Philosoph Edward Feser analysiert:

Russlands Angriff ist kein gerechter Krieg, aber ein Rückschlag der NATO auch nicht

»Eines der auffälligsten Merkmale der Katastrophe in der Ukraine ist, wie eindeutig die Grundsätze der Lehre vom gerechten Krieg zu gelten scheinen. Einerseits ist der Einmarsch Russlands nach den Kriterien der Theorie des gerechten Krieges nicht zu rechtfertigen. Andererseits ist auch das militärische Vorgehen der NATO gegen Russland nicht zu rechtfertigen.«

Foto: en.krenlin.ru, Screenshot YouTube/ABC
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»Eines der auffälligsten Merkmale der Katastrophe in der Ukraine ist, wie eindeutig die Grundsätze der Lehre vom gerechten Krieg zu gelten scheinen. Einerseits ist der Einmarsch Russlands nach den Kriterien der Theorie des gerechten Krieges nicht zu rechtfertigen.  Andererseits ist auch das militärische Vorgehen der NATO gegen Russland nicht zu rechtfertigen,« schreibt der katholische Philosoph Edward Feser auf seinem Blog

Hier sind die Kriterien für eine gerechte militärische Aktion, wie sie in Abschnitt 2309 des Katechismus der Katholischen Kirche dargelegt sind:

- Der Schaden, den der Angreifer der Nation oder der Gemeinschaft der Nationen zufügt, muss dauerhaft, schwerwiegend und sicher sein;

- alle anderen Mittel, um dem Schaden ein Ende zu setzen, müssen sich als unpraktisch oder unwirksam erwiesen haben;

- es müssen ernsthafte Aussichten auf Erfolg bestehen;

- der Einsatz von Waffen darf keine schwerwiegenderen Übel und Störungen hervorrufen als das zu beseitigende Übel.  Die Macht der modernen Vernichtungsmittel wiegt bei der Bewertung dieser Bedingung sehr schwer.

» Ich behaupte, dass die russische Invasion das erste, zweite und vierte Kriterium eindeutig nicht erfüllt, und dass die militärischen Maßnahmen der NATO gegen Russland das zweite, dritte und vierte Kriterium eindeutig nicht erfüllen würden,« so Feser weiter.

»Die Ungerechtigkeit der Invasion ist selbst bei der großzügigsten Auslegung von Putins Motiven offensichtlich.  Nehmen wir also einmal an, dass Russland ein legitimes Interesse daran hat, die Ukraine aus der NATO herauszuhalten, um der Argumentation willen.  Nehmen wir an, dass die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten, wie von einigen behauptet, lange Zeit unnötigerweise den Bären gestachelt haben und dass Russland ohne sie weit weniger geneigt gewesen wäre, in die Ukraine einzumarschieren.  Selbst unter diesen Voraussetzungen folgt daraus nicht, dass die Ukraine ein ‚Aggressor‘ ist, dass Russland durch die Ukraine einen ‚dauerhaften, schwerwiegenden und sicheren‘ Schaden erlitten hat oder dass ‚alle anderen Mittel‘ zur Beseitigung der russischen Bedenken ‚sich als unpraktisch oder unwirksam erwiesen haben.‘  Auch steht der extreme Schaden, der unschuldigen Ukrainern durch den Krieg zugefügt wird, in keinem Verhältnis zu den Beschwerden, die Russland hat.  Daher kann man nicht behaupten, dass Russlands Invasion in der Ukraine das erste, zweite und vierte Kriterium für einen gerechten Krieg erfüllt, und ist daher offensichtlich schwerwiegend ungerecht.

Aus diesem Grund sind militärische Maßnahmen zur Abwehr der russischen Invasion eindeutig legitim, und die Gerechtigkeit gebietet es, die ukrainische Seite in diesem Krieg zu unterstützen.  Abstrakt gesehen könnte die Unterstützung der Ukraine militärische Maßnahmen gegen Russland durch jede mit der Ukraine befreundete Nation einschließen.  Die Gerechtigkeit der Sache, die Ukraine zu verteidigen, erfüllt jedoch nur das erste der vier vom Katechismus genannten Kriterien.  Was ist mit den anderen drei?«

Feser weiter:

»Putin hat unverhohlen mit dem Einsatz von Atomwaffen gedroht, falls die Vereinigten Staaten oder andere NATO-Staaten militärisch in den Konflikt eingreifen.  Die realistische Aussicht auf eine solche extreme Eskalation macht es unmöglich, dass eine solche Intervention das vierte Kriterium des Katechismus erfüllt, in dem betont wird, dass ‚die Macht der modernen Vernichtungsmittel bei der Beurteilung dieser Bedingung sehr schwer wiegt".  Der Einsatz von Atomwaffen gegen die Ukraine, zu dem Russland im Falle eines Eingreifens der NATO greifen könnte, würde sicherlich "Übel und Störungen hervorrufen, die schlimmer sind als das zu beseitigende Übel.‘  Noch schlimmer wäre eine Situation, in der die Ukraine, andere nahe gelegene NATO-Staaten und Russland (als Folge eines nuklearen Vergeltungsschlags der NATO) alle mit Atomwaffen angegriffen würden.  Und das Schlimmste wäre ein Szenario, in dem sich ein zunächst lokaler Krieg in der Ukraine zu einem globalen nuklearen Schlagabtausch zwischen Russland und den Vereinigten Staaten ausweitet.«

»Selbst ein örtlich begrenzter nuklearer Schlagabtausch würde die Erfüllung der dritten Bedingung für einen gerechten Krieg, nämlich die ‚ernsthafte Aussicht auf Erfolg‘, unwahrscheinlich machen.  Wenn Russland Atomwaffen gegen die Ukraine oder die NATO selbst einsetzt, würden die NATO-Länder dann wirklich einen entsprechenden Gegenschlag ausführen?  Wenn sie dies nicht täten, wäre der russische Sieg wohl sicher.  Sollten sie jedoch Vergeltungsmaßnahmen ergreifen, ist bei weitem nicht klar, dass dies nicht zu einem Konflikt führen würde, den niemand gewinnen könnte.  Es kann auch nicht gesagt werden, dass alle weniger extremen Alternativen zur NATO-Intervention ausgeschöpft wurden, wie es das zweite Kriterium für einen gerechten Krieg verlangt.

Es ist daher in höchstem Maße unverantwortlich, wie einige vorgeschlagen haben, dass die NATO eine Flugverbotszone über der Ukraine verhängt, was eine direkte militärische Konfrontation zwischen der NATO und Russland zur Folge hätte.  Das Problem ist nicht nur, dass dies töricht und leichtsinnig ist.  Das Problem besteht darin, dass eine solche Eskalation nicht durch die Kriterien des gerechten Krieges gerechtfertigt werden kann und daher selbst schwerwiegend ungerecht wäre.  Jede Behörde, die Maßnahmen ergreift, die einen Atomkrieg - und damit den Tod von Millionen unschuldiger Menschen - riskieren, würde sich nicht weniger schuldig machen, gegen die moralischen Grundsätze zu verstoßen, die den Krieg regeln, als Putin es tut.«

Der Ratschlag der Lehre vom gerechten Krieg an die Vereinigten Staaten und ihre NATO-Verbündeten scheint daher klar zu sein: Feuern Sie die Ukraine an und leisten Sie jede mögliche Unterstützung, die mit der Vermeidung des Risikos einer nuklearen Eskalation vereinbar ist.  Andernfalls sollte man sich verdammt noch mal raushalten.  Damon Linker hat meines Erachtens die richtige Idee: Putins Vorgehen muss unmissverständlich verurteilt und die Ukraine unterstützt werden, aber die westliche Politik sollte

»Die wichtigsten Fakten, die man sich vor Augen halten sollte, sind (a) dass Putins Invasion nicht zu rechtfertigen ist, bisher den Tod hunderter unschuldiger Menschen verursacht hat und mit ziemlicher Sicherheit den Tod tausender weiterer Menschen und vielleicht noch Schlimmeres zur Folge haben wird, und (b) dass ein militärisches Engagement der NATO gegen Russland ein ernsthaftes Risiko eines Atomkriegs mit sich bringen würde und daher nicht zu rechtfertigen ist.  Langjährige politische Obsessionen können an diesen Tatsachen nichts ändern, sondern machen uns nur blind dafür,« schließt Feser.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Gehard

Leute macht Euch nicht lächerlich. Putins Krieg ist kein Krieg, sondern eher eine Alibi-Aktion zur Rechtfertigung für Sanktionen gegen uns. Wie kann man die derzeitigen Preisexplosionen an den Tankstellen usw., dem Bürger/das Volk besser verkaufen wie mit einem Krieg in dem angeblich Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser etc. angegriffen werden. (wenn man dem Mainstream, allen voran der "BILD", glaubt). Wenn Putin wollte, wäre die Ukraine morgen Geschichte, so einfach ist das.

Gravatar: Sam Lowry

Schon komisch das sich niemand darüber aufregt, dass da ukrainische Soldaten Na@isymbole an der Ausrüstung haben... (Hakenkreuze und SS-Runen)

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