhhandel schmälert Chancen auf NATO-Beitritt

Schwedens Regierung rettet sich noch einmal vor dem Zerfall

Die schwedische Regierung hat mit letzter Kraft noch einmal ihren Kopf aus der Schlinge gezogen: Das Misstrauensvotum gegen den Justizminister wurde wegen einer fehlenden Stimme abgeschmettert. Doch der dahinter stehende Kuhhandel schmälert die Chancen auf den NATO-Beitritt des Landes erheblich.

Foto: Twitter
Veröffentlicht:
von

Im schwedischen Parlament (Riksdag) stand bei der jüngsten Abstimmung nicht weniger als der Fortbestand der derzeitigen Regierung von Magdalena Andersson (Sozialdemokraten) auf dem Spiel. Die Oppositionsparteien hatten den Rücktritt des Justizministers Morgan Johannson wegen seiner Unfähigkeit, geeignete Maßnahmen zu treffen, um der zunehmenden Ausländerkriminalität und dem Wildwuchs der jugendlichen Migrantenbanden entgegen zu wirken, gefordert. 174 Stimmen waren den Antragstellern so sicher, für einen Erfolg bedurfte es aber einer Stimme mehr. Vor allem die parteiunabhängige Amineh Kakabaveh stand im Fokus der Beobachtung hinsichtlich ihres Votums.

Jetzt wurde bekannt, dass Tobias Baudin, der Parteisekretär der schwedischen Sozialdemokraten, unmittelbar vor der Abstimmung Kakabaveh die Zusicherung gab, dass seine Partei die Forderungen Kakabavehs in der Kurdenfrage weiter unterstützen werde. Ergo stimmte die im Iran geborene 51-Jährige gegen das Misstrauensvotum.

So konnte die aktuelle schwedische Regierung mit diesem politischen Kuhhandel zwar noch einmal den Kopf aus der Schlinge ziehen - Ministerpräsidentin Andersson hatte für den Fall des erfolgreichen Misstrauensvotums ihren Rücktritt angekündigt - aber die Chancen auf den NATO-Beitritt des Landes sind nun noch weiter geschmälert worden.

Nach diesem Deal »können wir in den Nato-Verhandlungen definitiv auf Wiedersehen sagen«, sagt die Politologin Marja Lemne dazu gegenüber Dagens Nyheter. Selbst in den Reihen von Sozialdemokraten stößt diese Absprache auf Kritik. Der sozialdemokratische Politologe Ulf Bjereld schreibt in seinem Blog, die Türkei und Präsident Erdogan hätten »jetzt die Gelegenheit, die Situation auszunutzen und zu behaupten, Schweden erlaube Terroristen, politischen Einfluss im Land zu nehmen.«

Kakabaveh ist eine Unterstützerin der Kurden und wird von der Türkei als Förderin des Terrorismus betrachtet. Nicht zuletzt an ihr liegt es, dass die Türkei ihr Veto gegen einen NATO-Beitritt Schwedens aufrecht erhalten wird.

Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte
unterstützen Sie mit einer Spende unsere
unabhängige Berichterstattung.

Abonnieren Sie jetzt hier unseren Newsletter: Newsletter

Kommentare zum Artikel

Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.

Gravatar: Ulrich Müller

Inzwischen entscheiden kurdische Einwanderer - aufgrund Schwedens Haltung zur Kurdenproblematik in Nahost - über die schwedische Innenpolitik!

Gravatar: Fritz der Witz

Da scheint der schwedische Flugzeugträger der Nato-Kriegsmaschinerie gerade noch eibmal entronnen zu sein.

Gravatar: Ekkehardt Fritz Beyer

... „Kakabaveh ist eine Unterstützerin der Kurden und wird von der Türkei als Förderin des Terrorismus betrachtet. Nicht zuletzt an ihr liegt es, dass die Türkei ihr Veto gegen einen NATO-Beitritt Schwedens aufrecht erhalten wird.“

Womit sich letztlich herausstellen wird, dass der Recep Tayyip Europa vor seinem möglichen Untergang
– bewusst verschuldet durch die us-befehligte Nato - bewahrte???
https://www.youtube.com/watch?v=hHavjNNW8Kw

Gravatar: Lasse

Mal eine gewagte These:
Magdalena Andersson hat erkannt, dass ein Natobeitritt für Schweden eine mittlere Katastrophe ist und sich jetzt über die Absprache mit Kakabaveh erst mal eine Atempause verschafft. Der Reichstag ist ja wohlweislich zum Thema NATO nicht gefragt worden, nur die Parteiführer. Da sich die Meinungen in Schweden aus je einem Drittel für, einem Drittel gegen den Beitritt und einem Drittel Unentschlossene zusammensetzen und die Sozialdemokratie sehr gespalten ist, könnte sich da noch was tun. Erst einmal einen Dank an Frau Kakabaveh - eine standhafte und mutige Frau, auch wenn man ihr nicht immer zustimmt.

Gravatar: Amin S.

Ich bin froh, wenn Schweden nicht der NATO beitritt! Ich wäre auch froh, wenn Deutschland austreten würde. Und ich wäre froh, wenn Deutschland sich wirtschaftlich sofort mit Russland zusammen schließen würde. Dazu braucht es aber völlig andere Politiker!

Schreiben Sie einen Kommentar


(erforderlich)

Zum Anfang