Abschied von Angela Merkel

Orbán will Ampel »mit offenem Visier« bekämpfen

Der ungarische Premierminister Viktor Orbán hat in einem Aufsatz zum Ende der Ära Merkel bedauert, dass Deutschland den Konsens der patriotischen, souveränen Nationen für das Ziel einer post-nationalistischen, immer engeren EU verlassen hat. Der Deutsche Sonderweg habe zu einem Bruch in der EU geführt, der nur mit übermenschlichen Anstrengungen zu heilen sei.

Foto: Marine Le Pen
Veröffentlicht:
von

Viktor Orbán (Foto: mit Marine Le Pen am Samstag in Warschau) erinnerte an den gemeinsamen Kampf gegen den Kommunismus und zollte sowohl Angela Merkel wie ihrem gemeinsamen Mentor Helmut Kohl Respekt. Er fragte, ob Merkel die heutigen Probleme der EU absichtlich herbeigeführt hat, oder »von den Linken vor sich her getrieben« wurde. Und Orbán erwartet von der »neuen, linken Bundesregierung« eine  »einwanderungsfreundliche, gender-freundliche, immer-mehr-EU, sehr deutsche Europa-Agenda«, gegen die Orbán »mit offenem Visier« kämpfen werde.

Viktor Orbán schreibt in Samiszdat zu Angela Merkels Abgang als Bundeskanzlerin:

Wir haben sie verstanden, sie hat uns verstanden. Der sowjetische Einmarsch, die kommunistische Diktatur, der Widerstand und die Wende 1988-89, Sieg, Freiheit, Wiedervereinigung und der neue Staatsgründer Helmut Kohl, der Kanzler der Einheit.

Als ungarischer Ministerpräsident hatte ich 1998 die Gelegenheit, einige Monate gleichzeitig mit Bundeskanzler Helmut Kohl, meinem lieben, alten Freund, einem Christenbruder und treuen Freund der Völker Mitteleuropas, im Amt zu dienen.

Angela Merkel und ich mussten jahrelang in der Wüste der Opposition ausharren. Zuerst wurde sie Kanzlerin, dann kamen wir fünf Jahre später wieder an die Macht. Wir haben gemeinsam die Finanzkrise 2010 bewältigt, gemeinsam um den Zusammenhalt der EU gekämpft und gemeinsam hilflos und ausweglos der europäischen Tragödie des Ausbruchs des russisch-ukrainischen Krieges zugesehen.

Die treuen, gewissenhaften Deutschen und die rebellischen, unbändigen Ungarn standen zusammen für ein gemeinsames Ziel: ein Europa, in dem sich alle Nationen zu Hause fühlen können.

Und dann kam die Spaltung, oder besser gesagt der offene Bruch, mit der Migranteninvasion von 2015.

Es war die Art von Verletzung, bei der ein Sportler weiß, dass nichts mehr so sein wird, wie es mal war. Er versucht sich zu heilen, er kämpft und müht sich, aber eher aus Ehrgefühl. Er weiß es, und gibt nach einer Weile zu, dass er nie wieder der gleiche sein wird.

Migrationskrise war ein Fanal

Die Migrationskrise war an sich schon eine große Herausforderung. Sie wurde jedoch ein Fanal, weil sie die tiefen philosophischen, politischen und emotionalen Gräben zwischen uns aufdeckte, über den Begriff der Nation, der Freiheit und der Rolle Deutschlands in Europa.

Dabei zeigte sich, dass den Ungarn und anderen Mitteleuropäern ihre Heimat unverzichtbar ist. Die Nation ist unsere Wiege. Ohne Patriotismus gibt es kein gesundes Gefühlsleben.

Es stellte sich jedoch heraus, dass die Deutschen inzwischen einen anderen Weg für sich und Europa gewählt haben: hin zu einem postchristlichen und postnationalen Staat.

Wir Ungarn haben verstanden, dass die Deutschen darin kein Problem sehen. Sie halten dies nicht für eine Zivilisationskrankheit, die geheilt werden muss, sondern für eine natürliche, wünschenswerte und sogar moralisch überlegene Errungenschaft.

Der Zusammenhalt der Europäischen Union löste sich auf, und es gab kein Halten mehr: Migration, Gender, die Vereinigten Staaten von Europa, die Germanisierung Europas. Eine Wiederherstellung der europäischen Zusammenarbeit wird in der Post-Merkel-Ära übermenschliche Anstrengungen erfordern.

Hat Angela Merkel diesen Problemen absichtlich Tür und Tor geöffnet? Oder hat sie im Gegenteil versucht, standhaft zu bleiben, wurde aber vom Druck der Linken vor sich her getrieben? Die Antwort auf diese Frage kennen wir heute noch nicht.

Wenn man sich die einwanderungsfreundliche, gender-freundliche, immer-mehr-EU, sehr deutsche Europa-Agenda der neuen, linken Bundesregierung anschaut, sind beide Antworten auf das Rätsel Merkel möglich. Wir werden sehen.

Als ehemalige Mitkämpferin bedaure ich nur, dass ihr Lebenswerk und ihre 16-jährige Kanzlerschaft nicht einmal uns, ihren ehemaligen Kolleginnen und Kollegen, die Antworten gegeben haben.

Fest steht: Mit Merkels Abgang geht die Ära der Zweideutigkeit, der Hintenrum-Politik und des heimlichen Linksdrifts zu Ende. Wir treten nun in ein neues Zeitalter ein, in dem wir mit offenem Visier kämpfen.

Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte
unterstützen Sie mit einer Spende unsere
unabhängige Berichterstattung.

Abonnieren Sie jetzt hier unseren Newsletter: Newsletter

Kommentare zum Artikel

Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.

Gravatar: Werner Hill

In vielem hat er sicher recht. Aber die Hintenrum-Politik wird mit der Ampel nicht zuendegehen - im Gegenteil!

Das zeigte schon die völlig unnötige Ausschaltung der CDU vor den Wahlen und das zeigt sich auch am neuen Gruselkabinett.

Egal, ob mit offenem oder geschlossenem Visier, ich fürchte, auch mit dieser neuen Regierung wird Deutschland gar nicht kämpfen und im EU-Brei untergehen.

Schreiben Sie einen Kommentar


(erforderlich)

Zum Anfang